BERLIN. Ein Lehrer erhebt schwere Vorwürfe – gegen Schüler, Kollegen, Verwaltung: Der Fall des Pädagogen Oziel Inácio-Stech bringt eklatante Schwächen im Berliner Bildungssystem ans Licht. Die Senatorin kündigt nun Konsequenzen an.

Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) hat als Konsequenz aus dem Fall des schwulen Pädagogen Oziel Inácio-Stech eine Überarbeitung der Beschwerdestrukturen in der Bildungsverwaltung angekündigt. Das Ziel müsse dabei sein, schneller als bisher verlässliche Ansprechpartner zu haben. „Wir brauchen eine zentrale Stelle, die steuert und monitort im Bereich der Mobbing- und Diskriminierungsfälle“, sagte sie im Anschluss an ein rund zweistündiges Gespräch mit Mitgliedern des Abgeordnetenhauses.
Die Parlamentarier:innen hatten zuvor rund vier Stunden lang Einsicht in die Akten zum Umgang mit Inácio-Stech genommen, der nach eigenen Angaben wegen seiner Homosexualität monatelang von Schülerinnen und Schülern gemobbt, beschimpft und beleidigt wurde. Er beklagt außerdem Mobbing und falsche Vorwürfe durch eine Kollegin sowie mangelnde Unterstützung durch Schulleitung, Schulaufsicht und Bildungsverwaltung.
Handlungsbedarf auch bei der Schulaufsicht
Günther-Wünsch räumte ein, dass die bisherigen Strukturen nicht ausreichend seien: „Wir sehen ja, dass die dezentralen Stellen eher zur Verantwortungslosigkeit oder zur Verschiebung von Verantwortung geführt haben, aber nicht zur Lösung, geschweige denn zu Hilfsangeboten für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen.“ Und: „Wir werden auch im Bereich der Schulaufsichten die Qualifizierung reformieren. Wir werden Aufgabenprofile neu nachschärfen, weil es zukünftig besser gelingen muss, dass Schulaufsichten Schulleitungen unterstützen“, sagte die Bildungssenatorin. „Deutlich geworden ist, dass es eben nicht mit einer einfachen Schuldzuweisung getan ist, sondern dass wir einen Fall haben, der von gegenseitigen Mobbing- und Diskriminierungsvorwürfen, von gegenseitigem Fehlverhalten oder Vorwürfen des Fehlverhaltens gekennzeichnet ist.“
„Die Rolle der Senatorin ist noch nicht geklärt“
Mehrere Abgeordnete räumten ein, dass der Fall komplex sei – eine frühere Formulierung der Senatorin aufgreifend. Das machte auch der bildungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Louis Krüger, deutlich. Er sieht sich durch die Aktenlage aber in der Einschätzung bestätigt, es habe im Umgang mit Inácio-Stech „strukturelles Versagen“ gegeben. Deutlich werde ein Aufsichts- und Leitungsversagen von einzelnen Personen, sagte er im Anschluss an das Gespräch. Hier müsse es auch dienstrechtliche Konsequenzen geben. Klar geworden sei ein Mangel an Qualifikation und Sensibilität. „Die Beschwerdestrukturen greifen nicht“, kritisierte er.
Es gebe außerdem weiter offene Fragen: „Die Rolle der Senatorin ist noch nicht geklärt“, sagte Krüger. „Wann hat sie was gewusst?“ Die Grünen kündigten an, weitere Akten anfordern zu wollen, um sich noch mehr Klarheit zu verschaffen.
Ein Missbilligungsantrag der Grünen-Fraktion gegen die Senatorin war am vergangenen Donnerstag im Abgeordnetenhaus gescheitert. Die Grünen hielten ihr vor, falsche Angaben dazu gemacht zu haben, wann sie einen an sie gerichteten Anwaltsbrief im Auftrag von Inácio-Stech bekommen hat (News4teachers berichtete). Günther-Wünsch hatte im Abgeordnetenhaus zunächst gesagt, den Brief erst in diesem Mai gelesen zu haben, dann aber eingeräumt, dass ihr das Schreiben vom 4. Dezember 2024 persönlich vorgelegen habe. Für die falsche Aussage hatte sie sich im Parlament entschuldigt.
SPD, CDU, Linke: Forderung nach strukturellen Verbesserungen
Aus Sicht des bildungspolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, Marcel Hopp, zeige der Fall, dass es ein Aufsichts- und Leitungsproblem gebe. Diese Wahrnehmung habe sich bei ihm nach der Akteneinsicht noch verstärkt. Nötig sei ein funktionierendes Beschwerde- und Monitoringsystem für solche Fälle.
Die Bildungsexpertin der CDU-Fraktion, Sandra Khalatbari, betonte, es sei in jedem Fall gut und richtig gewesen, Akteneinsicht zu nehmen. Die mehreren hundert Seiten zeigten, wie umfangreich und vielfältig der Fall sei. Es sei deutlich geworden, dass die Meldestrukturen für solche Fälle näher in den Blick genommen werden müssten.
Linke-Abgeordnete Franziska Brychcy sagte, die Akteneinsicht habe gezeigt, dass der Pädagoge Diskriminierungen ausgesetzt gewesen sei. „Schulleitung und Schulaufsicht haben nicht adäquat auf die von ihm erhobenen Diskriminierungsvorwürfe reagiert.“ Von Günther-Wünsch erwarte sie, dass sie die Versäumnisse in ihrem Haus anerkenne, Verantwortung übernehme und entsprechende Maßnahmen einleite, damit sich solch ein Fall nicht wiederhole. News4teachers / mit Material der dpa
Mobbing gegen schwulen Lehrer: Queerfeindlichkeit in Schulen “vehementer”
Wenn ich als Lehrerin Dienstrecht verletzte und dann noch massiv versuche, die Wahrheit zu vertuschen, habe ich dienstrechtliche Konsequenzen zu befürchten.
Das gleiche erwarte ich bei groben Fehlverhalten und Vertuschen der Personen in den Behörden und bei der Bildungssenatorin auch: Kürzung der Bezüge oder Entlassung aus dem Beamtenverhältnis, gerne auch eine “Strafversetzung”. Das hätte eine sehr “reinigende” Wirkung auf alle Mitglieder der Schulbehörden!