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Widerstand aus dem Klassenzimmer: Wenn sich Schüler gegen Schulpolitik wehren (leider meist vergeblich)

WIESBADEN/POTSDAM/MÜNCHEN. In Hessen fehlen Millionen, in Brandenburg Lehrkräfte und in Bayern Verständnis: In mehreren Bundesländern machen Schüler:innen deshalb mobil gegen politische Entscheidungen. Ihr Einfluss ist aber eher gering; dabei geht es um ihre Zukunft. Brauchen Schüler*innen also mehr Mitspracherecht in Sachen Bildungspolitik?

Schüler*innen machen mobil. Illustration: Shutterstock

In Hessen geht es um 20 Millionen Euro, die den Schulen auf einmal fehlen. Medienberichten zufolge erhielten die Schulleitungen Anfang März ein Schreiben vom Kultusministerium, wonach ihnen lediglich ein Drittel ihrer gebildeten Rücklagen aus den Jahren 2022 bis 2024 zur Verfügung stehen. Der Rest fließt in den diesjährigen Landeshaushalt, so der Plan des hessischen Finanzministeriums.

Dagegen regt sich Widerstand unter den Schüler*innen. „Unsere Schulen dürfen nicht zur Kasse gebeten werden, weil an anderer Stelle schlecht geplant wurde“, fordert die Landesschüler*innenvertretung Hessen (LSV Hessen). Sie hat eine Petition gestartet, mit der sie Kultus- und Finanzministerium auffordert, „die geplanten Kürzungen bei den Rücklagen der Schulbudgets vollständig zurückzunehmen“.

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Die kurzfristige Maßnahme habe schwerwiegende Folgen, mahnt die LSV Hessen im Rahmen ihrer Petition. „Die nun vorgesehene Kürzung stellt einen massiven Eingriff in die finanzielle Planungssicherheit der Schulen dar.“ Die Schüler*innen geben zu bedenken, dass Schulen über mehrere Jahre gezielt Rücklagen gebildet hätten, um kostenintensivere Projekte, pädagogische Angebote oder notwendige Infrastrukturmaßnahmen umzusetzen. „Nur weil die Schulen gut für ihre Schüler gewirtschaftet und gespart haben, heißt es nicht, dass sie die Gelder nicht brauchen und unangetastet liegen lassen!“

Petition mit bereits über 2.000 Unterschriften

Als unzumutbar beschreibt die Schüler*innenvertretung zudem den Zeitpunkt, zu dem das Kultusministerium die Schulleitungen informiert habe – „kurz vor Ablauf der Frist zur Einreichung der Haushaltspläne“. Dieses Vorgehen untergrabe das Vertrauen in eine verlässliche Bildungsplanung. Die Schüler*innen fordern eine klare Priorisierung der Bildungsfinanzierung: „Unsere Bildung darf nicht für kurzfristige Haushaltslöcher geopfert werden!“

Bereits über 2.000 Menschen stärken mit ihrer Unterschrift das Anliegen der LSV; darunter viele Eltern, Schüler*innen und Lehrkräfte, wie aus den über 900 Kommentaren hervorgeht. Unabhängig voneinander betonen sie die Bedeutung von Bildung. Unterstützung erhält der LSV Hessen auch von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Wir stehen als GEW Hessen hinter der Forderung der LSV und rufen dazu auf, die Petition zu unterschreiben“, so Thilo Hartmann, Vorsitzender der GEW Hessen. Die Hessische Landesregierung versuche, ihren Haushalt auf dem Rücken der Schüler:innen und der Lehrkräfte zu konsolidieren. „Dies stellt einen weiteren Vertrauensbruch der Landesregierung dar. Vielen Schulen werden die finanziellen Mittel fehlen, um bewährte Projekte und Bildungsangebote in der bisherigen Form weiterzuführen.“

Trotz Lehrermangel keine zusätzlichen Lehrerstellen

Gegen geplante Kürzungen richtet sich auch der Protest von Schüler*innen in Brandenburg. Dort sind im geplanten Haushalt keine neuen Stellen für Lehrkräfte vorgesehen – und das trotz eklatantem Lehrkräftemangel. „Wir finden, das Zeichen, was damit gesetzt wird, ist grotesk“, sagt der Sprecher des Landesschülerrates, Stefan Tarnow. „Man verunsichert die Lehrkräfte im Land, man verunsichert die Schüler.“ Er verwies darauf, dass den Schulen Geld fehle. „Dann stellt sich die Landesregierung hin und kürzt im Bildungsbereich. Der Unterricht muss gewährleistet werden“, so der Abiturient aus Lübben.

In Brandenburg fehlen Lehrerinnen und Lehrer. In den ersten sechs Monaten des laufenden Schuljahres sind bereits rund 152.000 Stunden oder 2,23 Prozent des geplanten Schulunterrichts ersatzlos ausgefallen. Im Schuljahr 2023/2024 waren es mehr als 300.000 Stunden. Trotzdem soll die Zahl der Lehrkräfte nach den Plänen der SPD/BSW-Landesregierung nicht steigen, sondern von knapp 20.800 auf 20.542 im Schuljahr 2025/2026 und 20.442 im folgenden Schuljahr zurückgehen. Alternativ sollen Lehrerinnen und Lehrer eine Stunde mehr unterrichten und dafür von anderen Aufgaben entlastet werden. So soll es die Bewertung des Arbeits- und Sozialverhaltens nur noch in den Stufen 4, 6 und 10 geben. Das hatte der Sprecher des Landesschülerrats in der „Märkischen Allgemeinen“ als problematisch bezeichnet.

„Dann können wir uns auch die ganze Demokratiebildung an unseren Schulen sparen.“

In Bayern haben Schüler*innen jüngst eine Petition mit fast 55.000 Unterschriften an den Landtag übergeben (News4teachers berichtete). Diese richtet sich gegen die gefürchteten Exen, unangekündigte Leistungstests an Bayerns Schulen. „Wir brauchen endlich eine zeitgemäße Prüfungskultur“, sagte die 17-jährige Münchnerin Amelie, eine der Initiator*innen, als sie der Vorsitzenden des Bildungsausschusses, Ute Eiling-Hütig (CSU), den Ordner mit den Unterschriften überreichte. „Es gibt so viele, die tagtäglich in die Schule gehen, die Panik, die Stress haben – so darf es einfach nicht mehr weitergehen! Und genau deswegen brauchen wir jetzt eine Änderung!“

Ob die Petition aber den gewünschten Effekt haben wird, ist fraglich. Schließlich hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bereits vergangenen Herbst per Machtwort einer solchen Änderung eine Absage erteilt. Mehrere Verbände und Gewerkschaften hatten das Vorgehen des Ministerpräsidenten damals scharf verurteilt (News4teachers berichtete). Die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes, Simone Fleischmann, kritisierte, dass Söder versuche, basisdemokratische Bemühungen von Schülern schon im Ansatz mit einem Machtwort auszuhebeln. „Dann können wir uns auch die ganze Demokratiebildung an unseren Schulen sparen.“

„Schüler:innenvertretungen in Deutschland werden kaum ernst genommen.“

Das Beispiel aus Bayern spiegelt allerdings treffend die Wahrnehmung eines erfahrenen Schülervertreters wider: „Schüler:innenvertretungen in Deutschland werden kaum ernst genommen.“ Das kritisierte Hendrik Heim, Schüler aus Hessen, im vergangenen Jahr in einem Gastbeitrag auf der Internetseite zur Jugendstrategie der Bundesregierung (die genau darauf abzielt, Jugendliche und junge Menschen stärker in den politischen Prozess einzubeziehen). In der Realität, so Heim, hätten Schüler*innen „oft viel zu wenige Mittel, um wirklich etwas durchzusetzen“.

Selbst wenn sich Schüler:innen aktiv engagierten, Projekte umsetzten und in der Schulpolitik etwas bewegen wollten, stießen sie auf zu viele Hürden. „Entscheidungsträger:innen versichern den Schüler:innen zwar gerne medial ihre Unterstützung und Gesprächsbereitschaft. Immer wieder kommt dabei aber sehr wenig raus, da von den Anregungen der Lernenden in der Bildungspolitik nur wenig umgesetzt wird“, so schreibt Heim. Diese Scheinpartizipation führe bei vielen Schülervertreter:innen nach einiger Zeit zu Frust. „Man hat das Gefühl, alle Anstrengung, die man in seine Ziele steckt, alle Mitarbeit, die man in den vielen Gremien leistet, führen im Endeffekt zu nichts.“

Dabei könne eine frühe Beteiligung im Rahmen der Schule zu einer frühen Politisierung führen, zeigt sich Heim überzeugt. „Man beschäftigt sich frühzeitig mit der (Schul-)Politik in seinem direkten Umfeld und mit den Abläufen, die in einer Demokratie wichtig sind. Somit könnte eine gut geführte SV auch ein Mittel sein gegen ein fehlendes Interesse Jugendlicher an der Politik“ – und vielleicht auch wieder zu mehr Vertrauen in die Demokratie führen. News4teachers / mit Material der dpa

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