Das Kooperationsverbot wird zum großen Streitfall der deutschen Bildungspolitik

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BERLIN. Die Schülerzahlen in Deutschland steigen. Mehr Schulen und mehr Lehrer werden dringend gebraucht. Die Investitionen wollen die meisten Länder nicht alleine schultern. Deswegen fordern Regierungschefs jetzt mehr Engagement vom Bund – andere halten jedoch dagegen. Das sogenannte Kooperationsverbot wird zum großen Streitfall der deutschen Bildungspolitik.

Mehr Zusammenarbeit in der Bildung unter Einbeziehung des Bundes – ein Traumbild? Foto: Shutterstock

Bremen, Niedersachsen und Thüringen wollen den Bund bei der Bildung stärker in die Pflicht nehmen. Bremens Regierungschef Carsten Sieling (SPD) sprach sich angesichts steigender Schülerzahlen für einen entsprechenden Bund-Länder-Pakt aus. Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hält ein größeres Engagement des Bundes für notwendig – ebenso wie Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) plädierte dagegen für eine engere Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern.

Sieling sagte auf Anfrage: «Dazu muss das im Grundgesetz verankerte Kooperationsverbot wieder aufgehoben werden. Es ist nicht zeitgemäß. Die Herausforderungen sind einfach zu groß.» Das Verbot habe zu keiner Verbesserung geführt, sondern eher zu Verschlechterungen. Derzeit gebe es im Bundesrat aber keine Mehrheit für einen Antrag zur Aufhebung des Kooperationsverbotes. «Das wird von den CDU-geführten Ländern blockiert.»

„Historisch bewährt“

Dabei gebe es bereits jetzt einen Investitionsstau. «Es fehlen überall Lehrer, und es fehlen überall Schulen», warnte Sieling. Mit einer Aufhebung des Verbotes könne man Voraussetzungen schaffen, dass Förderwege organisiert würden, die eine Beteiligung des Bundes ermöglichten. «Das hat sich historisch bewährt. Wir haben dieses Zusammenarbeitsverbot erst seit 2006. Das heißt, von 1949 bis 2006 hat es in der Bundesrepublik Deutschland wunderbar funktioniert ohne ein Kooperationsverbot.»

Bremen hat im September gemeinsam mit sieben Bundesländern einen Antrag zur Abschaffung des Verbots im Bundesrat eingebracht. Die Antragsländer, darunter auch Niedersachsen, sehen den Bund finanziell in der Pflicht. Um welche Summen es geht, ist noch offen – letztlich wohl um Milliarden. Drängende Themen seien der Schulneubau und die Sanierung sowie die Digitalisierung und die personelle Ausstattung.

Niedersachsens Ministerpräsident Weil betonte, es sei zwar allen klar, dass Bildung und Qualifizierung Zukunftsthemen seien, von denen der Erfolg der ganzen Gesellschaft abhänge. «Aber wer kümmert sich um diese wichtige Aufgabe? Am Ende sind es nur die Länder und Kommunen. Der Bund hält sich sehr zurück.»

Die CDU habe einst das Label «Bildungsrepublik Deutschland» geprägt, sagte er. Jetzt müsse dieses «schöne Türschild» mit Substanz untermauert werden. «Je mehr sich der Bund engagiert – selbstverständlich immer im Einvernehmen mit den Ländern – desto besser», sagte Weil, der in Berlin dem Sondierungsteam der SPD für die Gespräche zu einer Regierungsbildung mit der CDU angehört.

Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sprach von «einer Symbol-und Ersatzdebatte», weil es für die Abschaffung des Kooperationsverbotes keine qualifizierte Mehrheit im Bundesrat gebe. Sie plädierte stattdessen für die Schaffung eines nationalen Bildungsrates analog zum Wissenschaftsrat, und für eine engere Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern.

In der Diskussion um den Ausbau von Ganztagsangeboten an Grundschulen setzt Kramp-Karrenbauer auf mögliche Hilfe des Bundes. Der Bund habe schon viel Geld zur Verfügung gestellt, um vor allem in finanzschwachen Kommunen die Schulinfrastruktur zu verbessern. Die ganztägige Bildung und Betreuung in der Grundschule müsse, «so wie im Wahlprogramm von CDU/CSU gefordert, ein gemeinsames Projekt sein, das man mit entsprechender Bundesunterstützung angehen könnte und sollte», sagte die Regierungschefin.

Dabei gehe es um Investitionen, aber auch um die Finanzierung der laufenden Personalkosten, sagte sie. «Im Grunde haben wir ja uns beim Thema Krippenbetreuung bereits auf eine nationale Kraftanstrengung verständigt und bräuchten Ähnliches beim Thema Grundschule.»

Kompromissvorschlag

Thüringens Ministerpräsident Ramelow setzt im Streit um mehr Bundesengagement für bessere Bildung auf einen Kompromiss. «Ich wünsche mir, dass die nächste Bundesregierung eine Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe Bildung anstrebt», sagte Ramelow auf Anfrage in Erfurt. Eine Gemeinschaftsaufgabe hätte den Vorteil, dass die Länderhoheit in der Bildung nicht verloren geht, der Bund aber über bisherige punktuelle Förderprogramm hinaus ins Boot käme, sagte Ramelow. «Ich neige zu einem pragmatischen Mittelweg.» Das gelte, auch wenn ihm ein Ende des Kooperationsverbots lieber wäre. «Es wäre ehrlicher, wenn das Kooperationsverbot aus dem Grundgesetz wieder gestrichen wird», sagte der einzige Ministerpräsident der Linken.

Nach Vorstellungen Ramelows könnte Thüringen bei einem Kompromiss helfen. Er verwies darauf, das Thüringen 2018 den Vorsitz der Kultusministerkonferenz (KMK) hat. Bildungsminister Helmut Holter (Linke) übernimmt den KMK-Vorsitz von der baden-württembergischen Bildungsministerin Susanne Eisenmann (CDU). Wichtig sei, dass die Modernisierung des Bildungssystems schneller vorangebracht und Standards vereinheitlicht würden, so Ramelow. News4teachers/ mit Material der dpa

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