Realschulrektoren befürchten den Tod ihrer Schulform in 10 Jahren

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STUTTGART. Egal in welches Bundesland man blickt, das Schulsystem entwickelt sich immer mehr in Richtung Zweigliedrigkeit. Das bedeutet für die vielerorts noch gut funktionierenden Realschulen nichts Gutes, befürchten ihre Rektoren.

Die klassischen Realschulen im Südwesten werden nach Ansicht ihrer Rektoren in zehn Jahren von der Bildfläche verschwunden sein. Die Schulleiter seien so realistisch zu sehen, dass von den hergebrachten Schularten auf Dauer nur das Gymnasium bestehen bleibe, sagte der Vorsitzende der Realschulrektoren-AG (AG RR), Eberhard Schweizer. Er forderte eine veränderte Gemeinschaftsschule, in die die Besonderheiten der Realschule einfließen müssten.

«Wir sind de facto schon Gemeinschaftsschule», sagte Schweizer. Denn bereits jetzt sei die Schülerschaft sehr unterschiedlich und benötige mehr Ressourcen für individuelle Förderung. An einzelnen Realschulen hätten 60 Prozent der Schüler eine Gymnasialempfehlung.

Nichts mehr los: Die Realschule wird aussterben, befürchten ihre Lehrer. (Foto: Thomas Favre-Bulle/Flickr CC BY-NC 2.0)
Nichts mehr los: Die Realschule wird aussterben, befürchten ihre Lehrer. (Foto: Thomas Favre-Bulle/Flickr CC BY-NC 2.0)

Andererseits nähmen die Realschulen sowohl viele Schüler aus den Haupt- und Werkrealschulen als auch am Gymnasium überforderte Jugendliche auf. Derzeit gibt es nach Angaben des Statistischen Landesamtes rund 429 öffentliche und 65 private Realschulen zwischen Main und Bodensee.

«Wir wollen mitgestalten, statt verwaltet zu werden», beschrieb der pensionierte Leiter einer Realschule die Haltung der rund 350 Mitglieder seiner Arbeitsgemeinschaft. Am kommenden Dienstag treffen sich die Rektoren zu ihrer Jahrestagung in Filderstadt (Kreis Esslingen). Schweizer zeigte sich erfreut, dass Kultusministerin Gabriele Warminksi-Leitheußer (SPD) nach ursprünglicher Absage als Rednerin zu dem Termin erscheine.
Dagegen hat der Realschullehrerverband Grün-Rot den Kampf angesagt. Die Realschule zugunsten der noch unerprobten Gemeinschaftsschule abzuschaffen, sei Wahlbetrug, kritisierte die Organisation der Pädagogen jüngst.

Als Vorteil des Gemeinschaftsschulkonzeptes nannte Schweizer vor allem den geringeren Klassenteiler von 28 (Realschule: 30). Außerdem erhalten die Schulen mehre Deputate, auch für die Teilnahme behinderter Kinder am Unterricht, und können bei entsprechender Schülerzahl das Abitur anbieten. Allerdings bezweifele er, dass eine solche Ausstattung flächendeckend zu finanzieren sei, meinte der Mathematiker mit Blick auf den Schuldenberg des Landes.

Kritisch sieht der 63-Jährige den für die Gemeinschaftsschule erforderlichen verpflichtenden Ganztagsunterricht. «Viele Eltern haben die Realschule für ihre Kinder gewählt, damit ein Zeitfenster für Hobbys und Engagement in Vereinen erhalten bleibt.» Bereits jetzt gelinge auch an Realschulen der rhythmisierte Unterricht, bei dem Phasen der An- und der Entspannung einander abwechseln.

Auch müssten die für die Realschulen charakteristischen Fächerverbünde wie Erdkunde, Wirtschaft Gemeinschaftskunde (EWG) sowie die Wahlpflichtfächer Französisch, Werken und Hauswirtschaft in Klasse 7 erhalten bleiben, forderte Schweizer. Das Gleiche gelte für die Berufsorientierung durch mehrere Praktika. «Mit all dem haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Auch die praktischen Begabungen der Schüler dürfen nicht unter den Tisch fallen.» Die Wirtschaft schätze die Absolventen des Mittleren Abschluss sehr.

Um den Weg zur Gemeinschaftsschule zu erleichtern, müsste das Kultusministerium Verbundschulen als «Trittsteine» ermöglichen, sagte Schweizer. So könnten Realschulen mit Gemeinschaftsschulen oder Realschulen mit Haupt- und Werkrealschulen unter einem organisatorischen Dach kooperieren. dpa

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