Arzt werden ohne Bestnoten – geht das?

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Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Medizinstudium hat der Landkreistag Baden-Württemberg mehr Studienplätze gefordert. Laut Gericht ist das Verfahren zur Vergabe von Studienplätzen im Fach Humanmedizin teilweise verfassungswidrig. Es werde der grundrechtliche Anspruch der Studienplatzbewerber auf gleiche Teilhabe am staatlichen Studienangebot verletzt, entschied das Gericht am 19. Dezember.

Die Zahl der Studienanfängerplätze liegt laut dem baden-württembergischen Wissenschaftsministerium bei rund 1500 pro Studienjahr. Die Ausgaben pro Kopf belaufen sich auf 300 000 bis 350 000 Euro. Der geforderte Ausbau würde dauerhaft rund 45 Millionen Euro jährlich kosten. Zudem bilde das Land bereits überproportional aus, gab eine Sprecherin zu bedenken.

In Zeiten eines bedrohlich zunehmenden Fachkräftemangels genüge es nicht, die Studienplatzvergabe nachzujustieren, sagte Verbandspräsident Joachim Walter. Er plädierte für mindestens zehn Prozent mehr Studienplätze für Humanmedizin.

Die Krankenhausgesellschaft in Baden-Württemberg schließt sich der Forderung des Landkreistags an. Daneben müsse der Arztberuf attraktiver gemacht werden, indem er von unnötiger Bürokratie befreit werde. Der Anteil der Arbeitszeit dafür müsse auf maximal 20 Prozent begrenzt werden.

Walter begrüßte, dass nach dem Gerichtsurteil neben der Abiturnote auch andere Kriterien eine Rolle spielen sollen. Motivation, Kommunikationsfähigkeit und Berufserfahrung seien Aspekte, die die Qualität der ärztlichen Versorgung weiter verbessern könnten. Das könne auch dazu beitragen, dass fertige Mediziner in der Patientenversorgung tätig werden – und nicht in versorgungsfernen Bereichen. dpa

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1 Kommentar
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xxx
6 Jahre zuvor

Einige Anmerkungen:
1) Die 60% hochschulintern vergebenen Studienplätze werden wohl auch in erster Linie über den NC oder einen Medizinertest vergeben werden. Diesen besteht man nur mit einem sehr gut geschulten Gedächtnis, was bei Medizinern aber auch Grundvoraussetzung ist.
2) Der Fachkräftemangel bezieht sich nicht auf Akademiker, sondern auf Azubis.
3) Es gibt genug Ärzte in Deutschland, wahrscheinlich auch genug Studenten. Problem sind die Fachrichtungen und die Verteilung. Hausarzt oder gar Krankenhausarzt auf dem Land sind aus finanzieller Sicht sehr unattraktiv. Radiologe o.ä. in der Großstadt ist ein Traum.
4) Motivation und Kommunikationsfähigkeit lassen sich kaum abprüfen. Und selbst wenn, dann bevorteilt das normalerweise Frauen, die aus familienplanungstechnischen Gründen häufig in der Stadt und nur in Teilzeit arbeiten wollen. Der Ärztemangel wird damit insbesondere auf dem Land nur verschlimmert.
5) Fertige Mediziner haben in der unmittelbaren Patientenversorgung nichts verloren. Wenn das umgesetzt wird, stehen sie in unmittelbarer Konkurrenz zu Krankenschwestern und ähnlichem pflegerischen Personal. Das Gehalt dürfte zwar besser sein als bei Krankenschwestern, aber sehr, sehr weit entfernt von dem, was niedergelassene Ärzte verdienen können.