BERLIN. Wenn an diesem Mittwoch in Berlin die Tarifrunde für die Beschäftigten der Länder beginnt, sind die Fronten ungewöhnlich früh ungewöhnlich hart. Die Arbeitgeber – zusammengeschlossen in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) – weisen die Forderung der Gewerkschaften nach sieben Prozent mehr Lohn, mindestens aber 300 Euro monatlich, als „völlig überzogen“ zurück. Auf der anderen Seite betonen ver.di und der dbb, dass der öffentliche Dienst angesichts massiver Personalengpässe nur mit deutlichen Einkommenssteigerungen konkurrenzfähig bleiben könne.
Anlass für die Schärfe: Die Gewerkschaften verlangen eine Laufzeit von nur zwölf Monaten. Damit würde die Erhöhung vollständig innerhalb eines Jahres wirken – eine Forderung, die von den Ländern als „nicht zu verantworten“ bezeichnet wird.
TdL-Vorsitzender Andreas Dressel (SPD), Finanzsenator von Hamburg, formulierte die Kritik deutlich. „Mit ritualisierten astronomischen Forderungen nicht erfüllbare Erwartungen zu wecken, die am Ende zu großen Enttäuschungen bei vielen Beschäftigten führen, ist nicht zielführend!“, erklärte er. Die geforderten sieben Prozent beziehungsweise mindestens 300 Euro passten „nicht in die Zeit“ und seien bei einer Inflationsrate von zwei Prozent „völlig überzogen“.
Dressel verwies auf den Tarifabschluss bei Bund und Kommunen vom Frühjahr: Dort hatten sich die Gewerkschaften auf 5,8 Prozent bei 27 Monaten Laufzeit verständigt – umgerechnet rund 2,6 Prozent pro Jahr. Die neue Forderung hingegen liege weit darüber und würde die Länderhaushalte massiv belasten. Bei 860.000 Tarifbeschäftigten der Länder bedeute dies Lohnerhöhungen „von bis zu 12,3 Prozent“ und Kosten von rund vier Milliarden Euro pro Jahr, so Dressel. Mit der geforderten Übertragung auf die Beamtinnen und Beamten käme man auf 12,6 Milliarden Euro jährlich – zusätzliche strukturelle Verbesserungen noch nicht eingerechnet.
„Ich hatte gehofft, dass die Lohnforderung sich näher am realistisch Machbaren orientiert“, sagte Dressel. Nun aber stünden „äußerst schwere Verhandlungen“ bevor.
Während die TdL auf Haushaltsdisziplin pocht, sehen die Gewerkschaften die Länder unter Zugzwang – auch, um das Personal im Bildungsbereich zu halten. Denn betroffen sind am Ende insgesamt rund 3,5 Millionen Betroffene: 1,1 Millionen Tarifangestellte, 1,4 Millionen Beamte sowie rund eine Million Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger. Die Tarifrunde beginnt am 3. Dezember in Berlin und wird Mitte Januar sowie Mitte Februar in Potsdam fortgesetzt.
ver.di fordert Respekt – und pocht auf Wettbewerbsfähigkeit
Die Gewerkschaften haben am 17. November ihre Forderung beschlossen: sieben Prozent, mindestens jedoch 300 Euro monatlich. Auszubildende sollen 200 Euro mehr erhalten, außerdem verlangt ver.di ihre unbefristete Übernahme nach erfolgreichem Abschluss. Auch alle Zeitzuschläge sollen um 20 Prozent steigen. Der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke begründet die Forderungen mit der Lage des öffentlichen Dienstes: „Die Beschäftigten wollen ein klares Signal der Arbeitgeber, dass ihre Leistungen künftig besser honoriert werden – sie erwarten Anerkennung und Respekt für ihr Engagement.“ Der öffentliche Dienst müsse attraktiv bleiben, um Arbeitskräfte zu gewinnen: „Dafür braucht es eine angemessene Entgelterhöhung und gute Arbeitsbedingungen.“
Mit Verweis auf die jüngste Steuerschätzung argumentiert Werneke, dass die Länder durchaus Spielräume hätten. „Das muss sich auch bei den Gehältern zeigen, denn der öffentliche Dienst steht im Wettbewerb um die besten Fachkräfte – bei zugleich mehreren Hunderttausend unbesetzten Stellen.“ Eine Erhöhung „deutlich oberhalb der Inflation“ sei erforderlich, auch um den Abstand zu Bund und Kommunen nicht größer werden zu lassen. Zudem betonte Werneke die weiterhin bestehenden Unterschiede zwischen Ost und West, insbesondere bei Arbeitszeiten und Kündigungsschutz: „35 Jahre nach der Wiedervereinigung ist es mehr als überfällig, hier für gleiche Bedingungen zu sorgen. Statt immer neuer Festtagsreden müssen hier endlich Fakten geschaffen werden.“
dbb stellt Personalnot in den Mittelpunkt: „Der Staat ist überfordert“
Der dbb-Bundesvorsitzende Volker Geyer verweist auf die aus seiner Sicht alarmierende Lage im öffentlichen Dienst: „73 Prozent der Bürgerinnen und Bürger halten den Staat inzwischen für überfordert. Vernachlässigte Straßen, Pflegenotstand, Unterrichtsausfall und das generell schwindende Sicherheitsgefühl der Bevölkerung haben eine gemeinsame Ursache: fehlendes Personal.“ Um nicht immer weiter hinter die Privatwirtschaft zurückzufallen, brauche es nun deutliche Signale: „Um am Arbeitsmarkt nicht immer weiter hinter der Privatwirtschaft zurückzufallen, muss der öffentliche Dienst dringend attraktiver werden und besser bezahlen.“
Auch Geyer kritisiert deutlich die Länder, die sich seiner Einschätzung nach zu sehr auf das Argument sicherer Arbeitsplätze zurückziehen: „Die Länder argumentieren dann gerne mit den sicheren Arbeitsplätzen. Aber sie wissen auch: Sichere Arbeitsplätze gleichen keine Inflation aus und zahlen keine Mietsteigerung. Die Beschäftigten haben ein Recht auf faire und leistungsgerechte Bezahlung.“
Besonders scharf reagiert Geyer auf das Signal aus Bayern, das Tarifergebnis erst nach einer halbjährigen Verzögerung auf Beamte übertragen zu wollen: „Es ist kontraproduktiv, unfair und demotivierend.“ Die Gewerkschaften fordern daher ausdrücklich eine „zeitgleiche und systemgerechte Übertragung“ auf den Beamtenbereich. News4teachers
7 Prozent – Forderungen der Gewerkschaften für die Länder-Tarifrunde stehen
