Kinderschwund: GEW warnt vor Teufelskreis, wenn deshalb bei Bildung gespart wird

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ERFURT. Geburtenknick, leere Kita-Plätze, sinkende Einschulungszahlen: Der demografische Wandel macht sich zunehmend im Bildungssystem bemerkbar. Die GEW fordert, Bildungspolitik neu zu denken – und warnt vor einem Teufelskreis aus Kita- und Schulschließungen, Personalabbau und wachsender Perspektivlosigkeit ganzer Regionen.

Wo, bitteschön, geht’s heraus aus dem Teufelskreis? Foto: Shutterstock

In Deutschland sind zu Beginn des Schuljahres 2025/26 erneut weniger Kinder eingeschult worden. Nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamts sank die Zahl der Erstklässler um 2,2 Prozent auf rund 811.500. Schon im Vorjahr war die Zahl gesunken – zum ersten Mal seit 2015. Das Bundesamt führt den Rückgang auf die geburtenschwachen Jahrgänge von 2019 zurück – und darauf, dass der vorübergehende Zuwanderungseffekt, insbesondere durch Kinder aus der Ukraine, nachlässt.

Ostdeutschland besonders betroffen

In den ostdeutschen Ländern zeigt sich der Trend besonders deutlich: Thüringen verzeichnet laut Bundesamt einen Rückgang um 5,5 Prozent, in Sachsen-Anhalt sind es minus 5,6 Prozent, in Berlin minus 4,2 Prozent. Nur in Bremen stieg die Zahl der Einschulungen leicht um 0,6 Prozent. Den stärksten Rückgang meldet das Saarland mit minus 8,5 Prozent.

Gleichzeitig bestätigt die Kultusministerkonferenz (KMK) in ihrer jüngsten Prognose: Die Schülerzahlen in Ostdeutschland erreichen ihren Höhepunkt bereits im kommenden Jahr und damit deutlich früher als im Westen – und sinken danach drastisch. In Thüringen etwa wird der Höchststand 2025/26 mit rund 261.000 Schülerinnen und Schülern erreicht; bis 2040 dürfte die Zahl auf 219.000 fallen.

KMK-Präsidentin Simone Oldenburg (Linke) warnte: „Die Bedarfe verändern sich – mal in der Grundschule, mal in der Sekundarstufe. Auf der Grundlage verlässlicher Daten brauchen wir kluge Steuerung und Flexibilität. Wir müssen heute die Weichen stellen – mit ausreichend Lehrkräften, moderner Infrastruktur und digitaler Ausstattung.“

GEW fordert radikales Umdenken

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Thüringen sieht den Freistaat – und andere Länder mit ähnlicher Struktur – vor massiven Herausforderungen. „Die Entscheidungen darüber, welche Bildungseinrichtungen Thüringen vorhalten wird, ist auch eine Entscheidung darüber, ob Thüringen zukunftsfähig bleiben kann oder nicht“, sagt die Landesvorsitzende Kathrin Vitzthum.

In einem Positionspapier mit dem Titel „Thüringer Bildungslandschaft 2035“ fordert die GEW, den Freistaat zu einem Musterbeispiel für den Umgang mit dem demografischen Wandel zu machen. „Es wäre klug, aus Thüringen eine Modellregion zu machen, in der es gelingt, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern, ohne die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen“, heißt es darin.

Die GEW warnt: Wenn die demografische Rendite – also der temporäre Überschuss an finanziellen Ressourcen durch sinkende Schülerzahlen – nicht für Investitionen in Qualität und Personal genutzt wird, drohe ein gefährlicher Abwärtssog. „Wenn Familien in einer Region keine Betreuungsmöglichkeiten oder Schulen vorfinden, werden sie weggehen – und andere sich nicht ansiedeln“, warnt Vitzthum. „Das ist ein Teufelskreis, den wir stoppen müssen.“

Zukunftswerkstätten und kleinere Klassen statt Schulabbau

Die Gewerkschaft schlägt vor, in Zukunftswerkstätten gemeinsam mit Eltern, Kommunen, Gewerkschaften und Bildungsträgern tragfähige Modelle zu entwickeln. Ziel sei es, Schulstandorte zu sichern und gleichzeitig neue Qualitätsstandards zu schaffen – etwa durch kleinere Klassen, multiprofessionelle Teams oder den Ausbau des Ganztags.

Vitzthum: „Wir brauchen eine Idee dafür, wie Thüringen in zehn Jahren aussehen soll – und zwar über Schulnetzpläne hinaus.“

Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) begrüßt den Vorstoß der GEW. „Eine langfristige und ganzheitliche Sicht ist entscheidend für ein zukunftsfestes und modernes Bildungssystem in Thüringen“, sagt er. Mitwirkung sei ausdrücklich willkommen: „Es gilt, Betroffene zu Beteiligten zu machen, um gemeinsam tragfähige Lösungen zu entwickeln.“

Gleichzeitig räumt Voigt ein, dass konkrete Antworten auf die demografischen Herausforderungen „zu lange liegengeblieben“ seien. „Wir packen diese Dinge jetzt an.“ News4teachers / mit Material der dpa

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