Nicht nur nette Lehrer-Interviews: Schülerzeitungen werden zunehmend politisch

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WIESBADEN. Schülerzeitungen können mehr, als das launige Lehrerinterview oder den Bericht vom Ausflug zu veröffentlichen. Die Nachwuchs-Medienmacher scheuen keine gesellschaftlichen Themen. Ein Redaktionsbesuch.

Aufnahme läuft. Illustration: Shutterstock

In der Integrierten Gesamtschule Kastellstraße in Wiesbaden ist Redaktionskonferenz. Die Nachwuchs-Redakteurinnen und Redakteure der Schülerzeitung «IGSK News» besprechen die aktuelle Ausgabe mit dem Oberthema «Demokratie und Europa». Die Mädchen und Jungen der Klassen fünf bis zehn sind mit Herzblut bei der Sache, in großen und kleinen Runden wird in dem selbst gestalteten Redaktionsraum diskutiert, recherchiert und getippt.

Die «IGSK News» ist eine der erfolgreichsten hessischen Schülerzeitungen: 2025 hat sie beim Bundeswettbewerb für Schülerzeitungen «Kein Blatt vor den Mund» den zweiten Platz in der Kategorie Realschulen gewonnen.

Junges Redaktionsteam ist mit Herzblut dabei

Grundsätzlich könne sie sich für alle Themen begeistern, sagt die 16 Jahre alte Schülerin und IGSK-Redakteurin Delia. Ganz besonders interessiert sie sich allerdings für Psychologie. Einer ihrer jüngsten Artikel dreht sich um Selbstliebe. Mitschülerin Emma mag Geschichten rund um Skandale und die Welt der Models – jedoch mit einem kritischen Blick, wie die 15-Jährige betont.

«Die Kinder, die hier mitmachen, bringen durchaus Tiefe mit», sagt Lehrerin Eva Giovannini. In den Heften würden viele ernste gesellschaftliche Themen behandelt, wie etwa Klimaschutz oder Gerechtigkeit. Aber es gebe auch eher bunte Artikel und Berichte über alles, was die Schulfamilie bewegt, ergänzt Giovannini. Die Schülerredaktion ist ein freiwilliges Projekt, die Kinder und Jugendlichen engagieren sich neben ihrem Unterricht für die Zeitung.

Mehrere hessische Schülerzeitungen bei Wettbewerb dabei

Wieviele Schülerzeitungen es in Hessen gibt – dazu hat das Kultusministerium keine Daten. Allerdings habe die Teilnehmerzahl beim hessischen Schülerzeitungswettbewerb in den zurückliegenden Jahren tendenziell zugenommen – auf zuletzt 45 Zeitungen.

Schülerzeitungen haben sich in den zurückliegenden Jahren durch die Digitalisierung weiterentwickelt, erläutert eine Ministeriumssprecherin. Viele erschienen mittlerweile nicht nur in gedruckter Form, sondern auch online. «Manche Schülerzeitungen integrieren Podcasts, Social Media oder Videos, was eine neue Dimension des Journalismus ermöglicht.» Während früher oft schulische Themen im Vordergrund standen, gehe es mittlerweile häufig um Themen wie Klimawandel, Nachhaltigkeit, Social Media oder internationale Politik, ergänzt die Sprecherin.

Minister: Schülerzeitungen unterstützen demokratischen Diskurs

«Schülerzeitungen sind eine hervorragende Möglichkeit für Schülerinnen und Schüler, sich mit verschiedenen Themen auseinanderzusetzen, die die Schulwelt und die Schülerschaft, aber auch die ganze Gesellschaft bewegen», sagt Hessens Kultusminister Armin Schwarz (CDU). Die Schülerinnen und Schüler lernten nicht nur logisch zu argumentieren und ihren Schreibstil zu verbessern, sondern träten auch in einen Diskurs mit anderen ein und trügen zum demokratischen Meinungsaustausch bei.

Zahl der Online-Schülerzeitungen steigt

«Klar ist, dass die Lernbedingungen es heute schwieriger machen, über den Schulunterricht hinaus eine Schülerzeitung zu gestalten», sagt Tobias Westphal, geschäftsführender Bundesvorstand des Verbandes Jugendpresse. «Dennoch kann von einem Rückgang der aktiven Schülerzeitungen nicht die Rede sein.» Auch wenn die Digitalisierung der Zeitungsbranche immer weiter voranschreite, «viele Schüler*innenzeitungsredaktionen setzen nach wie vor auf die gedruckte Form», ergänzt Westphal. Die Jugendpresse lobt gemeinsam mit den Ländern den bundesweiten Wettbewerb für Schülerzeitungen aus.

Die Zahl der Online-Zeitungen steige stetig, ergänzt Westphal. «Für die Redaktionen hat das den Vorteil, dass sie keine Druckkosten mehr haben sowie häufiger und aktuellere Beiträge veröffentlichen können.» Viele Blätter seien sowohl online als auch offline unterwegs.

Meinung erwünscht

Die jungen Medienmachenden setzen auf eine große Bandbreite an journalistischen Darstellungsformen, wie Westphal erläutert. Das reiche von der Reportage über eine Demo in der Stadt, über ein Interview mit der Schulleiterin bis zum klassischen Bericht über die Projektwoche. «Beliebt sind auch Kommentare zu aktuellen gesellschaftspolitischen Themen – die Redakteur*innen sind hier durchaus meinungsfreudig», erklärt Westphal.

Die jungen Redakteure und Redakteurinnen berichteten kritisch über Probleme und kreideten Missstände an, fügt der Medien-Experte hinzu. «Damit übernehmen sie an ihrer Schule eine wichtige Wächterfunktion, wie es auch die Aufgabe von Medien insgesamt ist.» Beliebte Klassiker bei den Schülerzeitungen seien daneben unterhaltsamere Formate wie das Vorstellen von Haustieren und die Witze-Rubrik.

Im Kleinen wie im Großen: Medien wichtig für die Demokratie

«In Zeiten von Fake News und Desinformation sind Schülerzeitungen ein wichtiger Baustein der Medienbildung», bekräftigt Westphal. Die Redaktionsmitglieder lernten, Fakten zu überprüfen und Informationen kritisch zu hinterfragen. Auch junge Leser und Leserinnen würden an den Journalismus herangeführt. «Sie lernen: Medien sind wichtig für eine funktionierende Demokratie, ob im Kleinen an der eigenen Schule oder im Großen.» Von Andrea Löbbecke, dpa

Wie demokratisch sind Schulen? Nicht so sehr! Warum Schüler mehr Mitbestimmungsrechte brauchen – eine Podcast-Debatte

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Gelbe Tulpe
5 Monate zuvor

Hoffentlich untersuchen die auch kritisch die schlechte Qualität des Mint- und Wirtschaftsunterricht und vieler Schulbücher sowie zunehmende gesundheitliche Probleme durch zu lange Schultage.

unverzagte
5 Monate zuvor

Ein erfreulicher Artikel, der Erinnerungen an Erfahrungen mit Schulzeitungen weckt:
Eine wurde damals in den 70 ern an “unserem” Gymnasium verboten unmittelbar nach einem autobiographisch verfasster Bericht darüber, was bei einem Orgasmus in einem weiblichen Körper passiert.
Die Offenheit der jugendlichen Autorin über so ein intimes Erlebnis öffentlich zu schreiben hat mich damalige Quartanerin sehr beeindruckt.

Gelbe Tulpe
5 Monate zuvor
Antwortet  unverzagte

Das sollte wiederholt werden. Ob die Schulen heute anders reagieren würden?

unverzagte
5 Monate zuvor
Antwortet  Gelbe Tulpe

Bin seit Jahren raus aus der Mittelstufe, kann ich also nicht beurteilen. Vermute aber, dass die Toleranzgrenze sich nicht maßgeblich verschoben hat.

Unverzagte
5 Monate zuvor

Gäbe es die Möglichkeit für interessierte SuS in der Sek 1ein Praktikum in der Redaktion von 4tea zu absolvieren? Könnte eine win-win Planung werden…

unverzagte
5 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Mir wird nach jahrzehnte (?) zumindest langjähriger Nutzung dieses anregenden Portals erst bewusst, was Sie da für uns alle täglich leisten…bisher hatte ich immer so ein Redaktionsgebäude vor Augen, in dem alle Beteiligten hauptberuflich wacker in Ihren Zimmerchen vor sich hinwerkeln und sich um einen großen, runden Tisch zur Sitzung treffen.

Ich ziehe beeindruckt meinen Hut voller Dank für all Ihre engagierte Arbeit und wage gar nicht zu fragen, wie die sich finanziert ?