Experte: Schlechte Akustik kann Lernerfolg verhindern

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MÜNCHEN. Die Lautstärke in Klassenzimmern wirkt sich auf die Leistungen und das Wohlbefinden der Lehrer und Schüler aus, sagt Akustik-Experte Carsten Ruhe. In Deutschland würde man im Gegensatz zu etwa Skandinavien viel zu wenig darauf achten.

Die Klassenzimmer in deutschen Schulen sind nach Ansicht des Akustik-Experten Carsten Ruhe viel zu laut. «Nur 20 bis 25 Prozent der Räume sind akustisch in Ordnung», sagte Ruhe vom Deutschen Schwerhörigenbund. In vielen Räumen gebe es einen viel zu großen Hall, der Störgeräusche verstärke. Dadurch würden auch die Schüler immer lauter und so schaukle sich das hoch. Der Ingenieur, der beim Schwerhörigenbund das Referat für barrierefreies Bauen leitet, war zur Diskussionsveranstaltung «Forum Sound Education» nach München gekommen, um gemeinsam mit anderen Experten über die akustischen Probleme in Schulen zu sprechen.

In einem durchschnittlichen Klassenzimmer herrscht nach Angaben der Veranstalter des Forums eine Lautstärke von 65 Dezibel. Kindergärten sind nach Informationen Ruhes sogar noch lauter. Mancherorts herrsche eine Lautstärke von bis zu 80 Dezibel. Zum Vergleich: Ein anfahrender Lastwagen verursacht 85 Dezibel.

Oft stehe die Optik bei Klassenzimmern eher im Vordergrund als die Akustik, bemängelt der Schwerhörigenbund. (Foto: Thomas Favre-Bulle/Flickr CC BY-NC 2.0)
Oft stehe die Optik bei Klassenzimmern eher im Vordergrund als die Akustik, bemängelt der Schwerhörigenbund. (Foto: Thomas Favre-Bulle/Flickr CC BY-NC 2.0)

Die Lautstärke hat nach Ansicht des Ingenieurs große Auswirkungen auf den Lernerfolg der Schüler. «Wenn die Kinder nicht verstehen können, was gesprochen wird, dann kann das Diktat nicht richtig geschrieben werden», sagte er und stellte die guten Pisa-Ergebnisse skandinavischer Länder auch in einen Zusammenhang mit der Akustik in den dortigen Schulen. «In Finnland sind sie akustisch wesentlich besser.»

Bis zu 4000 Euro koste es, ein Klassenzimmer so auszustatten, dass alle so gut wie möglich hören können. Dafür seien eine absorbierende Decke, eine dämmende Rückwand und ein Teppichboden nötig. Bei Neubauten oder Sanierungen stehe der akustische Aspekt aber selten im Vordergrund, kritisierte Ruhe – und das, obwohl es seit 2004 entsprechende Vorschriften gebe. «Da wird in vielen Fällen das Geld nicht für diese Dinge ausgegeben», bemängelte Ruhe, der selbst Inhaber eines Beratungsbüros für Akustik ist und an verschiedenen Schulbau-Projekten beteiligt war. In den meisten Fällen gelte: «Sieht gut aus, aber hört sich schlecht an.»

Dabei seien akustisch gut ausgestaltete Klassen nicht nur für die Schüler wichtig. «Bei uns in Norddeutschland liegt die typische Pensionierungsgrenze von Lehrern bei 57 oder 58 Jahren, weil die dann einfach völlig ausgepowert sind», sagte Ruhe. Daran sei auch die Lautstärke in den Klassenzimmern schuld. «Da werden Stresshormone ausgeschüttet. Was meinen Sie, wie das auf die Stimme geht.» Britta Schultejans/dpa

(19.11.2012)

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