Protest gegen Orbáns rigide Bildungspolitik: Lehrer legen Arbeit nieder – und tragen Karo

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DÜSSELDORF. Nach mehreren kleineren Lehrerprotesten seit Anfang des Jahres hat die Lehrergewerkschaft in Ungarn zum Streik aufgerufen. In der vergangenen Woche legten Lehrkräfte dem Aufruf folgend ihre Arbeit nieder, um gegen die Bildungspolitik der rechtskonservativen Regierung Viktor Orbáns zu demonstrieren.

Unterstützung erhielten sie dabei nach Informationen der österreichischen Presseagentur vom ungarischen Gewerkschaftsverband sowie einigen Teilgewerkschaften. Um zwölf Uhr am vergangenen Mittwoch sollte als Zeichen der Solidarität für fünf Minuten ganz Ungarn innehalten, so der Wunsch der Gewerkschaft der Pädagogen. Tatsächlich gab es zahlreiche Solidaritätsbekundungen – etwa von Taxifahrern. Sie veranstalteten vor dem Bildungsministerium in der Hauptstadt Budapest ein lautes Hupkonzert.

Ist seit 2010 Ministerpräsident von Ungarn: Viktor orban. (Foto: European People's Party/CC BY 2.0//commons.wikimedia)
Ist seit 2010 Ministerpräsident von Ungarn: Viktor Orbán. (Foto: European People’s Party/CC BY 2.0//commons.wikimedia)

Der Frust der Lehrer richtet sich gegen die Änderungen am Bildungssystem, die die Regierung in den vergangenen Jahren unter Ministerpräsident Orbán durchgesetzt hat. Waren früher die Kommunen für die Schulen zuständig, die wiederum Freiheiten besaßen, wie sie ihren Unterricht ausgestalten wollten, liegen diese Verantwortlichkeiten nun bei dem von der Regierung gegründeten Klebelsberg-Zentrum. Die nach einem ungarischen Bildungspolitiker der Zwischenkriegszeit benannte Institution beaufsichtigt alle staatlichen Schulen und damit auch die rund 120.000 Lehrer, so die Nachrichtenwebsite Spiegel Online. Das Klebelsberg-Zentrum bestimmt die Lehrpläne, entscheidet über Unterrichtsmaterial, Personalfragen und Anschaffungen.

Die Lehrer in Ungarn wünschen sich jedoch wieder weniger Bürokratie und die Freiheit der Lehre zurück. Sie wollen die Schulbücher wie früher selbst auswählen können, aber auch weniger Unterrichtsstunden für sich und ihre Schüler. Aus Sicht von Olivér Pilz, Gymnasiallehrer in der nordöstlichen Stadt Miskolc, erdrückt eine überbürokratisierte, zentralisierte Struktur das ungarische Bildungswesen, berichtet Spiegel Online und zitiert ihn mit den Worten: „Den Kindern damit freies Denken beizubringen, ist unmöglich.“

Brandbrief als Auslöser
Pilz und seine Kollegen unterstützen die Proteste nicht nur, nach Informationen von Spiegel Online haben sie sie quasi ausgelöst: mit ihrem Brandbrief, den sie im Januar veröffentlicht haben. Drei Monate hatten sie zuvor auf eine Antwort des Schulinspektors und des Staatssekretariats für Bildung gewartet, die ursprünglichen Adressaten des Briefs. Nach der Veröffentlichung erhielt die Schule breite Unterstützung in Ungarn, wie der ARD-Hörfunk-Korrespondent in Wien berichtet. 700 Einrichtungen haben seinem Beitrag zufolge den Protestbrief aus Miskolc unterzeichnet, rund 30.000 Lehrer und Eltern. Selbst Anhänger der Regierungspartei solidarisieren sich demnach mit den Lehrern. News4Teachers

Protest im Karohemd
Nachdem ein ehemaliger Bildungspolitiker Pädagogen als unrasierte, ungekämmte und Karohemd tragende Lehrerschaft beleidigt hatte, hat sich das Karohemd als Symbol des Widerstands gegen die Bildungspolitik der Regierung Orbán etabliert.
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