Altersgrenze für Soziale Medien: Macron macht Druck – Drogenbeauftragter bremst

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PARIS. Von der Schule aus ins Netz – und zurück mit Gewalt? Nach einer tödlichen Messerattacke eines 15-jährigen Schülers in Nordfrankreich hat Präsident Emmanuel Macron den Druck auf soziale Netzwerke massiv erhöht. Er fordert ein Verbot sozialer Medien für Jugendliche unter 15 Jahren – notfalls auch im Alleingang, wenn die EU nicht rasch handelt. Seine Begründung: Die Plattformen seien mitverantwortlich für Gewalt, Radikalisierung und den Verlust sozialer Kontrolle. In Deutschland schlägt die Debatte ebenfalls hohe Wellen. 

Macht Druck: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Foto: Shutterstock / Antonin Albert

„Lasst es uns tun“, schrieb der französische Präsident auf der Plattform X. In einem Interview mit dem Fernsehsender TF1 wurde er noch deutlicher: „Wir können nicht warten.“ Für Macron liegt die Verantwortung klar bei den Plattformbetreibern: Sie müssten endlich das Alter ihrer Nutzerinnen und Nutzer überprüfen. Das Ziel: Jugendliche unter 15 Jahren sollen keinen Zugang mehr zu sozialen Netzwerken wie TikTok, Instagram oder Snapchat bekommen – ein radikaler Schritt, den Frankreich notfalls auch ohne die EU durchsetzen will.

Die Europäische Kommission arbeitet zwar an einem einheitlichen System zur Altersverifikation, bislang jedoch nur im Hinblick auf Volljährigkeit – etwa beim Zugang zu Pornografie oder Alkohol. Wie ein verbindliches Mindestalter von 13, 15 oder 16 Jahren für soziale Medien praktisch umgesetzt werden könnte, bleibt offen. Verlässliche Methoden, um das tatsächliche Alter von Kindern und Jugendlichen online zu überprüfen, fehlen bislang.

Auch in Deutschland wird ein schärferer Jugendmedienschutz derzeit intensiv diskutiert (News4teachers berichtete). Stefanie Hubig, Bundesjustizministerin und ehemalige Bildungsministerin von Rheinland-Pfalz, sieht klare Vorteile für das Aufwachsen ohne digitalen Druck. „Kinder und Jugendliche brauchen Schutz statt Selbstdarstellungsdruck“, so die SPD-Politikerin. Eine wirksame Altersgrenze helfe dabei nicht nur der kindlichen Entwicklung, sondern auch den Eltern: „Dann muss nicht täglich über TikTok, Insta oder Snapchat diskutiert werden.“

Vor allem aber Schulen könnten laut Hubig profitieren. Erste Erfahrungen im In- und Ausland zeigen: Weniger Social Media bedeute „weniger Mobbing, mehr Konzentration, sozialeres Miteinander“. In mehreren europäischen Ländern sind Smartphones an Grundschulen bereits verboten – die Diskussion über ein höheres Mindestalter für soziale Netzwerke ist die logische Erweiterung.

„Wir lassen unsere Kinder doch auch nicht ins Bordell oder in den Schnapsladen!“

Auch Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) fordert mehr Schutz – und zwar gesetzlich verankert. „Im Moment ist es so, dass Kinder und Jugendliche im Internet ohne jeden Schutz gewaltverherrlichenden, pornografischen und extremistischen Inhalten ausgesetzt sind“, sagte sie unlängst. Die Vorstellung, dass man dies ohne Regulierung in den Griff bekomme, sei naiv. „Wir lassen unsere Kinder doch auch nicht ins Bordell oder in den Schnapsladen!“ Ihre Forderung: eine wirksame Altersverifikation – auch auf sozialen Plattformen.

Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD sieht eine Expertenkommission vor, die die Auswirkungen digitaler Medien auf Kinder und Jugendliche untersuchen soll. Prien und Hubig sind sich einig: Die Ergebnisse dieser Kommission müssen zügig in konkrete Schutzmaßnahmen münden.

Unterdessen warnt der neue Bundesdrogenbeauftragte, der Virologe Hendrik Streeck (CDU), via „Bild“-Zeitung vor Schnellschüssen. Zwar erkennt auch er die Gefahren an: „Soziale Medien wie TikTok, Gaming-Apps oder Streamingdienste können abhängig machen – oft mit Gewalt, Extremismus oder ungesunden Körperbildern.“ Doch ein generelles Verbot sei der falsche Weg.

Streeck plädiert für einen differenzierten Umgang: „Die Dosis macht das Gift.“ Digitale Medien seien heute nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken – vor allem nicht aus Schule und Ausbildung. Statt auf Verbote setzt er auf Medienkompetenz: Eltern, Lehrkräfte, Ärztinnen und Ärzte müssten gemeinsam Verantwortung übernehmen. „Wir müssen begleiten, reflektieren und Mediennutzung sinnvoll gestalten“, so Streeck.

In der französischen Kleinstadt Nogent war gestern eine Schulassistentin bei einer Taschenkontrolle vor einer Schule erstochen worden (News4teachers berichtete). Der mutmaßliche Täter: ein 14-jähriger Schüler der Schule. Die stichprobenartigen Kontrollen unter der Aufsicht örtlicher Polizeikräfte waren im Februar im ganzen Land eingeführt worden – als Reaktion auf zunehmende Messergewalt an und vor Schulen. Innerhalb von zwei Monaten stellte die Polizei bei 6000 Taschenkontrollen an französischen Schulen 186 Messer sicher und nahm 32 Menschen in Gewahrsam. News4teachers / mit Material der dpa

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Helmi
5 Monate zuvor

” .. tödlichen Messerattacke eines 15-jährigen Schülers in Nordfrankreich hat Präsident Emmanuel Macron den Druck auf soziale Netzwerke massiv erhöht. Er fordert ein Verbot sozialer Medien für Jugendliche unter 15 Jahren .. “

Verstehe den Zusammenhang nicht, wirklich. Frankreich hat ein massives Kriminalitätsproblem, er fordert ein Verbot sozialer Medien.

Dabei sind soziale Medien die aktuellsten und vielseitigsten Informationsquellen überhaupt. Das mag er wohl nicht?

Andere Sache noch, ich weiß nicht wie es in Frankreich ist, aber in Deutschland dealen die Eltern der Kinder mit den SIM-Karten. Die bestellen die SIM-Karten und Smartphones für ihre Kinder und ermöglichen ihnen somit den Zugang zu Pornos und Gewalt.

blau
5 Monate zuvor

Sinnvoll begleiten? Das macht süchtig und man kann ich so viel an die Vernunft appellieren, Kinder und Jugendliche brauchen Vorgaben. Die können nur die Eltern machen.

Rainer Zufall
5 Monate zuvor
Antwortet  blau

Auch die Eltern kommen damit nur endlich weit.
Es braucht staatliche Vorgaben. Im Fernsehen wurden auch nicht ü18-Filme über den ganzen Tag gesendet, aber jetzt, wo die Kontrolle noch schwieriger ist, können die Anbieter so wenig tun, wie sie wollen

moi aussi
5 Monate zuvor

Ich fasse es nicht: Wie viele dieser Studien sollen eigentlich noch erstellt und dann ignoriert werden?

Könnte ich bitte die dafür veranschlagten Gelder für eine adäquate Ausstattung meiner MINT Räume bekommen? Ich liefere auch ein ausformuliertes “Studienergebnis” binnen einer Stunde.

Dann wär das Geld wenigstens sinnvoll angelegt… .

Rainer Zufall
5 Monate zuvor

„Die Dosis macht das Gift.“

Eben. Wie viel Schaden kann schon ein einziges Enthauptungsvideo anrichten?
Da muss man doch keine Änderungen oder gar Jugendschutz einfordern. (augenroll)

“Doch ein generelles Verbot sei der falsche Weg.”
Bei Kindern! Warten wir ab, welche Meinung gegenüber Erwachsenen mit Cannabis vertreten wird…