Der Verfassungsgerichtshof in Münster verhandelt am Dienstag über eine Klage mehrerer nordrhein-westfälischer Kommunen. Es geht Änderungen beim Vormundschafts- und Betreuungsrecht. Elf Städte und drei Kreise sind vor das höchste Gericht des Landes gezogen, weil sie auf Mehrkosten beim Personal sitzen bleiben, die durch die Neuerungen entstanden sind (Az.: VerfGH 11/13). Sie wollen erreichen, dass das Land die Mehrkosten übernimmt.
Die klagenden Kommunen berufen sich auf das sogenannte Konnexitätsprinzip. Das ist seit 2004 im Artikel 78 der Landesverfassung festgeschrieben. Übersetzt bedeutet der Zungenbrecher: Wer etwas bestellt, muss auch dafür zahlen.
Die Änderung beim Vormundschafts- und Betreuungsrecht wurde vom Bund nach einer Reihe von Fällen angestoßen, bei denen Babys und Kleinkinder vernachlässigt wurden und starben, wie 2009 die neunmonatige Lara Mia in Hamburg. Mit der Neuregelung wollte der Gesetzgeber die Kontrollen der Behörden engmaschiger gestalten und die zuständigen Mitarbeiter in den Jugendämtern entlasten. Dazu begrenzt das Gesetz die Fälle für einen vom Familiengericht bestellten Amtsvormund auf maximal 50 (Fallzahlbegrenzung). Zusätzlich sollten die Mitarbeiter mindestens einmal pro Monat persönlichen Kontakt zu ihren Schützlingen haben.
Das hatte Folgen für den Stellenplan bei den Kommunen. Die Stadt Dortmund musste fünf zusätzliche Stellen schaffen. «Das bedeutete für den städtischen Haushalt eine zusätzliche Belastung von 340 000 Euro pro Jahr», sagt Bodo Weirauch vom Jugendamt der Revierstadt. Ähnlich sieht es in Bielefeld aus. Georg Epp, Leiter des Jugendamtes, hat seit 2012 drei neue Mitarbeiter. «Wir betreuen insgesamt 196 Fälle. Durch das Gesetz haben wir Mehrkosten von 180 000 Euro pro Jahr», sagt Epp.
Inhaltlich haben Epp und Weirauch keine Kritik am Gesetz. Wobei der Dortmunder bei den monatlichen Besuchen eine Einschränkung macht. «Es gibt Fälle, da ist diese Häufung absolut notwendig. Aber eben nicht immer. Neben dem Amtsvormund kümmern sich ja mit dem Pflegekinderdienst oder dem Allgemeinen Sozialen Dienst weitere Stellen um die Betroffenen», sagt Weirauch. Bei Pflegeeltern, die ihren Job nachweislich hervorragend machen, würde dieser zusätzliche monatliche Besuch eher genervte Reaktionen hervorrufen.
Zuletzt hatte der Verfassungsgerichtshof 2010 ein Urteil gesprochen, das bundesweit für Aufsehen gesorgt hat. Damals ging es um den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Den Ausbau hatte Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) vorangetrieben. Zahlen sollten dann größtenteils die Kommunen. Der damalige Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Michael Bertrams, stoppte diese Pläne mit seinen Richterkollegen und einem Präzedenzurteil.
Ob das Kita-Urteil des Jahres 2010 wegweisend ist für die aktuelle Beschwerde, ist unter Rechtsexperten umstritten. Bertrams hatte in seiner Urteilsbegründung auf die Verpflichtung des Landesgesetzgebers hingewiesen, bei Übertragung neuer oder der Veränderung bestehender kommunaler Aufgaben gleichzeitig einen finanziellen Ausgleich für die entstehenden notwendigen Ausgaben zu schaffen. Bertrams sprach beim Kita-Ausbau allerdings auch von «signifikanten Änderungen» für die Kommunen. Die Aufgabe für die Jugendämter gab es schon vor der Gesetzesänderung, geändert haben sich nur die Standards.
Das Kinder- und Jugend-Ministerium in Düsseldorf wollte sich vor der Verhandlung auf Anfrage nicht äußern. Eine Sprecherin verwies auf die Zuständigkeit des Bundes. Eine Entscheidung wird das Gericht am Dienstag noch nicht fällen. dpa