MAINZ. Der rheinland-pfälzische Bildungsminister Sven Teuber (SPD) plant eine radikale Reform der Lern- und Prüfungskultur – mit digitaler Schüler-ID, KI-gestützter Kompetenzanalyse und individuellen Lernwegen. Die GEW unterstützt die Pläne im Grundsatz, warnt aber vor praktischen Hürden.

Eine datengestützte Schulentwicklung ist das Ziel des rheinland-pfälzischen Bildungsministers Sven Teuber. Dabei gehe es darum, kompetenzorientierter zu werden und das datengestützt zu entwickeln, sagte der SPD-Politiker im Gespräch. «Es ist eigentlich wie ein digitaler Schülerausweis mit Speicherplatz.»
Für die Grundschulklassen in Rheinland-Pfalz gebe es bereits Verfahren, mit denen erhoben werden könne, wo die Kompetenzen der Klasse und jedes einzelnen Schülers lägen und wie die Entwicklung sei. Dies ermögliche auch Lehrkräften ein Feedback, worauf sie bei wem noch einmal genau achten sollten, sagte Teuber.
Schüler-ID zur Entwicklung von Bildungsbiographien
Dies könne eine KI auswerten. «Und dann haben wir künftig eine Schüler-ID und die schafft eine kompetenzorientierte Darstellung von einer Entwicklung von Bildungsbiographien.» Es sei auch für die Eltern entscheidend, wenn sie das sehen und nachvollziehen könnten. Lehrer oder Lehrerinnen könnten dann immer wieder mit den Schülern und den Eltern die Entwicklung nachvollziehen, und schauen, wie sich ein Schüler entwickelt habe, wo er stagniere und wie das ausgeglichen werden könne.
«Da habe ich doch einen viel größeren Mehrwert, als wenn ich sechs oder sieben Klausuren geschrieben habe, die alle von unterschiedlichen Lehrerinnen und Lehrer sind, aber nie nachhaltig werden.»
Immer wieder Lust am Lernen und Neugierde auf Neues
«Wir sind als Gesellschaft im stetigen Wandel. Das heißt, wir brauchen immer wieder Lust am Lernen und Neugierde auf Neues», betonte Teuber. Dies könne nur gelingen, wenn Druck herausgenommen oder Prüfungen verändert würden, sagte Teuber mit Verweis auf wissenschaftliche Studien. «Es geht ja nicht darum, nur weniger zu machen.»
Wie man Prüfungen verändert? «Es müssen nicht alle zur selben Zeit dasselbe machen, sondern wir haben unterschiedliche Entwicklungsfelder für jeden Schüler und jede Schülerin.» Dazu gehörten dann auch unterschiedliche Formate, etwa ein Gespräch, eine Präsentation oder ein kreativer Beitrag anstelle einer Klausur. «Das schafft Resilienz, das schafft Stärke und Lust darauf, Lernen als etwas Positives zu erzeugen», sagte Teuber.
Vom Sinn der Schulnoten
«Wir wollen alle Noten und wir wollen im Endeffekt gute Noten erreichen», stellte der Minister fest. «Eine Note ist eine Aussage über die Entwicklung von Kindern. Wir müssen den Kindern aber auch die Entwicklung ermöglichen», unterstrich Teuber.
«Das bedeutet, der Leistungsnachweis erfolgt zu einem Punkt X für die Schülerin Y und zu einem Punkt Y für den Schüler Z.» «Das Wichtige daran ist das Feedback zu der Note. Warum ist das hier eine 1, eine 3 und warum ist das hier mangelhaft?» Dazu gehöre dann: «Was musst du und was solltest du weiter lernen und kompetenzorientiert erarbeiten? Das ist das Entscheidende.»
Schüler brauchen Zeit für Bildung und Entwicklung
Curricula müssten immer wieder überprüft und erneuert werden. «Die Schüler brauchen Zeit für Entwicklung, Zeit für Bildung», sagte Teuber.
Seine Überlegungen fußten auf dem gemeinsam mit Bertelsmann und anderen erarbeiteten Papier zu einer neuen Lern- und Prüfungskultur, sagte Teuber (News4teachers berichtete). Er will sich die datengestützte Schulentwicklung zudem im September in Kanada anschauen, wo sie schon besonders weit sei.
GEW unterstützt Teubers Vorschläge im Grundsatz
Die Bildungsgewerkschaft GEW unterstützt nach eigener Darstellung grundsätzlich die Vorschläge aus dem Bertelsmann-Papier und die Forderungen von Teuber nach weniger Klausuren, wie die Landesvorsitzende Christiane Herz sagte.
Es sei pädagogisch sinnvoll, die Zahl formaler Leistungstests in der Grundschule und in den Klassen der Sekundarstufe I deutlich zu reduzieren. Die Grundschulordnung ermögliche auch schon seit mehr als 20 Jahren, bis zur Hälfte der gruppenbezogenen Leistungsnachweise durch andere zu ersetzen. Aber nur wenige Schulen machten davon Gebrauch.
GEW sieht aber auch ein Problem
Allerdings werde ein wichtiger Faktor in dem Bertelsmann-Papier übersehen: «An unseren Schulen ist aktuell nur dann eine annähernd 100-prozentige Unterrichtsversorgung gegeben, wenn alle Kolleginnen und Kollegen sich im Haus befinden.» Es gebe keine Vertretungsreserven für Krankheitsfälle und den Besuch von Fortbildungen. «So ergibt sich jeden Tag ein Vertretungsbedarf zwischen 5 und 20 Prozent, der nur kompensiert werden kann, wenn die an der Schule bestehenden pädagogischen Konzepte aufgelöst werden», sagte Herz.
«Wenn flächendeckend eine veränderte Lernkultur erreicht werden soll, müssen die Bedingungen an den Schulen, aber auch schon an den Kitas grundlegend verbessert werden.» News4teachers / mit Material der dpa









Diese ganze Individualisierung scheitert spätestens, wenn es um die zentralen Prüfungen geht. Präsentationen und Ähnliches sind per ki leicht erstellbar, müssen aber verteidigt werden. Dass kann schwieriger werden als eine normale Klassenarbeit.
Ich wiederhole meinen Vorschlag von neulich:
Beginn Klasse 5: hier sind alle Bücher und Lehrpläne bis Ende Klasse 10. bis zum [Datum] kannst du das alles, zwischentests gibt es dann und dann. Für Fragen wendest du dich gemäß Stundenplan des Lehrers an selbigen.
„Weniger Klausuren, mehr Kompetenz“ Willkommen zu weiteren Neubestellungen im neuen Normal mit garantierter Mit- und Sinkfluggarantie Richtung Absurdistan. Die nächste bildungspolitische Glanzleistung ist schon (vor)gelandet – wiedermal eine grandiose „Neudenke“ aus Wolkenkuckucksheim. Übersetzt heißt das: Noch weniger überprüfbares Wissen, noch mehr diffuse Kompetenzblasen, die sich hervorragend eignen, um nichts Konkretes zu lernen, aber alles irgendwie zu können. Klausuren? Zu stressig. Fachlichkeit? Zu elitär. Stattdessen gibt’s jetzt Lernlandschaften, Portfolio-Phantasien und statt böser Noten Bewertungsdialoge mit Wohlfühlfaktor. Die 1990er-Lehrpläne würden heute als radikal gelten – damals war Bildung noch ein Ziel, heute ist sie ein optionales Nebenprodukt im pädagogischen Feelgood-Konzept. Lehrkräfte dürfen sich freuen: Noch weniger Zeit für echte fachliche Inhalte, dafür mehr Fortbildungen über „Lernbegleitung im Kompetenzdschungel“. Und man fragt sich, wie man mit diesem System studierfähige Abiturienten hervorbringen will. Aber keine Sorge. Ich habe das Gefühl, das wird gar nicht mehr erwartet.
Der “kompetenzorientierte” Ansatz ist nicht unbedingt weniger stressig. Wenn man nur mal den Zeitaufwand vergleicht zwischen ein eigenes Lernvideo drehen (inklusive Schaubilder, sauberen Schnitt…) und für eine Klassenarbeit zum gleichen Thema lernen. Ich wäre mit dem Lernen für die Arbeit schneller fertig…
Sowas mal zu machen, vllt. auch in einer Projektwoche, ist sicher nicht verkehrt. Aber wenn sich derartige Sachen ansammeln in den Nebenfächern, wird es schnell sehr viel. Und dann noch Gruppenarbeiten, die zuhause fertiggestellt werden müssen…
Es gibt keine Kompetenz ohne Fachwissen. Wissenschaftliche Studien z.B. lassen sich eben nicht mit KI alleine auswerten, oder gar entwerfen. Man muss erstmal wissen, was man überhaupt wissen will. Keine KI wird zu “Ich habe Medikament xy, ich will herausfinden, wie gut das gegen Krankheit xy wirkt. Wie mache ich eine Studie?” etwas sinnvolles ausspucken können. Und wenn man jedes 2. Fachwort nachschlagen muss, das Stochastik-Wissen nur bis zum Boxplot reicht, einfache biologische und chemische Gesetze nicht bekannt sind, dann wird das nichts.
Protokolle schreiben, Statistiken und Nachrichten kritisch beurteilen, den PC richtig bedienen, einen Vortrag halten… das sind alles wichtige Fähigkeiten. Aber Grundwissen ersetzen, kann all das nicht.
Alle Innovationen sollten sich erstmal in der Praxis bewährt haben. In einer Klasse, in einer Schule, an drei, neun und dreißig Schulen. In dieser Reihenfolge. Erst dann sollte man über die flächendeckende Einführung nachdenken dürfen. Das Schreiben nach Gehör sollte hier ein mahnendes Beispiel sein. Wir dürfen es uns nicht leisten, schon wieder ganze Jahrgänge bildungstechnisch zu verhunzen.
Ich finde unseren Sven super!
Wie häufig wurde Schule eigentlich nun schon neu gedacht und wie häufig wurde das neu Gedachte zu Ende gedacht?
Vor meinem geistigen Auge erscheint eine harmonisch gestaltete offene Lernlandschaft, in der Schüler frei und individuell ihren Lernweg beschreiten, sei es am Tablet, in der Werkstatt, im Forum, im Schulgarten oder auch zu außerschulischen Lernorten. Gleichzeitig erfasst eine KI omnipräsent begleitend die Entwicklungen der Kompetenzen und ermittelt daraus eine individuelle Lernempfehlung wie z.B. „Morgen solltest Du zwischen 10:32 und 10:57 Uhr nach der Demokratiesensilibisierung folgende Gruppenpräsentation fächerübergreifend zu einem gemeinsam beschlossenen Thema mit Pro- und Kontrapositionen zur Stärkung deiner Argumentationskompetenz vorbereiten, falls dies nicht mit deinen selbstbestimmten Toilettenzeiten kollidiert.“ „Herzlichen Glückwunsch, du hast in Kommunizieren die Niveaustufe 8 erreicht, zumindest in der Kommunikation mit deiner Sitznachbarin. Hinweis: Niveaustufen sind grundsätzlich nicht mit den Stufen deiner Lernpartner vergleichbar ist, da sie aus Gerechtigkeitsgründen individuell festgelegt werden.“
Ist das neu genug gedacht?
Oh, das ist super gedacht für Mainz, wie es sinkt und lacht.
Vielleicht hätte ich noch einen Wiesbaden-Witz einflechten sollen …
Spannend zu Lesen, dass jemand neue Ansätze zu verfolgen und umsetzen will.
Bekommen wir aus der Not doch noch sowas wie Innovation, gar Wettbewerb im Bildungsföderalismus?
Müsste nicht anstatt Wettbewerb doch eher etwas ganz neu gedacht werden?
Schon, aber die Kultusminister*innen sind ja durchweg zufrieden mit ihren Leistungen, da erwarte ich vorerst keine Zentralisierung.
In diesem Rahmen ist ein “neuer” Ansatz frischer Wind und persönlich begrüße ich diesen mehr als den Fernunterricht (ausgerechnet) am Freitag
Bemerkenswert, welche Begriffsverschiebung „Kompetenz“ hier erfährt. Eigentlich wären beaufsichtigte kompetenzorientierte schriftliche Leistungsüberprüfungen doch besonders geeignet, Ergebnisse für die datenbasierte Planung individueller Lernwege zu liefern. Stattdessen will man doch wieder „Gespräche und Präsentationen“. Als ob sich damit (Fach-) Kompetenzen objektiv, reliabel und valide messen ließen…
Datengestützte Schul- und Unterrichtsentwicklung bedeutet:
Ich soll dem Wasserkopf die gewünschten KENNZAHLEN liefern, um mich dann dafür zu rechtfertigen.
Geiler Plan, Leute!
Kennzahlgetriebene Systeme laden nicht nur zum BETRUG ein – sie erfordern ihn geradezu:
Wer möchte sich schon selbst ans Messer liefern? Wer möchte sich immer wieder dafür rechtfertigen, dass Chantalle immer noch nix kann? – Genau: Absolut niemand.
Und deshalb wird jeder brav die Zahlen abliefern, die politisch gewollt sind. Das Bildungsniveau wird wie von Zauberhand steigen, Chantalle ist plötzlich schlau und fleißig.
Da man Klausuren nicht so gut faken kann, müssen die auch weg bzw. reduziert werden.
Eine „Präsentation“ dagegen… Chantalle hat die Folien ganz schön gestaltet und alles animiert. Der Inhalt von chatgpt war auch ok und sie hat ihn (fast) fehlerfrei vorgelesen. Das gibt ne 2.
Das ganze Bling-Bling-Digital-Kompetenz-Feedback-Gelalle kann nicht über diese einfache Wahrheit hinwegtäuschen:
Es handelt sich hier um nichts anderes als ein System zur ÜBERWACHUNG von Lehrern –
das sie aber umgehen können, indem sie politisch gewünschte Erfolgszahlen liefern.
Nichts, wirklich absolut nichts daran ist irgendwie wünschenswert: weder die totale Überwachung eines einstmals auf seine Freiheit stolzen Berufsstandes, noch die ganz offensichtlich damit verbundene Absicht, den Erfolg von Bildungspolitik nach jahrzehntelangem Komplettversagen herbeizufaken.
Ins Bild passt, dass die Schnarchtüten von der GEW im Schnittchen-Delirium wieder mal nix checken und für
– die Überwachung von Lehrern sowie
– das Faken von Erfolgsmeldungen
ihre „Unterstützung“ signalisieren.
Abschließend möchte ich betonen:
– Ich sehe keinen Sinn darin, den Kern MEINER pädagogischen Arbeit auf Kennzahlen zu reduzieren, die der Herr Oberamtsrat dann nach dem zweiten Frühstück zwecks Überbrückung der Zeit bis zum Mittagessen „konstruktiv“ und „sachverständig“ studieren kann.
– Ich möchte keine Zahlen fälschen.
– Ich möchte nicht in einem System arbeiten, das mich auffordert, Zahlen zu fälschen.
– Ich möchte meine pädagogische Freiheit behalten und die Beziehung zu meinen Schülern selbst gestalten. Als Mensch und Pädagoge. Ohne KI, dafür mit NI.
– Da allerletzte, was irgendein Lehrer braucht, sind: „Tipps“ vom Herrn Oberamtsrat, der zwar nie im Unterricht war und keinen meiner Schüler kennt, aber ne Excel-Tabelle hat.
– Ich lege mir selbst FÜR MICH Excel-Tabellen an. (Kann das der Oberamtsrat eigentlich?) Dafür brauche ich keinen großen Bruder.
– Das Ansinnen, mich da an die Hand nehmen und meine N.I. durch K.I. ersetzen zu müssen, ist despektierlich, ignorant, übergriffig und nicht zuletzt: sehr, sehr dumm.
Aber, aber so ganz ohne Bling-Bling-Digital-Kompetenz-Feedback-Gelalle
fühlte sich doch nicht wohl, die kompetenzenkompetente Chantalle.
Lehrkräfte, die sich stören am Kompetenz-Gesabbel,
verortet man schnell in der autoritären Bubble.
Ich sehe das simpler:
Arbeiter stanzen Hohlbleche. Mehr Bleche = gut.
Sachbearbeiter bearbeiten Sachen. Mehr Sachen bearbeitet = gut.
Lehrer führen Stunden durch und benoten. Mehr gute Noten = gut ?
Piep-tröt, ratter, vordere Geräuschluke öffnen:
“Chantal gelangen viele Kompetenzfortschritte und sie traut sich zunehmend, fremdsprachliche Sprechversuche zu unternehmen.”
Stanzen wir halt Bleche.
Wenn es der Dienstherr (=die heiligen Wähler/SuS) so wollen – dann soll es so geschehen.
Gehalt kommt pünktlich.
Liest sich sehr interessant. Mir sind auch ein paar Lehrkräfte bekannt, die zum Rapport mussten, nachdem die Vergleichsarbeiten schlecht ausfielen. Nun sollen sie Konzepte austüfteln. Wer das nicht will, korrigiert diese Arbeiten künftig einfach großzügiger und die Politik kann sagen, dass die Leistungen endlich besser werden. Nur ehrlicher werden sie so leider nicht.
„Für die Grundschulklassen in Rheinland-Pfalz gebe es bereits Verfahren, mit denen erhoben werden könne, wo die Kompetenzen der Klasse und jedes einzelnen Schülers lägen und wie die Entwicklung sei. Dies ermögliche auch Lehrkräften ein Feedback, worauf sie bei wem noch einmal genau achten sollten, sagte Teuber“
Letztes Jahr habe ich mir einen hochinteressanten Vortrag eines Informatikprofessors angehört. Er zeigte uns u.a. einen Film aus China, wo alle Kinder mit ihrem Kopfreif an ihren Tabletts saßen und arbeiteten. Der Lehrer sah auf seinen Dashboard, woran genau gearbeitet wurde und wie die Hirnaktivität war….nahm die Hirnaktivität ab oder verlagerte sich in andere Bereiche, griff der Lehrer ein….
Vielleicht ist soetwas ja das Vorbild, wo die Reise hingehen soll….
„Und dann haben wir künftig eine Schüler-ID und die schafft eine kompetenzorientierte Darstellung von einer Entwicklung von Bildungsbiographien“
Oder Herr Teuber hat einfach zu viele Rollenspiele (FF, Skys of Arcadia, Grandia, etc.) gespielt, in denen es wesentlich darum geht, die Kompetenzen der einzelnen Charaktäre zu entwickeln…..wenn man dann vom Monster geklatscht wird, hat man eben noch nicht genug Kompetenzen und muss weiterüben….die Kompetenzentwicklung geht auch hier über Z.B. Entwicklungsboards oder anderen grafischen Darstellungen…
Der Spieler teilt seinen Charakteren die zu lernende Kompetenz zu, pberprüft sie und hat die Gesamtentwicklung im Blick….
Vielleicht hat Herr Teuber ja sowas vor….klingt auf jeden Fall so….mmmhhhhh
Wer soll den Kram den schreiben? Das klingt ja wie eine Traumvorstellung, bis man dann irgendwann feststellt, dass wenn man das geforderte für jeden seiner Schüler macht, man die Schule eine Woche lang schließen müsste, damit lediglich 10min Zeit für jeden Schüler und seine Bewertung hätte. Also ca. 5min Bewerten und 5min Gespräch mit dem Schüler, macht bei knapp 240 Schüler/Fächer die man Unterrichtet ====> richtig: 40 Stunden.
Fehlt Ihnen da die Vorstellungskraft….nun ich teile meine gerne mit Ihnen.
Also, Sie verfügen über ein entsprechendes Dashboard auf Ihrem Tablet. Alle Kinder, alle Föcher, alles Kompetenzerwartungen sind bereits voreingestellt. Die Kinder arbeiten an ihrem Unterrichtsstoff (wie auch immer….) und am Ende schreibt jeder eine digitale LZK. Die Ergebnisse werden von einer KI ausgewertet und direkt in das vorhandene Kompetenzraster eingetragen. Natürlich spukt die KI auch aus, womit weitergearbeitet werden kann oder wo noch etwas wiederholt werden muss….
Die erreichten Kompetenzen werden direkt auf die Zeugnisse übertragen….
Thats it….
Wo kann man das kaufen?
Natürlich inklusive der digitalen Tests 😉
Gar nicht, das ist die fiktionale Vision…..quasi die Utopie….
Und von dieser Utopie leben wir dann. Prima Idee
😉
Immer wieder Lust am Lernen und Neugierde auf Neues
Der Witz ist ja, alle Reformen der letzten Jahre und Jahrzehnte sollten dazu führen, dass Kinder gerne und mit Spaß lernen. Was ist uns da nicht alles erzählt worden, warum die vorhergehenden Methoden und Wege falsch waren und schlecht sind. Aber alle neuen Methoden und Wege haben nichts wesentlich daran geändert, dass Kinder irgendwann und oft sehr schnell keine Lust auf Schule haben. Nun liest man es wieder (Zitat oben).
Vom Sinn der Schulnoten«Wir wollen alle Noten und wir wollen im Endeffekt gute Noten erreichen», stellte der Minister fest. «Eine Note ist eine Aussage über die Entwicklung von Kindern. Wir müssen den Kindern aber auch die Entwicklung ermöglichen», unterstrich Teuber….«Das Wichtige daran ist das Feedback zu der Note. Warum ist das hier eine 1, eine 3 und warum ist das hier mangelhaft?» Dazu gehöre dann: «Was musst du und was solltest du weiter lernen und kompetenzorientiert erarbeiten? Das ist das Entscheidende.»
Wird das Fahrrad hier zum dritten Mal erfunden? Es gehört doch immer schon (?), also so lange ich Lehrer bin, dazu, dass man eine Note begründet – die mündlichen mehr, die schriftlichen weniger (bzw. allgemeiner im Klassenverband) und sagt, was war gut und was fehlt bzw. müsste besser gemacht werden. Das ist doch nichts Neues. Das gehörte doch immer schon bzw. lange dazu?!?
Eigentlich ja.
Der völlige Strohmann vom “autoritär unbegründet schlechte Noten raushauende Lehrer” eignet sich aber doch so schön zum wütenden Niederbrennen.
Die vom rheinland-pfälzischen Bildungsminister Sven Teuber angekündigte Reform der “Lern- und Prüfungskultur” offenbart exemplarisch die Problematik aktueller Bildungspolitik: Sie verspricht Fortschritt durch eine radikale Abkehr von bewährten Methoden, ohne die fundamentalen neurowissenschaftlichen und pädagogischen Erkenntnisse über effektives Lernen ausreichend zu berücksichtigen.
Die Illusion der KompetenzorientierungTeubers Vision einer “kompetenzorientierten Darstellung von Bildungsbiographien” durch KI-gestützte Schüler-IDs und die geplante Reduktion von Klausuren zugunsten “unterschiedlicher Formate” wie Gespräche oder Präsentationen ignoriert fundamentale Erkenntnisse über die Natur von Kompetenzen. Wie z.B. Volker Ladenthin in seiner kritischen Analyse des Kompetenzbegriffs darlegt, handelt es sich bei “Kompetenz” um einen aus der Psychologie importierten Begriff, der “keine komplexe Handlung aufbauen” kann.
Die entscheidende Schwäche von Teubers Ansatz liegt in der Verwechslung von Analyse und Synthese: Während sich komplexe geistige Fähigkeiten analytisch in Teilkompetenzen zerlegen lassen, führt die umgekehrte Richtung – die Synthese von Einzelkompetenzen zu bedeutungsvollem Wissen und Können – nicht automatisch zum Erfolg. Eine Illustration am Beispiel des Schachspiels: Wer alle Einzelkompetenzen des Schachspielens beherrscht, kann dennoch nicht zwangsläufig gut Schach spielen.
Ignoranz gegenüber der Funktionsweise des GehirnsBesonders problematisch ist die geplante Reduktion schriftlicher Leistungsüberprüfungen. Die Neurowissenschaft, wie sie z.B. in “Uncommon Sense Teaching” dargestellt wird, zeigt deutlich: Retrieval Practice – das aktive Abrufen von Informationen aus dem Gedächtnis – ist eine der effektivsten Methoden, um Wissen vom Arbeits- ins Langzeitgedächtnis zu übertragen. Schriftliche Prüfungen sind nicht nur “Stress” oder “Druck”, sondern neurobiologisch notwendige Übungsgelegenheiten für das Gedächtnis.
Die von Teuber favorisierten alternativen Formate wie “Gespräche und Präsentationen” sind hingegen anfällig für Oberflächlichkeit und können – gerade in Zeiten von KI-generierten Inhalten – echte Kompetenzen nur unzureichend nachweisen. Sie täuschen eine Aktivität vor, die nicht unbedingt mit tiefem Lernen einhergeht.
Die Gefahr der McDonaldisierung von BildungLadenthin beschreibt treffend, wie Kompetenzorientierung zur “McDonaldisierung” von Bildung führt: Der Versuch, bildungsgleiche “Outputs” unabhängig von kulturellen und individuellen Voraussetzungen zu produzieren. Teubers Schüler-ID-System mit seiner datengestützten Kompetenzerfassung ist genau ein solcher Versuch einer technokratischen Standardisierung, die das Wesentliche von Bildung verfehlt.
Die geplante KI-Auswertung von Lernfortschritten reduziert komplexe pädagogische Beziehungen auf messbare Datenpunkte. Dies ignoriert, dass Bildung nicht nur den Transfer von Kompetenzen, sondern die Entstehung von Sinn und kultureller Teilhabe umfasst – Aspekte, die sich nicht algorithmisch erfassen lassen.
Widerspruch zur evidenzbasierten PädagogikDie Reform steht im direkten Widerspruch zu etablierten Erkenntnissen über effektives Lernen:
Direkte Instruktion vs. Entdeckendes Lernen Für komplexe, kulturell vermittelte Inhalte (sekundäres Wissen) ist Direkte Instruktion am effektivsten (Hattie: Visible Learning). Das “I do, we do, you do”-Modell hat sich neurobiologisch bewährt. Teubers Vision individueller Lernwege für jeden Schüler ignoriert diese Erkenntnis und kann zu kognitiver Überlastung führen.
Spaced Repetition vs. Individualisierung: Die Neurowissenschaft zeigt, dass verteilte Wiederholung über Zeit hinweg essentiell für nachhaltiges Lernen ist. Ein System, das jedem Schüler individuelle Zeitpunkte für Leistungsnachweise zugesteht (“Punkt X für Schülerin Y und Punkt Y für Schüler Z”), untergräbt dieses Prinzip systematisch.
Motivationspsychologische FehlschlüsseTeubers Argument, weniger Prüfungen würden zu mehr “Lust am Lernen” führen, basiert auf einem fundamentalen Missverständnis der Motivationspsychologie. Die Kompetenzorientierung verwandelt “Motivation von einer Lernvoraussetzung zum Lernziel” – ein konzeptioneller Fehler, der zur Instrumentalisierung des Willens führt.
Moderater Eustress (positiver Herausforderungsstress) optimiert die Gedächtnisleistung. Die komplette Entfernung von “Druck” beraubt Schüler wertvoller neurobiologischer Lernverstärker.
Praktische UmsetzungsproblemeDie GEW weist zu Recht auf die praktischen Hürden hin: Das System setzt eine nahezu 100-prozentige Unterrichtsversorgung voraus, die in der Realität nicht existiert. Ohne diese grundlegenden Voraussetzungen wird jede noch so gut gemeinte Reform zur Belastung für Lehrkräfte und letztendlich zum Schaden für die Schüler.
Darüber hinaus ignoriert die Reform die Notwendigkeit von Classroom Management, wie es in praxisorientierten Leitfäden beschrieben wird. Effektive Klassenführung basiert auf klaren Strukturen, vorhersehbaren Abläufen und konsistenten Erwartungen – alles Aspekte, die durch übermäßige Individualisierung untergraben werden.
Fazit: Rückbesinnung auf evidenzbasierte PädagogikTeubers Reform zeigt alle Charakteristika einer ideologiegetriebenen Bildungspolitik, die wissenschaftliche Erkenntnisse zugunsten zeitgeistiger Trends ignoriert. Statt einer weiteren “Neuerfindung” der Schule wäre eine Rückbesinnung auf evidenzbasierte Methoden angebracht:
Die Ironie der aktuellen Bildungsreformen liegt darin, dass sie im Namen der “Modernisierung” Methoden propagieren, die den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen über Lernen und Gedächtnis widersprechen. Eine wahrhaft moderne Pädagogik würde diese Erkenntnisse ernst nehmen und darauf aufbauend bewährte Praktiken weiterentwickeln, statt sie durch unerprobte Experimente zu ersetzen.
Wie ein Kommentator im Artikel treffend bemerkt: “Alle Innovationen sollten sich erstmal in der Praxis bewährt haben. In einer Klasse, in einer Schule, an drei, neun und dreißig Schulen. In dieser Reihenfolge. Erst dann sollte man über die flächendeckende Einführung nachdenken dürfen.” Dies wäre ein Mindestmaß an Verantwortung gegenüber den Schülern, deren Bildungschancen durch weitere gescheiterte Reformen nicht noch weiter gefährdet werden sollten.
Vielen Dank für diese kompakte und hochinformative Darstellung.
Ebenfall vielen Dank!
Ausdrucken, eintüten, frankieren und an die 16 Kultusminister schicken. Oder noch besser im Paket versanden mit jeweils einem Wecker drin.
Dystopie, nichts als Dystopie.
Die Zukunft für Kinder bildungsaffiner Eltern wird dann die analoge Privatschule sein, die damit wirbt, Schule “alt zu denken” und die Lehrpläne und Didaktik der 90er exhumiert. Das fordernde Unterrichtsgespräch mit rotem Faden und Tafelbildern, gerechter und realistischer Benotung ist dann ein Privileg für Reiche. Der Rest darf bei Schulexperiment Nr. 1422 verdummen.