Wer war nochmal Erich Honecker? Schüler sollen mehr über die DDR wissen – Thüringer Landesregierung rätselt noch, wie

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ERFURT. Das Wissen über die DDR ist bei Schülern mitunter bruchstückhaft. Die Thüringer Landesregierung will das nun ändern. Bislang liegt es oft allein in der Hand der Lehrer. Vorerst wird das wohl so bleiben.

Wie viele Schüler mögen mit dem Namen Erich Honecker noch etwas anfangen können? Foto: Bundesarchiv, Bild 183-1987-1023-036 / Mittelstädt, Rainer / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0
Wie viele Schüler mögen mit dem Namen Erich Honecker noch etwas anfangen können? Foto: Bundesarchiv, Bild 183-1987-1023-036 / Mittelstädt, Rainer / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

Thüringens Schüler sollen mehr über die DDR wissen. Darin ist sich die rot-rot-grüne Landesregierung einig. Nun stellt sich aber die Frage, wie das am besten gelingen kann. Kulturstaatssekretärin Babette Winter (SPD) schlug vor, dass die Geschichte des untergegangenen Staates in Prüfungen abgefragt werden sollte. Die Idee dahinter: Wenn Schüler damit rechnen müssen, in Prüfungen auf die DDR angesprochen zu werden, wird mehr im Unterricht über Grenze und Stasi gesprochen. Bildungsministerin Birgit Klaubert (Linke) wiegelt nun ab: Die DDR komme längst in den schriftlichen und mündlichen Abschlusstests vor.

«In den Thüringer Lehrplänen ist das Thema für alle verpflichtend verankert. Damit ist es prüfungsrelevant», stellt die Ministerin klar. Im Lehrplan für Realschüler steht zum Beispiel: «Zu Beginn der Klassenstufe 10 erfolgt die Auseinandersetzung mit der deutsch-deutschen Geschichte von 1945 bis 1990.» Ob trotzdem alle Realschüler wissen, wer Erich Honecker war? «Was bei den Schülern tatsächlich ankommt und hängen bleibt, ist eine andere Frage», räumt Klaubert ein. Das hänge letztlich auch damit zusammen, wie lebendig Geschichte im Unterricht vermittelt werde.

Der Ministerin schweben nun zwei Dinge vor, damit die DDR präsenter in den Köpfen der Schüler bleibt: «Wir müssen die pädagogische Arbeit in den Museen gemeinsam neu organisieren.» Zwar seien schon jetzt Lehrer in Gedenkstätten abgeordnet. Das Programm laufe aber Ende 2017 aus. «Ich möchte diese wichtige pädagogische Arbeit auf feste Füße stellen», erklärt Klaubert. In den Beratungen für den Doppelhaushalt 2018 und 2019 müsse deshalb überlegt werden, «wie wir mit festem Personal diese Arbeit ausgestalten können». Laut Klaubert sollen diese Lehrer sowohl in Gedenkstätten arbeiten als auch Schüler vorab im Unterricht auf eine solche Fahrt vorbereiten.

Darüber hinaus sollten Gedenkstätten Kooperationsvereinbarungen mit Schulen schließen. «Den Schulen soll aufgezeigt werden, welche Gedenkstätten in ihrer Umgebung sich mit DDR-Unrecht, der Aufarbeitung oder der Alltagsgeschichte beschäftigen», erläutert die Ministerin. In solchen Abmachungen könnten konkrete Projekte festgeschrieben werden. Von Pflichtbesuchen in Gedenkstätten hält Klaubert allerdings wenig: «Entscheidend bei solchen Besuchen ist die pädagogische Begleitung.»

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Nach Auffassung der SPD im Thüringer Landtag sollte in den Lehrplänen verankert werden, dass sich die Schulen mehr Zeitzeugen einladen. «Wenn man es als Empfehlung hineinschreibt, dann werden die Lehrer verantwortungsvoll damit umgehen», hofft SPD-Fraktionschef Matthias Hey. Nach seiner Auffassung müsste es auch mehr Geld für Exkursionen geben. Die CDU-Fraktion ist ebenfalls der Meinung, dass «außerschulische Lernorte verbindlicher in den Unterricht aufgenommen» werden sollten.

Landesschülersprecher Maximilian Reichel-Schindler schlägt Pflichtmodule im Lehrplan zur DDR-Geschichte vor. «Schulen könnten sich dann aussuchen, ob sie sich für eine Exkursion oder ein Gespräch mit Zeitzeugen entscheiden.» Von Frontalunterricht halte er nichts. Nicht selten komme die DDR in Geschichte zu kurz, «weil Lehrer chronologisch vorgehen und am Ende des Schuljahres wenig Zeit dafür bleibt».

Laut aktuellem Thüringen-Monitor, der die politischen Einstellungen der Thüringer misst, haben lediglich neun Prozent der Befragten in den vergangenen beiden Jahren eine Gedenkstätte für die SED-Opfer besucht. 83 Prozent überhaupt nicht. 42 Prozent vertraten die Auffassung, dass man sich nicht länger mit der Stasi-Vergangenheit auseinandersetzen sollte.

Klaubert räumt ein, dass es unter Umständen vom Lehrer abhängt, wie viel Schüler von der DDR erfahren. Haben Pädagogen, die bereits vor der Wiedervereinigung unterrichtet haben, Berührungsängste? Die Begegnung mit der eigenen Vergangenheit könne mitunter schmerzhaft sein, glaubt die Ministerin. «Ich plädiere dafür, das möglichst angstfrei zu machen.» Von Christian Thiele, dpa

Zum Bericht: Geschichte fünf – Jeder zweite Schüler hält NS-Staat für keine Diktatur

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