Geht es der Inklusion bald wie G8? Widerstand wächst – Nach der FDP fordert nun auch CDU-Spitzenkandidat Laschet: Zurückstellen!

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DÜSSELDORF. Die Inklusion wird zum Wahlkampfthema in Nordrhein-Westfalen. Nachdem unlängst FDP-Chef Christian Lindner mit der Forderung vorgeprescht war, das Inklusionsgesetz rückgängig zu machen, hat sich nun CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet pointiert zum gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht-behinderten Kindern geäußert.  „Wir dürfen keine Förderschule mehr schließen, bis die Rahmenbedingungen geschaffen sind“, erklärt der Herausforderer von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD).

Geht in Sachen Inklusion in die Offensive: CDU-Bundesvize Armin Laschet. Foto: Olaf Kosinsky / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0 DE)
Geht in Sachen Inklusion in die Offensive: CDU-Bundesvize Armin Laschet. Foto: Olaf Kosinsky / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0 DE)

In einem Interview mit der Rheinischen Post sagte Laschet mit Blick auf die Schulpolitik der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen: „Alle Schulen leiden unter Unterrichtsausfall, der Konzeptlosigkeit von Rot-Grün für die Unterrichtung Zehntausender Flüchtlingskinder und der unterfinanziert wie planlos eingeführten Inklusion.“ Der Fraktionschef der oppositionellen CDU im Landtag forderte in Sachen Inklusion ein „Moratorium“, also einen Aufschub. „Keine Förderschule darf geschlossen werden. Die Inklusion darf erst fortgesetzt werden, wenn es genug Geld und Personal gibt“, erklärte er gegenüber der Zeitung. Zuvor schon hatte er davon gesprochen, dass die Landesregierung eine „Inklusion mit der Brechstange“ betreibe.

So weit wie die FDP geht Laschet damit aber nicht – er stellt die Inklusion nicht grundsätzlich infrage. So heißt es in einem Positionspapier der nordrhein-westfälischen Christdemokraten: „Die  CDU-Landtagsfraktion  bekennt  sich  zum  Ziel  eines  inklusiven  Bildungssystems.  Die  UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und Kindern mit besonderem Förderbedarf auf Teilhabe soll im Schulwesen Nordrhein-Westfalens umgesetzt werden. Kinder mit Behinderungen haben Anspruch auf die rechtliche Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Nordrhein-Westfalen und damit das Recht auf einen Regelschulplatz wie jedes Kind ohne Behinderung auch.“

FDP-Chef Lindner zieht in den Wahlkampf – und will statt Inklusion die Förderschulen stärken

Das sieht die FDP mittlerweile offenbar anders. Ihr zufolge soll sogar der Rechtsanspruch bei der Inklusion ausgesetzt werden, dafür sollen wieder vermehrt Schwerpunkt- und auch Förderschulen entstehen. „Rot-Grün hat bei der Inklusion aus einer richtigen Idee eine Ideologie gemacht“, meint Lindner. Ohne geeignete Vorbereitung und fachlich fundierte Konzepte würden Lehrer und Sonderpädagogen in NRW verheizt, Eltern und Kinder mit und ohne Handicap frustriert und nicht mehr individuell gefördert. Die gravierenden Probleme würden jetzt weiter verschärft, weil mit dem neuen Schuljahr der Rechtsanspruch auch für Berufskollegs in Kraft gesetzt worden ist. Ein qualitatives Konzept zur Umsetzung fehle.

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Lindner: „Wenn Inklusion nicht scheitern soll, sind verbindliche Basisstandards für Ausstattung, Lehrkräfte, Fortbildungen, multiprofessionelle Unterstützung unerlässlich.“ Ein Sonderpädagoge und eine Doppelbesetzung in den Klassen müsse sichergestellt sein, ansonsten sollen die Schulen nicht zur Einrichtung inklusiver Lerngruppen verpflichtet sein.

Löhrmann wehrt sich

Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) wehrt sich gegen die Kritik. „Inklusion ist ein Jahrhundertprojekt, dafür gibt es keine Blaupause“, so erklärt sie im Interview mit dem Nachrichtenportal „Der Westen“. Die Inklusion „durchbricht den traditionellen aber falschen Ansatz, dass Lernen in möglichst homogenen Gruppen besser sei. Unsere Gesellschaft, und damit unsere Schulen, sind aber vielfältiger geworden.“ Die Landesregierung gehe behutsam vor. Löhrmann: „Wir schaffen keine Förderschulen ab, sie laufen nur aus, wenn der Bedarf nicht mehr da ist. Und wir haben nach dem Protest nachgesteuert. Wir geben zu den 3200 zusätzlichen Stellen für Inklusion noch einmal weitere 900 Stellen und bieten Lehrern mehr Fortbildung an.“

Auf den Vorschlag von FDP und CDU, den Abbau von Förderschulen zu bremsen, sagte sie: „Schwerpunktschulen sieht das Schulgesetz vor und gibt es auch längst. Es muss ja nicht jede Schule sofort inklusiv arbeiten. Darüber und über die Förderschulen entscheiden aber die Kommunen. Mir ist kein Fall bekannt, in dem Eltern, die für ihr Kind die Förderschule wollten, keinen Platz bekommen hätten.“  Sie betonte aber andererseits die positiven Auswirkungen der Inklusion, eines „Menschenrechts“: „Andererseits bekommen jetzt Eltern einen Platz für ihr behindertes Kind in einer Regelschule, die sich bislang durch die Instanzen klagen mussten. Sie sind keine Bittsteller mehr.“ Agentur für Bildungsjournalismus

Rrrrums! Philologen wollen die Inklusion faktisch beerdigen – Grundsatzbeschluss: „Förderschulen müssen erhalten bleiben“

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sofawolf
7 Jahre zuvor

Zurückstellen. Gesondert und gezielt fördern! Ja, bitte.

reiner tiroch
6 Jahre zuvor

im Fordern sind die Politiker Weltmeister, und die können sogar Warnen! ja erst Mist bauen und dann davor Warnen! so kommt eine 1% Partei auf über 12% gell? wenn ihr nun alle Warnt, dann werden eure Umfragewerte aber wieder von sowas von gut, gell?

Marie
6 Jahre zuvor

„Die Inklusion „durchbricht den traditionellen aber falschen Ansatz, dass Lernen in möglichst homogenen Gruppen besser sei.“ Aha, welch eine Erkenntnis. Dann sind bei Frau Löhrmann wohl die unterschiedlichen weiterführenden Schulen, in denen zumindest am Anfang ( im Vergleich mit den Grundschulen) eine recht homogene Schülerschaft da ist ( Stichwort: gymnasiale Auslese) auch falsch?? Dann können wir uns ja die ganze „Sortiererei“ sparen und führen wieder die „Polytechnische Oberschule“ /wahlweise „Gemeinschaftsschule“ für alle bis Klasse 10 ein. Wer dann fit genug ist, kann ja noch 3 Jahre „Erweiterte Oberschule“/Gymnasium fürs Abi dranhängen (das Prinzip dürfte allen ehemaligen DDR-Bewohnern noch vertraut sein…).
Der neue Ansatz, Kinder mit Förderbedarfen zwangsweise in den Klassen zu lassen, ohne an personeller, sächlicher und räumlicher Ausstattung der Schulen was zu ändern, ist jetzt meiner Meinung nach auch nicht der wirklich richtige. Mein L-Kind versucht sich täglich, irgendwie über die Runden zu retten, während meine 3 ES-Kinder permanent für Stimmung sorgen, und dann sind da ja noch die anderen 23, die auch noch individuell gefördert werden sollen…

Ignaz Wrobel
6 Jahre zuvor
Antwortet  Marie

Marie
Deshalb hat das Rot-Grüne-Bündnis auch so deutlich die Wahlen in NRW verloren.
Und es ist auch der falsche Ansatz, mit Absicht heterogene Schulklassen zu bilden, diese Heterogenität als Folge des Schüler gesteuerten Lernens in ihrer Leistungsbreite noch zu verstärken, und dann dieses System weiter auszubauen und weiter zu entwickeln, obwohl der Einschluss Behinderter ins öffentliche Schulsystem in Deutschland schon immer verwirklicht war.
Anscheinend gelang den verantwortlichen Politikern, die diese folgenreichen Entscheidungen getroffen haben, nicht die richtige Übersetzung ins Deutsche.So wird die Inklusion als Motor benutzt , um die Einheitsschule in Deutschland einzuführen.

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  Marie

Marie
Das Gymnasium in der DDR war aber eine Einrichtung für die besten 10% unter den Linientreuen, an der dann schon fast wissenschaftlich gearbeitet wurde. Das halte ich für Deutschland aktuell für ausgeschlossen, weil das dem Ziel der mindestens 50%-igen Abiturquote entgegen steht. Ansonsten stimme ich Ihrer Einschätzung zu.

Ignatz Wrobel
So lange die Schülerleistungen über den gesamten Jahrgang gemittelt besser werden, haben die Gegner kaum Argumente, die Einheitsschule zu verhindern. Notfalls helfen reduzierte Anforderungen als Korrekturmedium mit.