Vorbild Hamburg: Nächstes Bundesland führt verpflichtende Lesezeit ein

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SAARBRÜCKEN. Ab dem kommenden Schuljahr wird in saarländischen Schulen mehr gelesen. Mit dem neuen „Leseband“ will das Bildungsministerium die Lesekompetenz aller Schüler*innen stärken – im besten Fall an jedem Schultag.

Drei- bis fünfmal pro Woche sollen Grundschüler*innen im Saarland ab dem kommenden Schuljahr mindestens 15 Minuten am Stück in der Schule lesen. Symbolfoto: Shutterstock/Africa Studio

Im Saarland wird zum Start des Schuljahres 2025/2026 flächendeckend eine fest verankerte Lesezeit in den Stundenplänen eingeführt. Nach Hamburger Vorbild wird das so genannte «Leseband» sowohl für alle Grundschulen im Land verpflichtend als auch für die Gemeinschafts- und Förderschulen, die Teil des Startchancen-Programms sind. Ziel ist es, die Leseflüssigkeit und Lesekompetenz der Schülerinnen und Schüler systematisch zu stärken – «unabhängig von Herkunft oder sozialem Umfeld», so Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD). Lesen sei Grundlage für Bildungserfolg und gesellschaftliche Teilhabe.

Tägliches «Leseband» von 15 bis 20 Minuten

Das Konzept: Ganz gleich, welches Fach aktuell auf dem Stundenplan steht, es findet drei bis fünf Mal in der Woche eine gemeinsame Lesezeit von 15 bis 20 Minuten statt – also auch im Mathe- oder Sachkundeunterricht, je nach Bedarf der einzelnen Schule vor Ort.

«Idealerweise wünschen wir uns das natürlich täglich», sagte die Ministerin. Die Schule entscheidet, ob es das Leseband jeden Tag zur gleichen Uhrzeit einführt oder bestimmte Zeitpunkte in der Woche auswählt. Entscheidend sei jedoch, dass alle Schülerinnen und Schüler ein einheitliches Zeitfenster erhielten, um diese kontinuierliche Leseförderung sicherzustellen.

«Lesen schafft Nähe, Verständnis und Gemeinschaft», so Streichert-Clivot. Es sei der Schlüssel zur Welt, zur Sprache, zum Lernen und damit auch zur gesellschaftlichen Teilhabe junger Menschen. Deshalb betrachte man es auch als politische Aufgabe, die Fähigkeit zum Lesen zu unterstützen und nicht allein nur dem Elternhaus zu übertragen, sondern auch diese öffentliche Verantwortung wahrzunehmen.

Gerade in Zeiten, in denen Fake News an der Tagesordnung seien, sei es wichtig, kritisches Denken und damit die Urteilsfähigkeit junger Menschen zu fördern. «Lesen ist deshalb für uns auch ein Menschenrecht und das fördert auch das freie Leben», sagte die Ministerin.

Unterstützung durch Fortbildung und Materialien

Das Ministerium für Bildung und Kultur sowie der Bildungscampus Saarland begleiteten diesen Prozess mit Fortbildungen, Beratung und praxisnahen Materialien. An den Grundschulen sei das Programm sehr gut aufgenommen worden. Bislang hätten 1.200 Lehrkräfte an sogenannten Ateliers zur Leseförderung und zum Lautleseverfahren teilgenommen. Bis zum Sommer soll die Hälfte der 2.800 Grundschullehrkräfte die Fortbildung abgeschlossen haben.

Zudem erhalten die Schulen Unterstützung bei der Entwicklung individueller Konzepte zur Umsetzung des Lesebands: von der Organisation im Stundenplan bis zur Auswahl geeigneter Texte und Methoden.

Im Nachbarland Rheinland-Pfalz war das Leseband als tägliche, mindestens zehnminütige Lesezeit beginnend mit dem Schuljahr 2024/2025 in der Grundschule verbindlich eingeführt worden. News4teachers / mit Material der dpa

Tägliche Lesezeit in Grundschulen wirkt stark (schon nach einem halben Jahr)

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2 Kommentare
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Nanu
5 Monate zuvor

In dem verlinkten Artikel über das Leseband in Berlin wird es als großer Erfolg schon nach einem halben Jahr bezeichnet. Liest man hingegen genauer, so ist die Akzeptanz sehr hoch, ja, aber ob es was gebracht hat, weiß man noch gar nicht. Es glauben nur “alle”, dass das was Gutes ist.

Tatsächlich belegt eine aktuelle Evaluation des Instituts für Qualitätsentwicklung in Bremen (IQHB), dass 96,9 Prozent der Befragten aus den teilnehmenden Grundschulen von der Initiative überzeugt sind.”

Rainer Zufall
5 Monate zuvor
Antwortet  Nanu

Das Leseband gibt es ja schon seit einer Weile in anderen Ländern.

“Wir haben die Kinder beobachtet, die eine zusätzliche Leseförderung durch das Leseband bekommen haben, und mit Kindern einer Kontrollgruppe in ähnlicher Ausgangslage, die aber nicht gefördert wurden, verglichen. Dabei konnten wir eine signifikante Steigerung der Lesekompetenz bei den geförderten Kindern feststellen. Bei der Leseflüssigkeit und beim Leseverständnis starteten die Kinder im Jahrgang zwei unterdurchschnittlich und konnten sich bereits innerhalb eines Schuljahres auf ein mittleres Niveau verbessern und den Vorsprung gegenüber der Kontrollgruppe auch in Jahrgang vier noch weiter ausbauen.

Ähnliche Steigerungen haben sich auch bei der Rechtschreibkompetenz gezeigt und sogar bei den mathematischen Leistungen. Gerade ab der dritten Klasse spielen Textaufgaben eine wichtige Rolle im Mathematikunterricht. Dass Kinder Schwierigkeiten mit Mathematik haben, liegt also offenbar auch daran, dass sie die Aufgaben nicht lesen und verstehen können.

Es hat sich außerdem gezeigt, dass die Effektstärke von Jahr zu Jahr zunimmt. Daraus lässt sich ableiten: Leseförderung funktioniert nicht mal eben schnell, sondern sollte kontinuierlich erfolgen, am besten durchgängig von Klasse 1 bis 9.”
https://deutsches-schulportal.de/unterricht/leseband-lesefoerderung-hamburg-biss-transfer-wie-sich-der-teufelskreis-des-nichtlesens-durchbrechen-laesst/