Dicke Luft im Klassenzimmer – Forscher für häufigeres Lüften

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STUTTGART. Eine Unterrichtsstunde versammelt in der Regel rund 20 bis 30 Menschen für 45 Minuten in einem Raum. Kaum verwunderlich, dass danach oft buchstäblich die Luft „steht“. Der Konzentration- und Merkfähigkeit der Schüler ist dies nicht eben zuträglich. Ein gesundes und leistungsförderndes Raumklima sollte daher ein selbstverständliches Ziel bei der Planung von Schulbauten sein. Um die Belüftung der meisten deutschen Schulbauten steht es allerdings nicht zum Besten, wie jetzt Forscher des Fraunhofer Instituts für Bauphysik in einer Sekundärstudie ermittelt haben.

Kinder verbringen einen Großteil ihrer Zeit in Klassen- und Lehrräumen. Rund elf Millionen Schüler werden im Schuljahr 2015/2016 an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen in Deutschland unterrichtet. Ausreichende Belüftung und angemessene Raumtemperaturen sollten da eine Selbstverständlichkeit sein. Doch bei weitem nicht alle Schulen können ihren Pfleglingen ein gesundheits- und lernförderliches Raumklima bieten. Untersuchungen aus 200 Publikationen von 1965 bis 2015 hat jetzt das Fraunhofer Institut ausgewertet.

Tageslichtversorgung und Frischluftzufuhr sind wichtig für die Leistungsfähigkeit, doch oft steht es im Klassenzimmer damit nicht zum Besten. Foto: Ralph-Thomas Kühnle / Pixelio
Tageslichtversorgung und Frischluftzufuhr sind wichtig für die Leistungsfähigkeit, doch oft steht es im Klassenzimmer damit nicht zum Besten. Foto: Ralph-Thomas Kühnle / Pixelio

Dabei fanden sich häufig mangelnde Lüftungsraten mit daraus resultierendem zu hohem CO2-Gehalt ebenso wie zu hohe Raumtemperaturen im Sommer. Nicht selten seien CO2- Konzentrationen von über 2000 ppm (parts per million, zu Deutsch »Teile von einer Million« oder Millionstel) anzutreffen gewesen. Für einen längeren Aufenthalt seien solche Räume nicht mehr empfehlenswert. In einigen Untersuchungen hätten die Forscher gar Werte von bis zu 6000 ppm gemessen.

Insgesamt sei die wissenschaftliche Literatur zum Thema »CO2-Konzentration und Lernverhalten« aus Sicht der Fraunhofer-Wissenschaftler spärlich. Gerade mal fünf substanzielle Publikationen konnten sie bei ihrer Literatursuche dazu finden. Aus ihnen lies sich allerdings einheitlich folgern, dass Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit der Studienteilnehmer mit abnehmendem CO2-Gehalt in der Raumluft zunahm.

Auch die sieben Originalstudien die sich explizit mit der Untersuchung verschiedener Lüftungsraten beschäftigten seien zu ähnlichen Ergebnissen gelangt. Grundsätzlich kamen die Studienbetreiber zu dem Schluss, dass die Arbeitsgeschwindigkeit mit zunehmender (sauberer) Frischluftmenge im Raum um bis zu 15 Prozent steigen kann.

Andere Studien hätten darüber hinaus gezeigt, dass die Abwesenheitsrate von Schülern und Studierenden bei schlechter Luft wuchs und demnach Fehlzeiten mit der CO2-Konzentration im Lehrraum korreliert.

Dass auch das Tageslicht das Lern- und Arbeitsverhalten beeinflusst, bestätigen ebenfalls mehrere Studien. Zusammenfassend lasse sich feststellen: Je mehr Tageslicht ins Klassenzimmer fällt, umso höher auch die Leistungsfähigkeit der Nutzer ist. In den untersuchten Räumen mit dem größten Tageslichtanteil waren beispielsweise die Schüler um sieben bis 18 Prozent leistungsfähiger als in den Räumen mit dem niedrigsten Tageslichteinfall.

Angesichts der Ergebnisse ihrer Recherche kommen die Wissenschaftler zu einigen, teilweise weitreichenden Empfehlungen: Im Idealfall sollte grundsätzlich mehr gelüftet werden. Nur zwischen jeder Unterrichtseinheit von 45 Minuten jeweils zehn Minuten Stoß zu lüften, reiche meist nicht aus. Überdies werde schon diese Lüftungsrate gerade in der kälteren Jahreszeit nur in den seltensten Fällen befolgt.

Die meisten Schulen sind auch heute noch auf eine natürliche und manuelle Lüftung angelegt. Abhilfe könnten automatisch gesteuerte Fenster oder Lüftungsmodule schaffen, die zum Beispiel relative Feuchte, CO2-Konzentration und Temperatur messen und sich bei bestimmten Werten einschalten. Mit den passenden Regelalgorithmen könne eine gute Luftqualität bei gleichzeitig akzeptablen Temperaturen erreicht werden. Dabei sollten sie jedoch den Nutzer nicht in der Kontrollmöglichkeit einschränken und möglichst keine Geräusche verursachen, die Schüler und Lehrer in ihrer Konzentration und Aufmerksamkeit stören.

Bei der Planung der Fenster sollte besonderer Wert auf die Größe und Position dieser gelegt werden. Insbesondere sollte darauf geachtet werden, dass der Rahmenanteil nicht zu groß gewählt wird, um einen maximale Tageslichtausbeute zu ermöglichen, gleichzeitig aber auch die für den Ort passende Beschichtung zu wählen und deaktivierbare Sonnenschutzvorrichtungen zu installieren – auch um Blendung zu vermeiden.

Hierfür eigneten sich vor allem auch Dachfenster, welche bezogen auf die Grundfläche eine um bis zu 50% höhere Tageslichtversorgung ermöglichen können. Die ergänzende Kunstlichtversorgung sollte hinsichtlich der Tageslichtverfügbarkeit und Raumnutzung regelbar gestaltet werden. (pm, zab)

• Zusammenfassung der Studie (engl.)

• zum Bericht: PCB – der vergessene Skandal? Noch immer lauert das Gift in Schulen
• zum Bericht: „Hitzefrei“ stirbt aus. Schuld sind Ganztagsschulen – und die Sommerzeit

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4 Kommentare
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xxx
7 Jahre zuvor

Die Kommunen können froh sein, dass diese Empfehlungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nie gesetzlich vorgeschrieben werden, und wenn doch, dann nur für Neubauten, die aber mangels Finanzen kaum noch errichtet werden. Schulen kosten halt Geld und bringen keines ein.

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Das ist falsch, man muss sie nur schließen und die Immobilien meist bietend verkaufen. Von Marktwirtschaft haben Sie anscheinend keinen Schimmer:)

xxx
7 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

stimmt, habe ich nicht.

ich kann mir aber genausowenig vorstellen, dass eine Deutsche Wohnen oder vergleichbare Mietinvestoren Interesse an maroden Schulgebäuden hat. und selbst wenn, dann arme Schulen, weil sich Gewinnorientierung und optimale Schulgebäude gegenseitig ausschließen.

(siehe Umgang mit den Wohnungsmietern, wo kaum investiert wird und wenn dann in erster Linie mit dem Ziel der Mieterhöhung unabhängig vom Nutzen für die Mieter)

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Nun, die meisten Schulgebäude bzw. Schulgelände liegen zentral in den einzelnen Stadtteilen. Diese Gelände ließen sich schon gut vermarkten. Der Gebäudeabriss ist kein erheblicher (finanzieller) Aufwand, so dass die Marge beim Weiterverkauf auskömmlich sein dürfte.

Das Problem liegt darin, dass die Kommunen sich schwer damit tun, alte Schulgebäude dem Erdboden gleich zu machen. Folglich wird die „alte Volksschule“ gerne als Dorfgemeinschaftshaus oder Bürgertreff an die Bewohner des Stadtteiles weitergereicht.

Für innerstädtische Schulen besteht das Problem in der Regel nicht, da an den zentralen Orten die Zahl der Schüler eher erhöht wird und somit die Nutzung der bestehenden Gebäude intensiviert wird.

Die problematischsten Schulgebäude sind ohnehin die in den 70ern aus Fertigbauteilen oder in Stahlbeton-Skelett-Bauweise errichteten Schulen, die allein aus ästhetischen Gründen gesprengt werden müssten. Allein das damalige Farbkonzept verursacht Augenkrebs. Von dem verbauten Asbest und den PCB-haltigen Dehnungsfugen wollen wir gar nicht erst sprechen.

Im Prinzip müsste man diese Ruinen bis auf das Stahlbetonskelett zurückbauen, um dann eine den heutigen Erfordernissen entsprechende neue Raumaufteilung und Nutzung zu ermöglichen. Aber keine Angst, vollausgestattete Präsensarbeitsplätze für Lehrkräfte werden dabei mit größter anzunehmender Sicherheit nicht entstehen …