Warum das Schulmassaker von Örebro hierzulande kaum jemanden interessiert

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DÜSSELDORF. Alltagsrassismus ist in Deutschland weiterverbreitet, als viele meinen – transportiert auch von uns, den Medien. Neuester Beleg dafür: die Berichterstattung über das Schulmassaker von Örebro, genauer: die kaum stattfindende Berichterstattung. Ein Kommentar von News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek.

“Das Muster ist leider allzu bekannt”: News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek. Foto: Tina Umlauf

War da was? Vor gut einer Woche erschoss ein Angreifer in einer Erwachsenen-Schule im schwedischen Örebro zehn Menschen (News4teachers berichtete), darunter eine Mathematiklehrerin – aktuelle Berichte in deutschen Medien darüber muss ich mir aber mühsam zusammensuchen.

Gestern kam der „Spiegel“ dann doch mal mit der Meldung, dass ein rassistischer Hintergrund vermutet wird. Offenbar hat der Täter gezielt Jagd auf Migranten gemacht. Jetzt beginnt in Schweden eine (leise) Diskussion darüber, ob die auch dort grassierende Fremdenfeindlichkeit womöglich ein Problem darstellt.

Man stelle sich vor, die Tat hätte einen offensichtlich islamistischen Hintergrund gehabt: Die deutschen Gazetten wären tagelang voll mit Hintergrundberichten gewesen. Das Muster ist leider allzu bekannt. Während Gewalttaten von Migranten die deutsche Öffentlichkeit in Wallung und die Politik in sich überbietenden Aktionismus bringen (Aschaffenburg), werden Gewalttaten gegen Migranten gerade mal achselzuckend hingenommen.

Der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg wurde schnell als „Zäsur in der Geschichte unseres Landes” (Haseloff) gewertet, in den daraus abgeleiteten Konsequenzen spielte allerdings der rechtsextreme Hintergrund des Täters – anders als seine ausländische Herkunft – keine Rolle mehr; seitdem fordert die Union Grenzschließungen. Nach Hanau zum Beispiel (neun Todesopfer, alle mit Migrationshintergrund) nichts dergleichen. Die deutsche Öffentlichkeit interessierte das Thema kaum. Wenige Tage später wurde damals Karneval gefeiert, als wäre nichts geschehen. Bis heute wird nicht wahrgenommen, wie sehr dieser Anschlag die migrantische Community in Deutschland verunsichert – noch immer.

Will sagen: Auch so zeigt sich der verbreitete Alltagsrassismus in Deutschland – Muslime/Migranten sind als Täter hochwillkommen, als Opfer uninteressant. Die in Örebro getötete, kurdischstämmige Mathematiklehrerin hat in den Medien wohl auch deshalb bislang nur einen Vornamen: Aziza. News4teachers

Deutschland hat ein Rassismus-Problem (auch in den Schulen) – und das nicht erst seit gestern. Ein Kommentar

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Walter Hasenbrot
7 Monate zuvor

Leider wahr.

Besseranonym
7 Monate zuvor
Antwortet  Walter Hasenbrot

Leider wirklich wahr.
Erstmal danke H. Priboschek – für die prägnante Darstellung der beinahe inexistenten oder eben häufig einseitigen Medienaktivität, wenn es um Alltagsrassismus geht.
Vielleicht liegt es aber auch daran , dass Ottonormalverbraucher-Rezensient sich auf hippe Mainstream-Medien reduziert. Es gäbe schon auch anderes, das sich sogar gut liest und solide recherchiert ist, aber eben nicht den Verbreitungsgrad hat. Ein Beispiel

https://blog.campact.de/2025/02/afd-demokratische-partei-wahl/

Ein Lichtblick: Es waren bei mir Schüler, die mittels KI-einsatz zum Thema Wahl in der Quellenangabe auf obiges Beispiel gestoßen sind und meinten: der Blog bringt was – und sogar weiterschmökerten.

DerechteNorden
7 Monate zuvor

Liegt derzeit nicht im Trend. War ein blonder Schwede, kein Deutscher. Von daher nicht berichtenswert, da damit keine Quote zu machen ist.

Kami Kuroi
7 Monate zuvor

Muss der Aussage dieses Beitrages leider auch zustimmen. Glaube aber, dass die Medien dies durch ihre Art der Berichterstattung noch verstärken.

Nach dem Vorfall in Aschaffenburg hab ich mir die Frage gestellt, warum sich medial so sehr auf den Täter festgelegt wurde.
Hätte man nicht auch den Fokus auf die Person legen können, welche scheinbar mutig dazwischen ging und damit eventuell viele Menschenleben rettete. (Thematik der Zivilcourage) oder auch den Fokus auf das rasante Eintreffen und Handeln der Polizei, welche trotz Personalmangels in weniger als 5 Minuten vor Ort war?

Dann wären glaube auch einige politischen Folgeentscheidungen anders ausgegangen.
Kann mir nicht vorstellen, dass es nie schlimme Vorfälle mit “deutschen” Tätern gibt. Wird aber viel seltener berichtet, scheint leider weniger von Interesse zu sein.
Ich hoffe unsere Medien wissen, welchen Einfluss die Art der Berichtserstattung hat und die Leser und Leserinnen schauen über den Tellerrand hinaus.

potschemutschka
7 Monate zuvor
Antwortet  Kami Kuroi

“Ich hoffe unsere Medien wissen, welchen Einfluss die Art der Berichtserstattung hat …”
Ich gehe davon aus, dass die Medien das wissen!

AvL
7 Monate zuvor
Antwortet  potschemutschka

Die Medien, darunter auch die Berliner Zeitung,
sind im Besitz einiger weniger Besitzer, die ihre
ureigenen Ansichten zu transportieren wissen wollen.

potschemutschka
7 Monate zuvor
Antwortet  AvL

Sag ich doch!

Mary-Ellen
7 Monate zuvor
Antwortet  Kami Kuroi

Mein Sohn arbeitet als Redakteur bei der Lokalzeitung unserer Stadt.
Ich hatte vorhin beim Käffchen mit ihm ein Gespräch über die Verengung der Wahldebatten auf die Migrationsthematik.
Auch er sieht eine nicht unerhebliche Mitschuld diverser Medien an dem zunehmenden Alltagsrassismus in unserem Land!

Walter Hasenbrot
7 Monate zuvor
Antwortet  Kami Kuroi

Man hätte auch den Fokus auf das Opfer legen können, das marokkanischen Herkunft war.

Caro
7 Monate zuvor

Das war mir zwar auch aufgefallen, aber ich hätte die Ursache anderswo verortet:
In Magdeburg und Aschaffenburg waren kleine Kinder unter den Opfern. In Aschaffenburg war die Kindergruppe sogar faktisch Ziel des Anschlags. Das schlägt generell deutlich höhere Wellen, während eine getötete Lehrkraft in keiner Form als Clicbait dient.

Walter Hasenbrot
7 Monate zuvor
Antwortet  Caro

Das Opfer war aber marokkanischen Herkunft, was in der Berichterstattung aber kaum eine Rolle spielte.

Lisa
7 Monate zuvor

Ich hatte es so empfunden, dass es erst hieß ” Oh, Kinder, eine Schule!” und dann, als herauskam, dass es um Erwachsene ging, war es kaum mehr Notiz in den Nachrichten.

Indra Rupp
7 Monate zuvor

Mir war aufgefallen, dass die beiden Artikel hier zu Örebro Null Kommentare hatten. Da war mein erster Gedanke auch, dass das anders wäre, wenn ein Migrant der Täter wäre. Das eine Lehrerin unter den Opfern ist, hatte ich noch gar nicht mitbekommen. Auch das wird hier normalerweise sofort kommentiert. Könnte also auch eine Rolle spielen, dass sie Migrantin war.
Ja, das sind unbewusste Vorgänge, die oft viel sagen und zeigen, zumal man sich ja nicht abspricht bezüglich kommentieren, kommt dann ein “ehrliches” Ergebnis heraus. Habe dann aber auch keinen Sinn darin gesehen, nur aus Prinzip einen Kommentar zu schreiben, wegen der Null Kommentare.

Realist
7 Monate zuvor

Es interessiert niemanden in den LEITmedien, weil man dann eingestehen müsste, dass Schule keine heile Welt mehr ist und man tatsächlich etwas tun müsste…

unfassbar
7 Monate zuvor
Antwortet  Realist

… was der politischen Ausrichtung der LEITmedien zumindest noch widerspricht.

Karl Heinz
7 Monate zuvor

Ähnliches ging bereits auf WhatsApp viral
Und sorgte bei den üblichen Leuten für Empörung und Schnappamtmung.

Das hängt m.E. mit einer politischen Kultur zusammen, wie der Franzose Baudrillard es beschrieb:
Politische Willensbildung spielt keine Rolle mehr.
Stattdessen gilt es Angst und andere Emotionen zu schüren, die Menschen gegeneinander aufbringen.
Teile und herrsche.