Uni Greifswald legt den Namen Arndt ab – ein bisschen. Viele Schulen heißen aber noch nach ihm

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GREIFSWALD. Viele Schulen in Deutschland sind nach Ernst Mortz Arndt benannt. Wie auch die Universität Greifswald. Die legt ihren Namenspatron zwar nun ab, er darf aber unter bestimmten Bedingungen weiter verwendet werden. Mit dem Beschluss will der Senat den Streit um Arndt beenden – was kaum gelingen dürfte. Welche Schwierigkeiten die Berufung auf den 1860 verstorbenen Publizisten und Dichter macht, zeigt das Beispiel des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums in Bonn.

Kein leichter Namenspatron für eine Bildungseinreichtung: Ernst Moritz Arndt. Illustration: Wikimedia Commons
Kein leichter Namenspatron für eine Bildungseinreichtung: Ernst Moritz Arndt. Illustration: Wikimedia Commons

Die Universität Greifswald verzichtet künftig auf ihren 1933 zuerkannten Namen «Ernst Moritz Arndt». Allerdings kann der Namenszusatz unter bestimmten Voraussetzungen vorangestellt werden. Das entschied der Senat als höchstes Hochschulgremium gestern mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit. Der Kompromiss ist noch nicht rechtskräftig. Das Bildungsministerium muss der Änderung der Grundordnung nun zustimmen. Von 35 Senatoren stimmten 27 für den Antrag, 8 dagegen.

Der Beschluss bestätige im Wesentlichen das Ergebnis von vergangenem Jahr, stelle aber auch einen Kompromiss dar, sagte die Senatsvorsitzende Marie-Theresia Schafmeister. Im Rechtsverkehr gelte der Name Universität Greifswald. Der Senat werde nun eine Ordnung verfassen, wie der Namenszusatz künftig zu verwenden sei. «Ernst Moritz Arndt bleibt ein nicht wegzudenkender Name und eine nicht wegzudenkende Person der Universität.»Zuvor war in der Sitzung ein Antrag gescheitert, auf den Namenszusatz «Arndt» komplett zu verzichten.

Innenminister Lorenz Caffier (CDU) hat sich mit deutlichen Worten in die Diskussion eingeschaltet. Caffier bezeichnete die Entscheidung auf seinem privaten Facebook-Account als «Ergebnis linksgrüner Meinungsmache und einer vollkommen undifferenzierten Diskussion.» Er könne nur hoffen, so schreibt Caffier weiter, dass dies nicht der Einstieg in eine groß angelegte Namensbereinigungswelle oder gar Kulturrevolution sei. Eine Ministeriumssprecherin bestätigte, dass die Worte von Caffier stammten. Allerdings habe er diese Aussage nicht als Innenminister getätigt, sondern auf seinem persönlichen Profil eingestellt.

Kontroverse Debatten

Die von einem Teil der Senatoren angestrebte Ablegung des Namens hatte in den vergangenen Monaten in der Universität und in der Stadt zu kontroversen Debatten geführt. Der Name passe nicht zu einer weltoffenen und auf Internationalisierung setzende Universität, erklärten die Antragsteller. Arndt-Befürworter sahen sich eines Teils der pommerschen Identität beraubt.

Öl ins Feuer goss nach der Entscheidung der Greifswalder CDU-Landtagsabgeordnete Egbert Liskow. Er sprach von einem «faulen Kompromiss». Die Entscheidung sei ein Affront gegen Greifswalder Bürger und die Mehrheit der Universitätsangehörigen. Der AfD-Landtagsabgeordnete Ralph Weber sprach von der «dümmsten Entscheidung, die getroffen werden konnte». Die Umbenennung sende das falsche politische Signal.

Rektorin Johanna Eleonore Weber sprach von einem «klaren Ergebnis». Sie hoffe, dass die Universität nun eine Lösung gefunden habe, «die wieder eint und nicht weiter spaltet». Der Senat habe mit sich gerungen. «Es war ein fairer, offner, zum teil auch berührender Austausch von Positionen», sagte sie nach der Sitzung. Die Kompromisslösung gebe Spielraum. Greifswald folge damit anderen Hochschulen wie der Universität Heidelberg, wo ein Namenszusatz optional zum Städtenamen verwendet werde.

Formale Mängel

Der Senat der Uni hatte bereits im Januar 2017 die Ablegung des Namens mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit beschlossen. Den Beschluss erkannte später das Bildungsministerium wegen formaler Mängel nicht an. Daraufhin beseitigte die Universität die Rechtsmängel und startete im November eine Meinungsumfrage unter den Uni-Mitarbeitern und Studierenden.

Knapp 49 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Studierenden, wissenschaftlichen und Verwaltungsmitarbeiter sowie Professoren stimmten für Arndt. Rund 34 Prozent votierten für die Namensstreichung. Für rund 15 Prozent waren beide Varianten gleichermaßen akzeptabel. An der Umfrage, die nicht rechtsverbindlich ist, nahm rund ein Drittel der etwa 15.100 Universitätsmitglieder teil.

In einer späteren studentischen Urabstimmung stimmte eine knappe Mehrheit für die Ablegung des Namens. Allerdings nahmen an der Umfrage nur 15 Prozent der Studierenden teil. Am vergangenen Samstag demonstrierten rund 600 Greifswalder dafür, dass die Universität an ihrem Namenspatron festhält.

Rektorin Weber sagte, die Kosten der Umstellung würden möglichst gering gehalten. Broschüren würden mit einer Neuauflage verändert. Digitale Darstellungen könnten ohne Kosten angepasst werden. dpa

Wie das Bonner Arndt-Gymnasium mit seinem Namenspatron umgeht

Der in Pommern geborene und in Bonn gestorbene Ernst Moritz Arndt (1769-1860), Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung und Kämpfer für ein einheitliches Deutschland, ist wegen nationalistischer und antisemitischer Äußerungen umstritten. Entsprechend differenziert geht das Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium (EMA) Bonn auf seiner Homepage mit seinem Namenspatron um – anders als andere nach Arndt benannte Schulen, die nach außen jeden Hinweis auf ihn vermeiden.

„Diese vielschichtige Persönlichkeit dem pädagogischen Konzept des EMA zuzuordnen, stellt sich als Herausforderung dar“, so heißt es auf der Homepage des Bonner Gymnasiums. „Es erweist sich als notwendig, aber auch als möglich,  die Verbindung unserer Schule mit Arndt, dessen Denken und Schreiben als deutsch-nationaler Publizist, der an Emotionen und Unterbewusstsein appelliert, mehr oder weniger heftig umstritten ist, heute ehrlich und offen zu erklären.“

Weiter steht zu lesen: „Arndt hat sich als Patriot in einem restaurativen politischen Umfeld unermüdlich in Wort und Schrift und unter Inkaufnahme langjährigen Berufsverbots für die Schaffung eines deutschen Nationalstaats mit demokratischen und liberalen Rechten eingesetzt. Insofern kann er auch heute noch ein Beispiel für kritisch-verantwortungsbewusste Teilnahme des Staatsbürgers an der Res publica sein.

Andererseits bietet Arndt ein zwar vor dem Hintergrund seiner Wirkungszeit erklärbares, aber deshalb nicht weniger erschreckendes Beispiel für Intoleranz gegenüber anderen Völkern. Die vor allem im Geschichtsunterricht bewusst herbeigeführte Diskussion über die Einstellungen Arndts fordert dazu heraus, umso entschiedener die Notwendigkeit einer Erziehung zu tolerantem und interkulturellem Denken und Handeln als ein wesentliches Element unseres pädagogischen Grundkonzepts einsichtig zu machen.“

Quelle: www.ema-bonn.de/index.php/ueber-uns/arndt

Streit um Uni-Namen vor der Entscheidung – Hunderte Demonstranten gehen für Arndt auf die Straße

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3 Kommentare
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sofawolf
6 Jahre zuvor

ZITAT: «Ergebnis linksgrüner Meinungsmache und einer vollkommen undifferenzierten Diskussion.»

Finde ich auch.

Ignaz Wrobel
6 Jahre zuvor

Man sollte Personen aus der Vergangenheit immer vor deren geschichtlichen Hintergrund betrachten.
Wem steht es hier zu, einem mit einem zeitweiligen Berufsverbot belegten deutschen und national gesinnten Dichter, der nach einem einheitlichen Staat strebte, zu verurteilen.

Pälzer
6 Jahre zuvor
Antwortet  Ignaz Wrobel

Dabei müsste man verstehen, dass „national“ im 19. Jh. Opposition zur Fürstenherrschaft und somit nach heutiger Einordnung eher links war. Aber das ist vielen zu kompliziert.