GEW lehnt “einseitigen konservativen Werteunterricht” (der CDU) für Flüchtlingskinder ab

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WIESBADEN. Hessens CDU-Kultusminister hat angeordnet, den Werteunterricht zu stärken – für Flüchtlingskinder. Die sollen jetzt „gegenseitige Wertschätzung und Achtung“ lernen. Auf Kosten des Deutschunterrichts. Die GEW kritisiert die Maßnahme als kontraproduktiv und diskriminierend – und hält die inhaltlichen Vorgaben für die Lehrkräfte für „einseitig konservativ“.

“Hier geltende Werte : Armin Schwarz (CDU). Foto: Paul Schneider / Hessische Staatskanzlei

„Unsere Schulen müssen Orte des Respekts, der Wertschätzung und des friedlichen Miteinanders sein, damit unsere Kinder eine glückliche Schulzeit und Freude am Lernen und an Leistung haben“, erklärte Hessens Kultusminister Armin Schwarz (CDU) vor rund vier Wochen. Es sei entscheidend, dass sich alle Schülerinnen und Schüler intensiv mit respektvollem Umgang, demokratischen Werten und der Bedeutung der Grundrechte auseinandersetzten. Gegenseitige Wertschätzung und Achtung, gerade auch bei unterschiedlichen Auffassungen, sei ein hohes Gut – und soll jetzt verstärkt in Hessens Schulen vermittelt werden. Vor allem an Migranten- und Flüchtlingskinder.

Die 2.100 Intensivklassen in Hessen, in denen geflüchtete und neu zugewanderte Kinder und Jugendliche gezielt in Deutsch gefördert werden sollen, erhielten nun zwei Stunden pro Woche im Unterricht eine Vermittlung „der hier geltenden Werte einer freien, demokratischen Gesellschaft“. Dafür hätten die Lehrkräfte neues Unterrichtsmaterial erhalten.

Mehr Engagement in der Demokratie- und Medienbildung seien angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen unverzichtbar – meint auch die GEW. Vorsitzender  Thilo Hartmann zeigt sich jedoch entsetzt darüber, dass der verpflichtende Werteunterricht ausschließlich für die derzeit rund 36.000 Schülerinnen und Schüler in den sogenannten „Intensiv- und InteA-Klassen“ eingeführt werde.

„Im Gegenteil: Das Konzept ist diskriminierend und läuft gelingender Integration und einem guten Miteinander zuwider“

„Die angekündigte Maßnahme richtet sich ausschließlich an geflüchtete und zugewanderte Schüler:innen. Mit einer dringend erforderlichen landesweiten Aufwertung der Demokratie- und Medienbildung hat das wenig zu tun. Im Gegenteil: Das Konzept ist diskriminierend und läuft gelingender Integration und einem guten Miteinander zuwider“, meint Hartmann. Zudem unterstelle es den hier eingesetzten Lehrkräften, dass die Vermittlung sozialer Kompetenzen nicht bereits selbstverständlicher Teil ihres Unterrichts sei. Außerdem gehe die Maßnahme zulasten der Deutschförderung, da sie nicht zusätzlich, sondern statt des bisherigen Unterrichts vorgesehen sei.

Das Kultusministerium habe eine Handreichung an die unterrichtenden Pädagoginnen und Pädagogen in den Intensiv- und InteA-Klassen versendet. Darin würden Passagen aus der Hessischen Verfassung und dem Schulgesetz zitiert – „selektiv“ laut GEW. Ihr zufolge ist auffällig, dass sich in der Handreichung unter anderem nichts über den „Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen“ und die Förderung von „Kreativität und Eigeninitiative“ findet, obwohl diese laut Schulgesetz ebenfalls Teil des Bildungs- und Erziehungsauftrags sind.

Die GEW fordert die baldige Einführung des im Koalitionsvertrag angekündigten Demokratiefördergesetzes: „Statt Minderheiten zu stigmatisieren und Unterlagen für den Unterricht zu verteilen, die ihrem Duktus nach Ressentiments zu bedienen in der Lage sind, sollte die Landesregierung das versprochene Demokratiefördergesetz einführen“, forderte Hartmann.

Gleichzeitig müssten die Bedingungen für Lehrkräfte und Schüler in den Intensiv- und InteA-Klassen verbessert werden. Das sei durch niedrigere Schülerzahlen pro Klasse, erweiterte Wochenstunden (unter anderem durch Sportunterricht), ein größeres Angebot an Alphabetisierungsklassen, bessere Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte sowie wissenschaftlich fundierte pädagogische und didaktische Konzepte zu leisten. News4teachers

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Rainer Zufall
1 Jahr zuvor

Ich wäre doch sehr überrascht, wenn die Union nach JAHRZEHNTEN ihre Leitkultur endlich definiert hätte -_+

ABER ich widerspreche dem Ansatz nicht ganz! Nennt es “Sozialtraining” und steckt ALLE Schüler*innen rein. Wenn Flüchtlinge ohne Deutschkenntnisse dies im Lehrplan verkraften können, sollte ähnliches für unsere angeblich ach so schlimme Jugend im Ganzen gelten 😉

Fräulein Rottenmeier
1 Jahr zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

Ein ausdrückliche JA zu Sozialtrainings für alle!
Nach Corona haben wir das für alle Klassen gebucht (bezahlt vom Corona-Aufholprogramm). Das war gut, aber reichte eigentlich nicht. Ich fände es super, dies in der Stundentafel zu integrieren…..wir machen das zwar (Teamgeister z.B.), knapsen das aber von anderen Unterrichtsstunden ab…

Dejott
1 Jahr zuvor

Vielleicht sollte die CDU erstmal parteiintern einen verpflichtenden Werteunterricht einführen. Immerhin kommen gerade aus der CDU immer wieder Stimmen,man könne doch mit der AFD zusammenarbeiten. Zuletzt in Sachsen.

unverzagte
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dejott

Unbedingt sollte sie das ! Für zunehmend schwammig werdende Werte werden sich parteiintern garantiert keine klaren Definitionen finden lassen.

Walter Hasenbrot
1 Jahr zuvor

Die Maßnahme ist nicht konservativ, sondern ein Zeichen rassistischen Denkens.

Lisa
1 Jahr zuvor
Antwortet  Walter Hasenbrot

Wieso rassistisch? Impliziert, dass alle geflüchteten Kinder einer bestimmten oder gar anderen “Rasse” zugehören, und dem ist nicht so.

unverzagte
1 Jahr zuvor
Antwortet  Lisa

Wenn Sie den Ausdruck “Rasse” durch “Gruppe” ersetzen, bleibt diese Maßnahme der gezielten Aussonderung rassistisch.

Dr. Specht
1 Jahr zuvor

Leider erschließt sich mir nicht, welche konkreten Aussagen als “eindeutig konservativ” kritisiert werden. Das macht eine Einordnung m. E. unmöglich.

Unverzagte
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dr. Specht

Konkret rassistische Ideale sind klar erkennbar, als solche zu identifizieren und entsprechend einzuordnen.

Dr. Specht
1 Jahr zuvor
Antwortet  Unverzagte

Welche bestimmten Formulierungen, die im oberen Text stehen, meinen Sie? Dies eine reine Verständnisfrage mit der Bitte um Antwort.

laromir
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dr. Specht

Vielleicht bezieht sich das mehr auf diese Anordnung. Ich kenne sie und finde sie diskriminierend. Es wird unterstellt, dass Migranten per se Wertevermittlung brauchen und im Nachgang gesagt, dass man das gerne natürlich auch in anderen Klassen machen könne. Zum einen kenne ich Migranten, die durchaus Werte haben, ebenso wie ich “Einheimische” kenne, die sich total daneben benehmen. Das gibt es doch überall, warum also das Abzielen auf Intensivklassen? Hier ging es eben explizit um Werte und nicht um die Vermittlung von kulturellen Gegebenheiten, die sich unterscheiden können. Und es liest sich so, als müsste gerade Migranten erstmal ordentliche Werte vermittelt werden. Von der Schulleitung kontrolliert und abgesegnet. Das hat einen komischen Beigeschmack. Als gäbe es woanders auf der Welt keine Werte.

Sokrates
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dr. Specht

Wertekonservativ trifft es vielleicht eher. Grundsätzlich wäre diese Maßnahme aber für die meisten Schüler durchaus hilfreich. Aber dann müsste vermutlich woanders gekürzt werden – und Fachinhalte sind für viele Lehrkräfte (auch hier im Forum) deutlich wichtiger als soziale Kompetenzen. Wobei für einige bereits das Wort “Kompetenz” schon ein No-Go ist.

Dr. Specht
1 Jahr zuvor
Antwortet  Sokrates

Vielen Dank für die beiden Antworten an Iaromir und Sokrates. Die Sache ist komplex. Selbstverständlich sollte jeglicher Unterrichtsinhalt sensibel auf mögliche Diskriminierungspunkte betrachtet werden.

Allerdings gibt es auch riesige Unterschiede zwischen “(wert-)konservativ” und “rassistisch”. Konservative gehören ohne Zweifel in das demokratische Spektrum, sie sind sogar ein fundamentaler Baustein davon, sie gibt es nicht nur in der Union, sondern auch bei den Grünen (etwa W. Kretschmann). Rassist*innen sowie Menschen, die Frauen und Männer nicht gleichberechtigt sehen oder religiöse Gebote über das staatliche Recht stellen, stehen nicht auf dem Boden unseres Grundgesetzes.

Wir sollten als Lehrer*innen achtsam bezüglich der Sprache sein, deswegen erschließt sich mit immer noch nicht, wieso Frau Unverzagte mit dieser Bestimmtheit von “konkreten rassistischen Idealen” in dem hessischen Unterrichtsmaterial spricht. Wo stehen die dort?

Um die Demokratie zu verteidigen brauchen wir alle Demokraten, auch jene, die vielleicht einen anderen Lebensstil als wir selbst pflegen.

Dr. Specht
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dr. Specht

Schade, dass Frau Unverzagte offensichtlich einen Diskurs verweigert. Es bleibt unklar, welche “rassistischen Ideale” so eindeutig im Text zu erkennen sein sollen. Demokratiebildung lebt vom Austausch.

Unverzagte
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dr. Specht

Für Ihre versäumte Aufklärung bezüglich faschistischer Haltung mögen Sie alternativen Austausch finden.

Dr. Specht
1 Jahr zuvor
Antwortet  Unverzagte

Sie unterstellen also dem hessischen Kultusminister Schwarz (CDU) eine “faschistische Haltung”? Für Sie sind “konservativ” und “faschistisch” Synonyme? Dann bewegen Sie sich offensichtlich nicht mehr auf dem Boden unseres Grundgesetzes.

Hoffentlich treten Sie gegenüber Ihren Schüler*innen weniger demagogisch auf.

unverzagte
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dr. Specht

Beantwortungen insbesondere rhetorischer Fragen mit eigenwilligen Bilanzen bestätigen eindrucksvoll, warum weitere Zeilen zwecklos anmuten.

Sepp
1 Jahr zuvor

Der Text ist mir zu ungenau, aber dennoch ein Gedanke:

Wenn jemand neu in eine Organisation kommt, einen neuen Arbeitsplatz annimmt, dann erfolgt i.d.R. eine Einführung, wie dort Dinge funktionieren. – Das nennt man “Einarbeitung” und nicht “Diskriminierung”.

Wenn man nun in ein anderes Land zieht, mit anderer Geschichte, anderem politischen System und ggf. anderen Werten, warum sollte man dann nicht auch eine Art “Einführung” in das Land bekommen?

Das macht man übrigens bei Fahrten ins Ausland und Schüleraustauschen auch, und zwar vorher.

Am Ende kommt es m.E. auf die Ausgestaltung dieses Unterrichts an.

Lisa
1 Jahr zuvor
Antwortet  Sepp

Gibt es in vielen Ländern. Vor dem Erwerb des Bürgerrechts staatsbürgerlichen Unterricht.

unverzagte
1 Jahr zuvor
Antwortet  Lisa

Staatsbürgerkunde anstelle (sic!) von Sprachunterricht ? Mit Sicherheit nicht.

unverzagte
1 Jahr zuvor
Antwortet  Sepp

Seit wann und wo bitte werden allgemein verbindliche Werte eines Arbeitsplatzes gesondert hervorgehoben und damit absurderweise über grundsätzliche Sprachkenntnisse gestellt ?

Sorry, aber das ist einfach nur absurd.

Sepp
1 Jahr zuvor
Antwortet  unverzagte

Nur weil Sie meine Aussage nicht verstehen wollen (wie Abläufe in einem Betrieb funktionieren bzw. wie Menschen in einem Land “ticken”), ist sie ja nicht absurd!

Sie fahren mit einer Schulklasse nach Frankreich, in die USA oder meinetwegen nach Asien. Besprechen Sie vorher mit den SuS, wie man sich dort benimmt, was als höflich angesehen wird usw, oder etwa nicht?

Wir hatten damals einen Asien-Austausch und natürlich besprochen, wie man sich in dem entsprechenden Land verhält, was als unhöflich angesehen wird usw.

Und wenn man in einer ganzen Wochen auch 2 Stunden für sowas nutzt, inwiefern stellt man das dann über den ganzen Sprachunterricht?

Wir hatten bspw. vor Jahren – nicht in der Schule – einen Mitarbeiter aus dem Iran. Der hatte massive Probleme damit, sich etwas von Frauen erklären zu lassen, ihnen die Hand zu geben oder anfangs ihnen auch nur ins Gesicht zu schauen. Dass das alles “normal” für uns ist und auch für ihn sein darf, mussten wir ihm erst vermitteln und über die Jahre hat er sich gut eingefunden. Aber natürlich ist das schwierig und sollte das auch thematisiert werden.

unverzagte
11 Monate zuvor
Antwortet  Sepp

Ihren Beitrag kann ich weitgehend nachvollziehen: Selbstverständlich lebt und gedeiht der Austausch über Normen und Werte auf internationaler Ebene auch in Schulen. Steht längst in Lehrplänen, wird vermutlich noch länger genauso thematisiert und fächerübergreifend praktiziert.
Dementsprechend verweist so ein uralter Hut weniger auf eine neue Idee sondern vielmehr auf auf eindrucksvolle Ignoranz AUCH gegenüber allen Lehrenden.
Unverantwortlich perfide ist, dass für diesen fragwürdigen Vorschlag ausgerechnet der mehr als notwendige Sprachunterricht gestrichen werden soll…fragen Sie doch bitte Ihre Deutschkolleg*innen insbesondere DAZ Unterrichtende, ob und welche Sinnentnahme möglich wäre.

Lisa
1 Jahr zuvor

Ich finde staatsbürgerlichen und landeskundlichen Unterricht nicht diskriminierend, sondern hilfreich. Auch für Erwachsene übrigens, denen erklärt kaum einer etwas systematisch.

unverzagte
1 Jahr zuvor
Antwortet  Lisa

Solange dieser Unterricht nicht ausschließlich Migranten und Geflüchteten mit wenig oder keinen Sprachkenntnissen vorbehalten ist, wäre er vermutlich hilfreich.

J. Mueller
1 Jahr zuvor

Meine Erfahrung mit einer Privatschule, die fast ausschließlich von “Menschen ohne Migrationshintergrund” (sagt man das heute so?) besucht wird.
Im Schnitt fünf so verhaltensauffällige Kinder pro Klasse, dass kein Unterricht möglich ist wie noch zu meiner Schulzeit. Nach außen hin wird heile Lernwelt gespielt.
Wertschätzung und Respekt lassen sich auch hier nicht anordnen. Vielmehr spiegeln sich die Machtverhältnisse der Außenwelt im Mikrokosmos dieser Schule wider.

Nick
1 Jahr zuvor
Antwortet  J. Mueller

Meine Erfahrungen mit einer Privatschule sehen anders aus. Die Schülerschaft ist international, ebenso die Elternschaft. Es gibt viele finanzstarke Eltern mit “Migrationshintergrund” welche ihren Kindern den Besuch ermöglichen können.

Maja
1 Jahr zuvor

Die GEW hat meiner Beobachtung nach Einseitigkeit im Werteunterricht nie verurteilt, wenn er von linksgrüner Seite kam. Den leisesten Schwenk zu mehr Konservativismus stellt sie indessen als “kontraproduktiv und diskriminierend” dar.
Anscheinend stößt sie sich keineswegs an Einseitigkeit, sondern nur an der Schwächung oder Störung ihres angestammten Einseitigkeitskurses.