Kommentar: Warum es wenig bringen wird, Kindern soziale Medien zu verbieten

29

DÜSSELDORF. Die CDU hat in diesen Tagen Australien für sich als Vorbild entdeckt – genauer: die in „down under“ gestarteten Initiativen, Kinder und Jugendliche von den sozialen Medien wegzubringen. Klingt gut. Das allein wird aber wenig bringen. Ein Kommentar von News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek.

Die angeblich sozialen Medien spülen eine Flut von Fake News, Hass und Hetze nicht nur in die Kinderzimmer. Illustration: Shutterstock

Australien verschärft seinen Jugendschutz – und will die Betreiber von Social-Media-Plattformen verpflichten, Unter-16-Jährige von ihren Angeboten fernzuhalten. Thüringens neuer Bildungsminister, der Christdemokrat Christian Tischner, hält das für vorbildlich und schlägt eine ähnliche Regelung für Deutschland vor (News4teachers berichtete). Er möchte das Thema auf die Tagesordnung der Kultusministerkonferenz bringen.

Dorthin hatte es zuvor schon eine Initiative von Tischners Parteifreund und Amtskollege Armin Schwarz aus Hessen geschafft, die ein bundesweites Handy-Verbot in Schulen vorsieht. Wie in Australien eben. Die KMK hat das zumindest schon mal zur Kenntnis genommen (News4teachers berichtete auch darüber).

Die Vorstöße klingen erstmal löblich, greifen meiner Meinung nach aber zu kurz. Denn Jugendschutz gibt es schon jetzt – der interessiert im Netz nur niemanden. Das Problem liegt meines Erachtens tiefer (und betrifft letztlich alle, die unter der digitalen Flut von Fake News, Hass und Hetze leiden): nämlich in der fehlenden Verpflichtung für die Social-Media-Anbieter, namentlich verantwortliche und damit straf- und zivilrechtlich haftbare Personen für die Inhalte zu benennen.

Wir als Betreiber von News4teachers, eines journalistischen Mediums, müssen eine oder einen „Verantwortliche/n im Sinne des Presserechts“ (V. i. S. d. P.) namentlich im Impressum ausweisen. Das bin ich. Ich hafte für Falschinformationen, sollten die über unsere Seite verbreitet werden – auch über solche, die im Leserforum veröffentlicht werden. Wenn dort jemand einen anderen verleumdet, kann das für mich sehr teuer werden. Die logische Folge: Wir kontrollieren die bei uns erscheinenden Posts scharf.

Zensur, wie uns oft vorgeworfen wird, ist das natürlich nicht. Wir sind keine Behörde und können nichts zensieren, also verbieten. Jeder kann alles veröffentlichen – auf seiner eigenen Homepage, mit eigenem Impressum, unter eigener Verantwortung. Aber eben nicht auf unseren Deckel.

Warum werden die Betreiber von sozialen Medien presserechtlich anders behandelt als wir? Warum müssen sie keinen “V. i. S. d. P.” ausweisen, der im Inland lebt, obwohl sie massenhaft anonyme Posts veröffentlichen? Das ist nicht nur grotesk wettbewerbsverzerrend. Das ist eben auch jugend- und demokratiegefährdend. Müssten Facebook, X, Insta, TikTok und Co. Personen öffentlich benennen, die juristisch greifbar für den Dreck sind, der über ihre Kanäle nicht nur in die Kinderzimmer gelangt, dürfte sich das Problem recht schnell erledigen.

Dass das gut funktioniert, lässt sich derzeit übrigens auf Linkedin beobachten – einem Netzwerk von Menschen, die vor allem beruflich miteinander verbunden sind, und das auch unter Lehrkräften und Schulleitungen zunehmend an Beliebtheit gewinnt. Dort treten die User in der Regel mit ihrem vollen und echten Namen in Erscheinung. Entsprechend zivilisiert ist der Umgangston. Klar, Idiotinnen und Idioten treten auch dort in Erscheinung. Fake News, Hass und Hetze haben aber kaum eine Chance. News4teachers

Chinesischer Desinformations-Sender in den Kinderzimmern? TikTok im Zwielicht (und in den USA kurz vor einem Verbot)

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

29 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
DerechteNorden
19 Tage zuvor

Um jemanden haftbar machen zu können, braucht man Beweise, die belegen, dass tatsächlich etwas zu 100% gegen geltende Gesetze verstößt. Das setzt sehr viele Ressourcen voraus. Und das kostet Geld.
Da man weder dieses Geld hat, noch den Unternehmen schaden will (Arbeitsplätze usw. blabla), gehen Politiker*innen gerne den Weg des geringsten Widerstandes, der wenig kostet: Sie wollen einfach etwas verbieten, obwohl es sehr schwer zu kontrollieren ist. Punkt.
Tatsächlich sollte man wohl eher mit Stilllegung der Websites drohen, sobald man auch nur einige wenige justiziable Vergehen entdeckt.
Ja, da müsste man dann wohl mal ein paar Gesetze ändern. Aber wenn es um das Gemeinwohl geht, dann sollte das auch die FDP und Union überzeugen können. Zur AfD … Who cares?

Blau
19 Tage zuvor

Wo bleiben die Aufklärungskampagnen liebe Kultusminister? Schon in den Grundschulen sollten überall in Deutschland Aufklärungsabende stattfinden mit verpflichtender Anwesenheit für die Eltern. Damit endlich nicht schon mit 10 Jahren Smartphones in Kinderhände kommen

Mein_Senf
18 Tage zuvor
Antwortet  Blau

Und wenn ein Elternteil nicht kommt? Es ist erfahrungsgemäß so, dass genau die Eltern nicht auf die Elternabende kommen, deren Kinder die Herausforderungen in der Klasse darstellen.
Dazu kommt, dass die meisten Eltern selbst stundenlang am Handy hängen, was zu einer fragwürdigen Vorbildfunktion beiträgt.

Küstenfuchs
17 Tage zuvor
Antwortet  Blau

Dass die Eltern das kontrollieren, ist doch naiv. WhatsApp darf man laut AGB erst ab 13 nutzen, in meiner 5. Klasse haben die App aber über 80% auf dem eigenen Smartphone.

DerechteNorden
19 Tage zuvor

Linkedin ist aber nicht repräsentativ.
Habe gerade mal wieder im focus.de-Forum vorbeigeschaut. Wie ekelhaft ist dort die Hetze gegen Frau Baerbock zum Beispiel und das 1000-fach.
Damit wird Geld verdient. Und weil man viel Geld verdienen kann, werden massenhaft Lobbyist*innen auf Politiker*innen angesetzt, damit alles so weitergehen kann wie bisher.

Rüdiger Vehrenkamp
19 Tage zuvor

Zweischneidiges Schwert. Wer soll das Verbot kontrollieren, wenn nicht die Eltern? Nach Verboten kann man schnell rufen, nur verengt jedes Verbot den Korridor in einem an sich freien Land.

447
19 Tage zuvor

Es wird vor allem deshalb wenig bringen, weil man mit grundlegend einfachen Maßnahmen, die äusserst leicht erlernbar und durchführbar sind jeden Verbotsversuch recht leicht wird umgehen können – jedenfalls, wenn der (abstrakte) Innovationswert hoch bleiben soll und in der Bundesrepublik keine “nationale firewall” wie in China hochgezogen werden soll.

447
19 Tage zuvor

@LinkedIn-Beispiel:
Ein glattgebügelteres und langweiligeres Kreisge….rede ist auch kaum vorstellbar.

Kein Mensch treibt sich da aus Spaß oder in authentischer Form herum.
Es ist halt eine Jobplattform – ungefähr im Verhältnis so beliebt wie “Museum” versus “angesagter Club”. (Und ja, natürlich haben Museen auch gute Seiten und Clubs auch schlechte Seiten):
“Ich teile hiermit mit, dass ich ein guter Angestellter bin!”
“Ich auch! Wir sollten uns mal vernetzen!”
“Ja, gut arbeiten ist gut! Sehet hier, mein Projekt! Liked diesen Beitrag, wenn ihr es auch so sehr has…äh, nicht positiv bewertet, wenn Kollegen so langsam arbeiten!”
“Sehet her, ich bin für [Sache, die alle gut finden!] Dadurch passe ich gut in jede Firma! Seid ihr auch alle so total für gerade angesagte, gute Dinge wie ich?”
“Ja! Wir sollten uns mal vernetzen!”

Der Grundkonflikt (was cool, innovativ und sehr interaktiv ist, ist eben oft auch gleichzeitig störend, unorthodox, teils auch ekelig für “oben”) bleibt halt bestehen.

Und wird sich – schon der technischen Natur der Sache geschuldet- dann eben woanders hin verlagern.

Bis der neue Raum auch (in Gänze) durchdrungen, kommerzialisiert, reglementiert usw. ist und der Kreislauf sich wiederholt. 🙂

447
18 Tage zuvor
Antwortet  Redaktion

Sehr geehrter Herr Priboschek,

ich will niemanden eine bestimmte Plattform andienen oder ausreden – ich würde nur LinkedIn schlicht nicht als originäres soziales Netzwerk ansehen.

Die von Ihnen verlinkte Diskussion ist beispielsweise typisch:
Das sind halt “all die üblichen” Argumente, die man so oder in ähnlicher Form eh “überall” und “tausendmal” schon gehört hat. Jedenfalls als “insider”.

Ich persönlich finde “am Internet” gerade die Möglichkeit interessant, mit hohen Frequenzen schwache Kontakte zu “innovativen Aussagen” (ich verkürze unzulässig) zu bekommen, auf die ich selbst garnicht gekommen wäre.
Natürlich wird man dabei auch mit viel Unfug (je nach Standpunkt) konfrontiert und kommunikative Freiheit bedingt immer auch Dissenz, für mich persönlich ist der Neuerungswert halt höher.

Wenn etwa ein gewisser Rainer Z. 😉 Dinge schreibt, die ich komplett anders sehe, steigt dadurch für mich die Chance, zu Ansichten zu gelangen, die ich ohne (aus meiner Sicht öfter mal) “schräges” Input nicht selbst generieren könnte.

Das kann man alles sicherlich auch völlig anders sehen.

Lisa
18 Tage zuvor
Antwortet  Redaktion

LinkedIn ist nicht typisch, weil da auch gar keine Kinder und Jugendlichen sind, würde ich einmal behaupten.

Rainer Zufall
17 Tage zuvor
Antwortet  Redaktion

Der von Ihnen erlebten Sachlichkeit einerseits stehen aber möglicherweise auch erheblich problematischere Diskurse gegenüber, gegen die Linkedin deutlicher durchgreifen sollte =/
https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/wirtschaft/linkedin-deutschland-plattform-content-moderation-dsa-e880929/?reduced=true

Ureinwohner Nordost
19 Tage zuvor

Die sogenannten “sozialen Medien” sind doch laut AGB erst ab 16 Jahre zugelassen. (keine “Empfehlung” ,sondern Selbstverpflichtung)
Damit sind sie für Kinder also unzugänglich.
Es liegt in der Hand der Erziehungsberechtigten (meist Elter/n) dies zu überwachen. Letztendlich haften sie für ihre Kinder.
Nun könnte wieder das allgemeine bla bla kommen, manche Eltern wollen oder können das nicht.
Na und, Eltern haften für ihre Kinder.

447
18 Tage zuvor

Es gibt bis heute 😉 Menschen, die glauben…

1) dass man sich auf einem ganz gewöhnlichen, NICHT gehackten Smartphone keine (extrem wirksame) Blitzerwarnung installieren kann – dies sei ja “verboten” und “nicht im shop”. Obwohl alles was man dafür braucht wortwörtlich ein Kabel und ein beliebiger PC ist.

2) dass bestimmte (am prominentesten aktuell: GUS-) Seiten “in Deutschland gesperrt sind”, obwohl ich (oder jeder andere mit Halbwissen) das in unter 15 Minuten für immer umgehen kann, Zubehör oder Programme braucht man nicht. Das geht, “einfach so”.

Das sind jetzt nur zwei Beispiele.

In unter 24 Stunden setze ich Ihnen ein “soziales Netzwerk” in die Welt (gibt es im Dutzendoack billiger, äh, umsonst, sogar legal), das nicht nur planetenweit ansteuerbar ist, sondern problemlos hunderte bis tausende Personen aufnehmen kann und vollkommen meiner hardware(!)-Kontrolle unterliegt.
Den Betrieb könnten Sie mir in einer Demokratie nur mit einer Hausdurchsuchung juristisch wirksam nachweisen – ausser ich lege ein schönes Stromkabel mit ‘nem dicken roten Knopf physisch an und haue beim Satz “Aufmachen! Polizei!” da drauf. Brzzzzzt, das war es.

Und jetzt bedenken Sie: Ich kann genau NULL Zeilen programmieren. Ich habe keine Ausbildung in dem Bereich.

Ich bin nun wirklich kein Feind von Verboten – aber unter gegebenen Bedingungen (BRD, Demokratie, Rechtsstaat, Internet wie es bei uns ist) ist so ein Verbot schlicht Dummfug.

ErhardHugo
18 Tage zuvor

In dem Kommentar finde ich kein Argument, was gegen eine Verbot wie in Australien spricht. Also bitte damit anfangen!
Was LinkedIn betrifft, das ist eine merkwürdige Blase, in der auch subjektive Theorien vorherrschen bei Diskussionen zur Bildung. Ansonsten gibt man / frau sich gemäßigt, vielleicht auch deshalb, weil ein potentieller Arbeitgeber mitlesen könnte.
Nochmals zu Verboten im Kontext der (a)sozialen Medien und der NutzunG von Smartphones: In Deutschland darf man erst mit 18 Jahren alleine einen PKW fahren. Wer sich nicht daran hält und „erwischt“ wird, wird dann bestraft.
Warum nicht ähnlich bei dem Besitzt und der Nutzung von Smartphones und der Benutzung der (a)sozialen Medien vorgehen? Eine totale Kontrolle gibt es nicht und soll es auch nicht geben, aber wer erwischt wird und das/ein Verbot verletzt – das könnten wohl auch Eltern sein, die ihren Sprösslingen eines dieser Geräte in die Hand drücken – der wird eben bestraft.
Ich warte eigentlich bei dieser Diskussion nur noch darauf, dass sich die neoliberale FDP unter dem Deckmantel der auch so hoch gehaltenen Freiheit in die Diskussion einschaltet und sich gegen eine ähnlich wie in Australien geartetes Verbot ausspricht. Wie war das noch: „Freie Fahrt für freie Bürger.“
Eine erholsame Woche!

U.L.I.
17 Tage zuvor
Antwortet  Redaktion

Liebe Redaktion,
ich gebe euch so recht!!!

Und dann jetzt ganz aktuell auch noch das hier:
Meta beendet in den USA die Zusammenarbeit mit Faktenprüfern | tagesschau.de

Es ist zum Verzweifeln.. :-((((

GBS-Mensch
18 Tage zuvor

Der Beitrag geht leider an den wesentlichen Aspekten des Themas vorbei und kapriziert sich auf Erwachsenenprobleme.

Die wenigsten Inhalte auf den größten und weitreichensten (westlichen) sozialen Medien sind in irgendeiner Weise justiziabel.

Es geht um das Verblödungs-, Vereinsamungs- und psycho-emotionale Belastungspotenzial von sozialen Medien.

Mimü
18 Tage zuvor

Diese Unternehmen haben ihren rechtlich relevanten Sitz doch nicht in Deutschland. Frankreich hat‘s ja mal versucht, den Telegram-Chef bei einem Besuch in Frankreich festzunehmen, musste ihn aber wieder gehen lassen. Es wird immer genügend Länder in der Welt geben, die kriminellen Machenschaften im Web eine Heimat geben.

Lisa
18 Tage zuvor
Antwortet  Redaktion

Knifflig. Es gibt ein Recht auf
freie Information, weshalb auch Satellitenschüsseln angebracht werden dürfen, um ausländische Programme zu empfangen.

Jugendschutz muss gesondert geregelt werden.
Das WWW ist genau das: WW .

447
18 Tage zuvor
Antwortet  Redaktion

Ich werde hier keine Anleitung posten, keine Sorge – aber “nicht mehr empfangbar”?

OHNE jede Art von “Hackerwissen” lässt sich diese Sperre auf jedem handelsüblichen PC in maximal 15 Minuten umgehen…OHNE Zubehör, besondere Programme usw.

Lisa
17 Tage zuvor
Antwortet  Redaktion

Dennoch nehme ich mir als Erwachsener Mensch im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte die Freiheit, das Informationsmedium zu benutzen, welches ich möchte ( ich rede jetzt nicht von wirklichen Delikten wie Aufrufen zu Hass und Gewalt, die kann man immer melden)
Ein Kind oder Jugendlicher in der Erwachsenen hat diese Autonomie noch nicht.

Lisa
17 Tage zuvor
Antwortet  Redaktion

War die automatische Korrektur: Ich schrieb ” in der Entwicklung”

447
16 Tage zuvor
Antwortet  Redaktion

Das ist ja auch ein richtiges Ziel, finde ich.
Ich glaube nur nicht, dass es SO funktionieren wird.

Mika
18 Tage zuvor
Antwortet  447

„ OHNE jede Art von “Hackerwissen” lässt sich diese Sperre auf jedem handelsüblichen PC in maximal 15 Minuten umgehen…OHNE Zubehör, besondere Programme usw.“
Wie, so lange brauchen Sie? 😉

Was „die paar Hanseln“ betrifft: Kinder und Jugendliche können sehr hartnäckig im Suchen von Verbotsumgehungen sein, wenn man ihnen ihr Spielzeug wegnimmt. Ich erinnere an die Tauschbörsen vor und zu Napsterzeiten, trickreiches Umgehen von Jugendschutzeinrichtungen auf Rechnern oder in Netzwerken, von Eltern eingestellten Computerzeiten usw.. Wenn TikTok offiziell „verboten“ ist, gibts ganz schnell nen blühenden Handel mit der Anleitung zum Umgehen, und zwar massenhaft.
Ich finde den neuseeländischen Ansatz gut, und ja, ich bin auch für „v.i.S.d.P.“ für socialMediaPlattformen.