Integration von Flüchtlingskindern in Regelklassen überfordert die Schulen – Meidinger: Sprachkenntnisse sind immer noch zu dürftig

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BERLIN. Sehr besorgt hat sich der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, über den Erfolg der schulischen Integration von Flüchtlingskindern geäußert. Anlässlich einer Vorstandssitzung des Verbands in Nürnberg betonte er: „Die Politik glaubt, mit der Neubildung von Tausenden von Klassen und der Einstellung von 13.000 Lehrkräften ihre Hausaufgaben gemacht zu haben und auch in der Öffentlichkeit spielt das Thema nicht mehr die Rolle wie vor einem Jahr. Vor Ort zeigt sich aber, dass jetzt bei der zweiten Stufe der Integration, der Überführung der Kinder aus Willkommens-, Sprachlern- und Übergangsklassen in Regelschulen massive Probleme und Defizite zu verzeichnen sind! Grundsätzlich gebe es für diese Mammutaufgabe zu wenig staatliche Unterstützung!“

Fordert die Politik auf, zu handeln: Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Deutschen Philologenverbands. Foto: Deutscher Philologenverband
Fordert die Politik auf, zu handeln: Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Deutschen Philologenverbands. Foto: Deutscher Philologenverband

Aufgrund der vielen Rückmeldungen von betroffenen Lehrkräften und Schulleitungen müsse davon ausgegangen werden, dass die Sprachkenntnisse und Lernergebnisse der jetzt an die Regelschulen wechselnden Kinder oftmals nicht ausreichen, um dort problemlos den Anschluss zu finden. Außerdem zeige sich, dass Flüchtlingskinder vor allem in Ballungsgebieten vorrangig an wenig nachgefragte Brennpunktschulen wechselten, die noch freie Kapazitäten aufwiesen.

Ein Schwung von Flüchtlingskindern kommt jetzt in die Regelklassen – GEW schlägt Alarm: Lehrkräfte brauchen mehr Unterstützung

„Dadurch verschärft sich vielerorts die soziale und ethnische Segregation, von der wir wissen, dass sie Gift sowohl für die erfolgreiche schulische als auch für die soziale Integration ist! Es droht eine Ghettoisierung im Schulsystem, die leider häufig die Vorstufe zu einer Ghettoisierung in der Gesellschaft ist!“, betonte der Verbandschef. Die Folgen, schlechte Ergebnisse bei schulischen Abschlüssen und mangelnde Chancen auf dem Arbeitsmarkt würden sich zwar erst in Jahren zeigen, seien aber dann kaum mehr korrigierbar, so Meidinger.

Bestürzende Studie: „Willkommensklassen“ für Flüchtlingskinder machen eine Menge Probleme – Lehrkräfte müssen sich durchwursteln

Der Verbandschef verwies unter anderem auf eine neue Studie aus Berlin, die deutlich vor einem Scheitern des bisherigen Integrationsmodells gewarnt habe. Der Philologenverband fordert deshalb alle Bundesländer dringend dazu auf, die Lehrkräfte bei der Integration von Flüchtlingskindern an den aufnehmenden Regelschulen viel stärker als bisher zu unterstützen, personell, durch Doppelbesetzungen, aber auch durch Entlastungsstunden. Darüber hinaus müssen die Bundesländer größere Anstrengungen unternehmen, der zunehmenden Segregation im Bildungswesen gegenzusteuern. Ferner ist es notwendig, auch weiterführenden Schulen wie Gymnasien mehr Möglichkeiten zu geben, Flüchtlingskinder speziell zu fördern. Das sei bislang leider nur in wenigen Bundesländern der Fall.

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Insgesamt sei jetzt nochmals eine große finanzielle Kraftanstrengung von Bund und Ländern notwendig, um den zweiten Schritt der schulischen Integration erfolgreich zu bewältigen, sagte Meidinger.

Nicht nur Deutsch

Deutschland müsse weitreichende Anstrengungen unternehmen, um Geflüchteten nicht nur Deutsch beizubringen, sondern ihnen auch «Orientierung und Zugang zu den Ressourcen ihrer neuen Umgebung» zu verschaffen. Dies forderte Professor Wassilios Fthenakis, der Präsident des Didacta Verbandes, am Donnerstag in Stuttgart vor der weltweit größten Fachmesse für Bildungsthemen «Didacta» (14. bis 18. Februar).

Die Kinder «müssen lernen, das System zu verstehen, soziale Kontakte zu knüpfen und den Anschluss an die Arbeitswelt zu finden». Studien belegten, dass sich eine Gesellschaft hohe Folgekosten erspare, wenn sie angemessen in die Bildung junger Asylsuchender und Flüchtlinge investiere, sagte Fthenakis. Er plädierte für eine Abkehr von den bisher auf Konkurrenz ausgelegten Bildungssystemen. «Kinder müssen lernen, kooperativ zu lernen.» Agentur für Bildungsjournalismus

 

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