BERLIN. Von Gelsenkirchen bis Neu-Ulm, von Schulabschluss bis Internet: Wo ein Kind lebt, spielt bei der Chance auf Mitbestimmung eine Rolle. Der «Teilhabeatlas» zeigt, welche Wünsche junge Menschen haben. Ganz vorne mit dabei: Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten – besonders in der Schule.

Stadt oder Land? Norden oder Süden? Die Chancen junger Leute zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sind einer Studie zufolge stark vom Wohnort abhängig. Eine gute Schulbildung, Freizeitangebote, Gesundheitsversorgung und eine gut ausgebaute Infrastruktur sind deutschlandweit sehr unterschiedlich, wie aus dem «Teilhabeatlas Kinder und Jugendliche» hervorgeht, den das Berlin-Institut gemeinsam mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und der Wüstenrot Stiftung in Berlin vorgestellt hat.
Trotz der unterschiedlichen Bedingungen ähneln sich die Wahrnehmungen und Wünsche junger Menschen unabhängig vom Wohnort. Kinder und Jugendliche wünschen sich demnach vor allem Möglichkeiten der Freizeitgestaltung, Selbstbestimmung und Beteiligung.
Schnelleres Internet in der Stadt
Insbesondere in Großstädten im Ruhrgebiet, Schleswig-Holstein und nördlichen Niedersachsen treffen hohe Kinderarmut und Jugendarbeitslosigkeit aufeinander, wie es im «Teilhabeatlas» heißt. Während in Duisburg, Bremerhaven und Gelsenkirchen 2022 mehr als jedes vierte Kind in einer Familie lebte, die staatliche Transferleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezog, war es in Biberach, Neu-Ulm oder im Oberallgäu nur jedes 20. Kind. In einigen Orten im äußersten Norden und den ostdeutschen Bundesländern ist der Anteil der Schulabgänger:innen ohne Abschluss demnach mit zehn bis 15 Prozent am höchsten.
Grundsätzlich profitierten Kinder und Jugendliche in städtischen Regionen von einem gut ausgebauten Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln. Auf dem Land sei Mobilität eher eine Herausforderung für junge Menschen. Auch die Verfügbarkeit von schnellem Internet sei dort teilweise ausbaufähig, so die Studienautoren.
Für den «Teilhabeatlas» analysierten die Forscherinnen und Forscher statistische Daten aus den 400 Kreisen und kreisfreien Städten in Deutschland, zur Wirtschaft, Bildung, Demografie und Infrastruktur. Daraus wurden fünf ländliche und drei städtische Regionen gefiltert, die unterschiedliche Teilhabemöglichkeiten bieten. Vor Ort führten die Forscher Interviews mit jungen Menschen und Erwachsenen aus dem Bildungsbereich.
Junge Leute wünschen sich mehr Freiräume
Junge Menschen wünschen sich der Befragung zufolge mehr Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten, wie die Referentin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, Johanna Okroi, sagte. Kinder und Jugendliche würden vor allem in Ganztagsschulen viel Zeit verbringen und dort ein immer regulierteres Leben haben. Insbesondere in der kalten Jahreszeit sei das Angebot an Räumen, in denen junge Menschen sich aufhalten und selbst über ihre Freizeit entscheiden können, deutlich eingeschränkt.
Zu ihrer Selbstbestimmung gehöre auch die finanzielle Unabhängigkeit junger Menschen, die sich laut Okroi nur durch kostenlose Angebote sicherstellen lässt. Ein gutes Angebot an öffentlichem Nahverkehr und ausgebauten Radwegen seien eine ebenso wichtige Voraussetzung für die Selbstbestimmung wie Sicherheit – insbesondere für Mädchen, Menschen mit Einwanderungsgeschichte und queere junge Menschen.
Mehr mitreden an Schulen
Bei der Beteiligung handele es sich um eine Frage der Haltung, die eigentlich überall gelebt werden könne, sagte Okroi. Viele junge Menschen haben der Befragung zufolge vor allem in der Schule den Eindruck, dass ihre Vorschläge nicht gehört werden. Schulen bieten demnach ein ungenutztes Potenzial: Sie könnten Orte echter Beteiligung werden. Junge Menschen sollten bei der Gestaltung öffentlicher Räume einbezogen werden und es sei wichtig, ihnen das Gefühl zu geben, mitreden zu können, sagte Okroi.
Für relevant halten die Forscher die Teilhabemöglichkeiten junger Menschen auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung in Deutschland. Je besser gerüstet junge Menschen seien, desto besser könnten sie mit den Herausforderungen einer alternden Gesellschaft umgehen. News4teachers / mit Material der dpa
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“.. Zu ihrer Selbstbestimmung gehöre auch die finanzielle Unabhängigkeit junger Menschen, die sich laut Okroi nur durch kostenlose Angebote sicherstellen lässt. Ein gutes Angebot an öffentlichem Nahverkehr und ausgebauten Radwegen seien eine ebenso wichtige Voraussetzung für die Selbstbestimmung wie Sicherheit .. “
Also darfs neben dem Bürgergeld vielleicht noch Bürgersushi, Bürgerreisen und Bürgerinternet sein, ja?
Erlebe ich auch täglich in der “sozialen” Einrichtung in der ich tätig bin. Die tollen jungen Leute heben nicht mal ihre Taschentücher auf, geschweige denn das sie jemals irgendetwas für andere tun. Aber wehe eine Dienstleistung wie z.B. die, natürlich, subventionierte Verpflegung steht zu spät auf dem Tisch. Dann sind die verwöhnten Kids ganz empört.
Was hier in dem Artikel leider so gar nicht zum Tragen kommt, ist die Studie selbst, die nämlich sehr interessant ist.
Die Fragestellung, der man nachgegangen ist, war nämlich die räumliche Einordnung der Schulabgänger ohne Abschluss und diese Quote hat man für alle Städte und Kreise erhoben. Dann hat man in einem weiteren Schritt die Sozialindexe dargestellt und darüberhinaus die lernförderliche oder lernverhindernde Infrastruktur. Interessanterweise können auch sehr ländliche Gebiete (z. B. Allgäu) eine sehr lernförderliche Infrastruktur haben, auch wenn weniger Busse fahren….
Diese Einordnungen wurden dann alle zusammen herangezogen, um Hinweise zu finden, wie die Zahl der abschlusslosen Schulabgänger damit korrespondiert….
Erst ganz zum Ende hat man 222 Interviews mit Vertretern der verschiedenen „Regionen“ geführt, um die wissenschaftliche Studie bestätigt zu sehen….
Kern waren nicht die Wünsche nach Teilhabe, sondern die Verifizierung der Bedarfe, die die Studie aufgedeckt hat…..
https://www.spiegel.de/panorama/bildung/soziale-teilhabe-von-kindern-und-jugendlichen-wo-bildung-und-beteiligung-vom-wohnort-abhaengen-a-57338b25-6d45-43b3-b3a7-6ecf68bf4edb
Hinter einer Bezahlschranke, aber lohnenswert
“Erst ganz zum Ende hat man 222 Interviews mit Vertretern der verschiedenen „Regionen“ geführt, um die wissenschaftliche Studie bestätigt zu sehen….”
Wo steht dies im Spiegel-Artikel?
“Die tollen jungen Leute heben nicht mal ihre Taschentücher auf, geschweige denn das sie jemals irgendetwas für andere tun.”
Der Ansatz wäre ja, diese Jugendlichen partizipieren zu lassen, dass die Einrichtung – und bspw. deren Sauberkeit – denen auch etwas bedeutet.
Außer Ihrer Meinung, die sollten kein Internet, Burger oder Sushi haben, sehe ich da keine Widersprüche, mehr einen Lösungsversuch.
Oder sind Sie mit der aktuellen Situation so happy? 😉
Nanana!
Was wollen wir denn mit Mitbestimmung?
Wie sollen wir die Kinder dann für deren politisisches Desinteresse kritisieren bzw. für – noch schlimmer – politisches Engagement?
Am Ende befähigen wir die noch, nicht in einer ähnlichen politischen Ohnmacht zu schweben und Populist*innen und/ oder Rechtsextreme zu wählen, die uns einfache Lösungen versprechen!
Das Gute an dieser Nachricht ist, dass Klassen und Schulen hier schon (kleine) Räume demktatischer Partizipation anbieten können, ohne auf “den großen Wurf” warten zu müssen.