Institut für Weltwirtschaft wird 100 – „Wirtschaft ohne Ethik muss scheitern“

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KIEL. Globales Flair im Kieler Rathaus: Das Institut für Weltwirtschaft ist 100 Jahre alt. Präsident Snower rückt mehr den Menschen mit seinen Handlungsmotiven in den Fokus der Forschung. Ministerpräsident Albig kann sich einen Seitenhieb in Richtung Berlin nicht verkneifen.

Im Zeichen der Globalisierung und neuer Forschungsstrategien hat das Kieler Institut für Weltwirtschaft IfW sein 100-jähriges Bestehen gefeiert. Präsident Dennis Snower sprach am Samstag von einem «historisch bedeutenden Wendepunkt». «Die Globalisierung verändert die Weltwirtschaft in einem derart rasanten Tempo, dass die Akzeptanz der Folgen bei Bürgern zu schwinden droht.» Darauf müsse die Wissenschaft reagieren. Zu der Feier im Kieler Rathaus schickten EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Videogrüße.

Das Institut für Weltwirtschaft gehört zu den international renomiertesten deutschen Wirtschaftsforschungsinstituten. (Foto:PR)
Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel gehört zu den international renommiertesten deutschen Wirtschaftsforschungsinstituten. (Foto:PR)

Nach der jüngsten großen Wirtschaftskrise stünden die Wirtschaftswissenschaften in der Kritik, führte Snower aus. «Neue Einsichten sind erforderlich, um solche Krisen zukünftig besser zu verstehen und durch gute Beratung zu gestalten.»

Der Zusammenhang zwischen materiellem Wohlstand und persönlichem Wohlbefinden werde zunehmend infrage gestellt, sagte Snower. Steigendes Einkommen der Bevölkerung insgesamt führe langfristig nicht dazu, dass die Menschen bedeutend glücklicher werden. Dennoch strebten sie weiter nach materiellem Reichtum: Aus Gewohnheit und weil es jeder so mache. Zudem überschätzten sie systematisch die Annehmlichkeiten, die sie aufgrund materiellen Reichtums gewinnen würden.

Solche Erkenntnisse erforderten eine Neuorientierung in der Wissenschaft, sagte Snower. Das menschliche Wohlbefinden rücke zunehmend in das Zentrum der Forschung am IfW. Dies verlange mehr interdisziplinäre Forschung, die an den Schnittpunkten der traditionellen Ökonomie mit Disziplinen wie Psychologie, Soziologie, Anthropologie und diversen Naturwissenschaften liege. Die Lehre aus der «dunklen Zeit» des Instituts von 1933 bis 1945 sei, dass Forschung ohne ethisches Fundament scheitern müsse, sagte Snower.

Unter den rund 300 Gästen war auch der frühere Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet. Er schlug in seiner Rede vor, für Krisenländer auf EU-Ebene in bestimmten Fällen einen ökonomischen und fiskalischen Bund zu schließen.

Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) lobte in seiner Rede das Institut. Es stehe an der Spitze der ökonomischen Forschung und sei für Schleswig-Holstein ein echter Standortfaktor. Das IfW wurde am 20. Februar 1914 als Königliches Institut für Seeverkehr und Weltwirtschaft gegründet. Präsident ist seit zehn Jahren der Amerikaner Snower.

Albig sagte in Richtung Berlin: «Wie stark muss es in Deutschland um die weltwirtschaftliche Forschung stehen, dass wir es uns leisten können, dass ein internationales Top-Ten-Institut wie unseres keinen Platz in der Gemeinschaftsprognose für die Bundesregierung hat?». Die Kieler waren dort im vorigen Jahr ausgeschieden, weil ein anderes Institut billiger war. Das Institut gestalte Politik beratend mit und sei gut aufgestellt für sein zweites Jahrhundert, sagte Albig.

EU-Kommissionspräsident Barroso und Bundesfinanzminister Schäuble lobten per Videogruß die internationale Ausstrahlung des Institus. «Sie sind der Bundesregierung immer auch ein wichtiger Ratgeber gewesen», sagte Schäuble.

Aushängeschilder des IfW sind der seit 2005 jährlich vergebene Weltwirtschaftliche Preis für herausragende Politiker, Ökonomen und Unternehmer sowie das Global Economic Symposium (GES). Es vereint abwechselnd in Schleswig-Holstein und Metropolen wie Istanbul, Rio de Janeiro oder Kuala Lumpur Vordenker und Praktiker aus aller Welt. Trichet erhielt 2011 den Weltwirtschaftlichen Preis. dpa

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