Der Wiener Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier hat eine systematische Verdummung der heranwachsenden Generation beklagt. Ursache sei ein Verschwinden der humanistischen Wertevermittlung im Bildungssystem und eine Gesellschaft, in der nur noch ökonomische Erfolge zählten, sagte Heinzlmaier am Freitag bei der Vorstellung einer Streitschrift in Berlin. «Wir erziehen keine selbstkritischen, demokratiefähigen Menschen mehr». Statt Bildung gebe es nur noch Ausbildung, damit die Menschen im Betrieb funktionierten. Heinzlmaier ist Mitgründer des Instituts für Jugendkulturforschung in Wien. In Hamburg leitet er das Marktforschungsunternehmen tfactory.
Als Beleg für seine Thesen führte der Forscher unter anderem die Pisa-Studien der Wirtschaftsorganisation OECD an, in denen Schulleistungen untersucht werden. Deren Gradmesser für Schulerfolg ordneten das Bildungs- dem Wirtschaftssystem unter. Priorität habe technisches und naturwissenschaftliches Wissen. Human- und Geisteswissenschaften würden zurückgedrängt.
Im Kreuzberger Archiv der Jugendkulturen stellte Heinzlmaier sein Buch «Performer, Styler, Egoisten. Über eine Jugend, der die Alten die Ideale abgewöhnt haben» vor. Es fasst nach seinen Worten die Ergebnisse aus über zehn Jahren Forschungsarbeit in Deutschland und Österreich zusammen. In diversen repräsentativen Studien hatten Heinzlmaier und sein Team Tausende Heranwachsende zu ihren politischen Einstellungen und Idealen befragt. In Österreich wird über die Streitschrift seit einigen Wochen hitzig debattiert, die erste Auflage ist laut Verlag vergriffen.
Kritiker werfen Heinzlmaier eine zu negative, einseitige Sicht vor. Bei der Buchvorstellung verwies eine Zuhörerin etwa auf die abertausenden Menschen, die sich in Vereinen, Hilfsorganisationen und anderen gesellschaftlichen Gruppen für ein sozialeres Miteinander engagierten. dpa