STUTTGART. Vorbild Australien? Kinder und Jugendliche dort dürfen soziale Medien wie TikTok, Instagram oder Facebook künftig erst ab 16 nutzen. In Deutschland belebt nun Grünen-Politiker Cem Özdemir die Debatte neu. Er fordert ein Verbot der unbegleiteten Nutzung für Unter-16-Jährige und verweist auf die Überforderung vieler Eltern, Lehrkräfte und Schüler mit den Inhalten in den Netzwerken. Die CDU spricht von realitätsferner „Verbotskultur“ – hat aber offensichtlich vergessen, von wem die Idee ursprünglich stammt.

In Australien ist ein Verbot bereits beschlossene Sache, in Deutschland gibt es noch eine große Debatte: Social-Media-Plattformen wie Tiktok oder Instagram sollten nach Ansicht des baden-württembergischen Ministerpräsidenten-Kandidaten und Kurzzeit-Bundesbildungsministers Cem Özdemir für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren verboten werden. «Wir lassen Jugendliche auch nicht einfach ohne Führerschein hinters Steuer. Es gibt Fahrstunden und ein schrittweises Ranführen. So müssen wir es auch mit den sozialen Medien halten», sagte Özdemir. «Darum halte ich eine Altersgrenze für Tiktok und andere soziale Medien für richtig. Diese sollte bei 16 Jahren liegen.»
Özdemir, der Nachfolger von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (ebenfalls Grüne) werden will, plädiert vor allem für ein Verbot der unbegleiteten Nutzung. Kinder und Jugendliche müssten einen verantwortungsvollen Umgang mit Smartphones und Medien lernen, betonte der ehemalige Bundesagrar- und Bundesbildungsminister. «Aber das muss eben eng begleitet werden.» Özdemir, der nach dem Platzen der Ampel-Koalition im Bund für drei Monate das Bundesbildungsministerium übernahm und auf die Schnelle den Digitalpakt 2.0 in trockene Tücher brachte, sagte: «Wenn die Betreiber von diesen Programmen ihren eigenen Kindern den Umgang damit verbieten, sollten bei uns allen die Alarmglocken läuten.» Schon im frühen Alter sei Medienbildung sehr wichtig.
Als ein Vorreiter bei dem Thema gilt Australien. Dort ist es bereits beschlossene Sache, dass Jugendliche künftig erst ab 16 Jahren Plattformen wie X, Tiktok, Facebook und Instagram nutzen dürfen. Auch die EU soll sich nach Willen der dänischen Ratspräsidentschaft mit dem Thema befassen.
Scharfen Widerspruch erntete Özdemir für seinen Vorstoß von der FDP. Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sprach von Verzweiflung im Vorfeld der Landtagswahl. «Aufklärung und Befähigung im Umgang mit den sozialen Medien sind einem Verbot wohl eindeutig vorzuziehen – aber das passt offensichtlich nicht in die grüne DNA. Da ist sie wieder, die grüne Verbotspartei», so Rülke.
CDU: «Özdemir will den Super-Sheriff geben»
Der CDU-Bildungsexperte Andreas Sturm warf Özdemir vor, den «Super-Sheriff» geben zu wollen. «Alles verbieten, was Schwierigkeiten macht. Das geht am Lebensgefühl junger Menschen vorbei und zeigt, dass er ihre Lebenswirklichkeit nicht versteht», kritisierte Sturm. Man könne Social Media nicht einfach wegsperren. Stattdessen müsse man Medienkompetenz fördern und den konstruktiven Umgang mit digitalen Plattformen lernen.
Irritierend dabei: Der Vorschlag, eine Altersbegrenzung für Soziale Medien einzuführen, stammt ursprünglich aus der CDU – genauer: vom Thüringer Bildungsminister Christian Tischner. Der hatte als erster Politiker in Deutschland seine Sympathie für ein Social-Media-Verbot für Unter-16-Jährige bekundet, wie es Australien erlassen hat (News4teachers berichtete). «Ich finde das gut», sagte Tischner im vergangenen Dezember. Aus seiner Sicht wäre das ein gutes Thema für die Kultusministerkonferenz. Es gebe Mobbing in sozialen Netzwerken und die psychischen Auswirkungen seien für Kinder und Jugendliche groß, Kontrolle dagegen sei bislang schwierig, befand Tischner. «Anstand und Respekt werden leider nicht so sehr gepflegt in sozialen Medien.»
Auch hat Özdemir mit seiner Forderung die Mehrheit der Menschen in Deutschland hinter sich. Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov hatte im Juni ergeben, dass sich mehr als 70 Prozent der Menschen ein Mindestalter für den Zugang zu sozialen Medien wie Facebook, Instagram oder Tiktok wünschen. Demnach gaben 57 Prozent der Befragten an, ein Mindestalter von 16 Jahren für die Nutzung sozialer Medien zu befürworten, 16 Prozent sprachen sich sogar für ein Mindestalter von 18 Jahren aus.
Özdemir hält Kontrollen für möglich
Selbst die von einem Verbot potenziell Betroffenen sieht Özdemir hinter sich. Er habe sich kürzlich mit Jugendlichen getroffen, die ihm gesagt hätten, dass ihnen klare Regeln helfen würden und sie mit dem, was da in den Netzwerken auf sie einprassele, oft überfordert seien. «Gerade lassen wir die Jugendlichen allein mit sozialen Medien. Übrigens auch die Eltern, Lehrer und die Schulen.» Die Eltern seien damit oft völlig überfordert. «Auch ich – und ich bilde mir wirklich ein, mobiltelefonaffin zu sein. Aber mein Sohn ist immer eine halbe Nasenlänge vor mir.»
Das Argument, dass man Altersgrenzen nicht wirksam kontrollieren könne, will Özdemir nicht gelten lassen. Das sei eine Frage des politischen Willens. «Dann müsste man auch Alkohol für alle freigeben. Es fordert doch auch kein normaler Mensch, dass wir erlauben, dass Kleinkinder Alkohol trinken.»
Aus Sicht des SPD-Digitalpolitikers Jonas Hoffmann sind Altersgrenzen allerdings nicht die Lösung des Problems. Diese gebe es bereits heute, bei Tiktok oder Instagram lägen sie bei 13 Jahren. Diese ließen sich allerdings mit einem Klick umgehen. «Uns fehlen nicht Grenzen, sondern die Möglichkeiten, diese auch durchzusetzen. Uns fehlt die Möglichkeit einer sicheren Verifizierung des Alters», sagte Hoffmann. Möglich wäre aus Sicht des SPD-Politikers etwa eine Verifizierung durch den Personalausweis, den man theoretisch auch bereits mit 16 Jahren ausgeben könnte. News4teachers / mit Material der dpa
Kommentar: Warum es wenig bringen wird, Kindern soziale Medien zu verbieten
Hilflosigkeit und Unverständnis zeigt sich in Özdemirs Strassenverkehr-Vergleich. Möchte er wirklich den Internetverkehr daraufhin überwachen lassen, wie alt die Nutzer vermutlich sind?
In England jedenfalls wird die Gesichtserkennungssoftware mit Fakes getäuscht und VPN-Dienste freuen sich über das staatliche Förderprogramm.
“Möchte er wirklich den Internetverkehr daraufhin überwachen lassen, wie alt die Nutzer vermutlich sind? ”
Nein, wahrscheinlich jene haftbar machen, welche ihr Produkt an Minderjährige abgeben.
Zudem glaube ich nicht, dass ALLE Eltern darauf aus sind, dass ihr Nachwuchs das Gesetz bricht 😉
Eine wissenschaftlich fundierte Antwort zu ihrem Kommentar liefert der verlinkte Beitrag im Deutschen Ärzteblatt über den Medienkonsum im Vorschulalter mit den Folgen einer Risikoerhöhung von Autismus-Symptomen und Entwicklungsstörungen der Kinder.https://www.aerzteblatt.de/_next/image?url=%2F890f01f4-2521-4ea5-bfd3-6d6f94c48bd0%2Fimg292274056.png&w=3840&q=75
Medienkonsum im Vorschulalter – Deutsches Ärzteblatt
Hm, die Frage zur wissenschaftlich fundierten Antwort taucht in meinem Kommentar nicht auf.
Egal. Ich bin bei ihnen, Smartphones gehören nicht in Kinderhände und wer Kinder täglich zur Unterhaltung vor Bildschirme setzt handelt in meinen Augen inkompetent und unverantwortlich.
Alles andere als zu kapitulieren ist besser, als diese mediale Überflutung hinzunehmen. Und schließlich war es der Thüringer Bildungsminister Christian Tischner, CDU, der doch, siehe oben im Artikel, bereits im Dezember 2024 seine Sympathie für ein Social-Media-Verbot für Unter-16-Jährige bekundete, wie es in Australien bereits praktiziert wird. Begründet hat er diesen Vorschlag mit Mobbing in sozialen Netzwerken und den psychischen Auswirkungen, die für Kinder und Jugendliche groß seien, eine Kontrolle dagegen sei aber bislang schwierig. Wörtlich :«Anstand und Respekt werden leider nicht so sehr gepflegt in sozialen Medien.»
Dieser Artikel vom 13.08. beschreibt die Probleme die mit einer Altersbeschränkung einhergehen ganz treffend. Ist hinter einer Bezahlschranke.
Wie gewöhnen wir Kindern das Scrollen ab?
https://www.sueddeutsche.de/medien/kinder-schutz-internet-fuehrerschein-online-safety-act-sucht-meinungsfreiheit-li.3298050
” Alles andere als zu kapitulieren ” mag gut gemeint sein, führt aber in dieser Angelegenheit in UK und AUS aber leider zu einem Datenschutz- und Überwachungsalbtraum, welcher die Demokratie gefährdet.
Ich glaube die Eltern müssen da durch. Es ist so wie mit Süßigkeiten. Nur weil alle das essen, muss dein Kind es nicht auch essen.
Solange Smartphonekonsum von einer großen Mehrheit betrieben wird, trauen sich viele einfach nicht für ihre Kinder keine Smartphones anzuschaffen. Der Anpassungsdruck nimmt erfahrungsgemäß aber ab, wenn die Gruppe der Verweigerer wächst.
Also Grüne für Social Media ab 16, FDP und CSU dagegen.
Zuerst die Debatte um Beamt*innen und hetzt dies. Wenn es so weiter geht, erleben wir hier bald noch einen Wahlkampf… Hmm… 😉
…auf den Herr Özdemir sich im Sinne seiner MiniPrä-Ambitionen in seinem Bundesland schonmal durch entsprechende Statements vorbereitet. 🙂
Eben. Wenn er aber durch tatsächliche Politik auffallen möchte, habe ich nichts dagegen – besonders, wenn die anderen Parteien dementsprechend Haltung beziehen/ Angebote machen.
Mit Blick auf die neusten Artikel befürchte ich aber, dass es weiterhin ein langer Weg seien wird, die Wählerschaft für Schulpolitik zu interessieren -___-
https://www.news4teachers.de/2025/08/hoechststand-bei-lehrkraeften-in-teilzeit-weil-sie-sonst-an-grenzen-kaemen/
Ob der Cem da was ändert, wenn BW eine Gründe Regierung bekommt? 😛
Im Studium habe ich immer gelernt, dass eine Regel nur sinnvoll ist, wenn sie auch durchsetzbar ist. Die Einführung einer Altersgrenze für die asozialen Medien ist aber nicht durchsetzbar! Klar, man kann ein Gesetz erlassen und die großen asozialen Plattformen werden dann eine Abfrage des Alters im Installationsprozess einbauen. Das dauert nicht Mal eine Minute. Vielleicht wird Safari das Alter übernommen, dass beim User-Konto des Betriebssystem eingetragen wurde. Ist ja auch völlig egal.
Ich kenne nicht einen einzigen Jugendlichen, der im Internet oder in einem Spiel sein echtes Geburtsdatum angegeben hat. Und die geben auch nicht ihren korrekten Namen an, weil sie wissen, dass die Betreiber der asozialen Medien diese Daten auswerten, verknüpfen und verkaufen. Und auch die meisten meiner Freunde und Bekannten geben selbstverständlich falsche Daten an.
Die Einführen eines solchen Gesetzes wäre also nichts anderes als PR.
Aber ein Gesetz gibt die Möglichkeit, Verstöße zu bestrafen.
Es gibt aber keine Möglichkeit Verstöße zu registrieren.
Da Fällt mir ein wir Lehrer kriegen doch in der Schule mit, dass Schüler die asozialen Medien nutzen. Da könnten wir sie dich direkt anzeigen.
Ließe sich damit vielleicht unser Beamtenstatus rechtfertigen?
Verstehe ich nicht.
Außerdem kriege ich das nur mit, wenn sich jemand beschwert, dass x das und das gemacht hat, sonst nicht.
Richten wir dann auch “inoffizielle Mitarbeiter-Stellen” ein und rekrutieren “Vertrauensschüler” ?
Sie haben aber Probleme – mit ihrem Status.
? Wieso nicht? Ich wette, dass das geht. In China geht das ja auch.
Das Schlimmste (oder Dümmste?) sind immer Forderungen, die man nicht durchsetzen kann. Das ist wie mit den Filmen um 23.30 Uhr, bei denen im Fernsehen steht, sie seien für Kinder unter 16 Jahren nicht geeignet. Kinder verantwortungsbewusster Eltern liegen zu dieser Zeit im Bett und schlafen; Eltern, deren Kinder um diese Zeit noch (alleine) fernsehen dürfen, achten auch auf diesen Hinweis nicht.