Girl’s Day: Mädchen fühlen sich in MINT-Fächern nicht genug gefördert – Studie attestiert Deutschland Nachholbedarf

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MÜNCHEN. Das Interesse von Mädchen an MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) wird in deutschen Schulen und Elternhäusern weniger gefördert als in vielen anderen Ländern Europas. Naturwissenschaftliche Themen und Informatik würden hierzulande in der Schule fast ausschließlich anhand von Beispielen aus der „Jungs-Perspektive“ erklärt, beklagt jedes dritte Mädchen (33,1 Prozent). Eltern würden anders als im europäischen Vergleich eher selten das Gespräch zu diesen Themen suchen (28,9 Prozent). Das zeigt der aktuelle Ländervergleich im Rahmen der Studie „The When & Why of STEM Gender Gap“, der zum Girls‘ Day am heutigen 27. April erstmalig in Deutschland vorgelegt wird.

Mädchen sind auch bei "Jugend forscht" unterrepräsentiert - doch ihr Anteil steigt. Foto: jugend forscht
Mädchen sind auch bei „Jugend forscht“ unterrepräsentiert – doch ihr Anteil steigt. Foto: jugend forscht e.V.)

KRC Research hat dafür im Auftrag von Microsoft Mädchen und junge Frauen zwischen elf und 30 Jahren in zwölf europäischen Ländern befragt. Gemäß der Studie ist in Deutschland das Interesse von Mädchen im Alter von elf bis 16 Jahren für diese Themen am stärksten und sinkt danach rapide ab. Dabei liegt auch diese frühe Hochphase der Beschäftigung mit naturwissenschaftlichen und den weiteren dazugehörigen Themen immer noch ein gutes Stück unter dem europäischen Durchschnitt. Besonders in Frankreich, Italien oder Polen können sich die weiblichen Teenager in diesem Altersabschnitt noch wesentlich stärker für MINT-Fächer begeistern.

„Wir sind nur Mittelmaß“

Sabine Bendiek, Vorsitzende der Geschäftsführung bei Microsoft Deutschland, stellt fest: „Wir sehen, dass sich Mädchen durchaus für Mathe, Physik oder Informatik begeistern, wenn man sie richtig anspricht und unterstützt. Andere Länder machen das vor, wir sind jedoch Mittelmaß. Es gilt, die Potenziale von Mädchen zu fördern – damit Deutschland digital erfolgreich wird.“ Ein Grundinteresse an den mathematisch-technischen Themen ist dabei eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Ausübung ganz unterschiedlicher Berufe. Aktuell zeigt sich in Deutschland besonders ein Mangel an digitalen Fachkräften, rund 212.000 Arbeitskräfte fehlen laut Institut der Deutschen Wirtschaft insgesamt im männerdominierten MINT-Bereich.

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Was aber machen andere Länder besser? Ein Drittel der befragten Mädchen in Deutschland hat den Eindruck, dass die im MINT-Unterricht behandelten Beispiele eher auf Jungen abzielen – das ist der unrühmliche Spitzenwert im europäischen Vergleich. Denn in den anderen Ländern teilen die meisten Mädchen diese Meinung nicht: Am wenigsten Kritik am Lehrplan kommt von den Mädchen in Finnland mit 17,4 Prozent, den Niederlanden (22,5 Prozent) und Russland (23,2 Prozent). Ein möglicher Grund: In Deutschland geben zugleich deutlich mehr als die Hälfte der Mädchen an, ausschließlich von Männern in den MINT-Fächern unterrichtet zu werden (54,9 Prozent). So ist die männliche Perspektive schon durch die einseitige Besetzung des Lehrkörpers vorgegeben. Der Wert wird nur in den Niederlanden und Irland noch übertroffen. Ganz anders das Bild in Russland: Hier berichtet nur jede sechste Schülerin, einzig von männlichen Lehrern in MINT-Fächern unterrichtet zu werden (16,9 Prozent).

Während es laut Studienergebnissen in der Schule offensichtlich an maßgeschneiderten Angeboten für Mädchen fehlt, wird anscheinend in deutschen Elternhäusern auch zu wenig mit den Töchtern über MINT-Themen gesprochen. Im Vergleich zu vielen anderen Ländern wie Großbritannien, Frankreich, Italien oder Russland geben nur wenige deutsche Mädchen an, dass sie mit ihren Eltern oft über Anwendungen von Mathe, Informatik und den anderen Fächern zu sprechen (35,2 Prozent). Nur das Schlusslicht Tschechien weist mit 30,6 Prozent einen noch geringeren Wert aus. Spitzenreiter ist Russland, hier sprechen nahezu zwei Drittel der Mädchen in der Familie über naturwissenschaftlich-technische Themen (62,0 Prozent). Und auch fast jede zweite junge Französin tauscht sich dazu oft mit Vater oder Mutter aus (47,1 Prozent).

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Dabei geht es den deutschen Mädchen laut der Studie vor allem um den inhaltlichen Austausch mit ihren Eltern, nicht so sehr um Motivation. In Deutschland ist der Anteil derjenigen, die mehr Zuspruch von Vater und Mutter verlangen (31,7 Prozent), und der Mädchen, die das explizit nicht einfordern (29,8 Prozent), fast gleichauf. Das ist ein krasser Unterschied im Vergleich zu den Resultaten der anderen europäischen Länder, nur das Nachbarland Niederlande weist ähnlich ausgeglichene Werte auf. In allen anderen Ländern vermisst ein Großteil der Befragten den Zuspruch der Eltern beim Thema MINT. Hierzulande würden sich die Mädchen hingegen unter anderem mehr Ermutigung von ihren Lehrern (43,4 Prozent) und von Frauen wünschen, die bereits in MINT-Berufen erfolgreich sind (46,1 Prozent).

Männliche Domäne

Das Problem: Der MINT-Bereich gilt nach wie vor als eine männliche Domäne. 53,5 Prozent der Mädchen in Deutschland geben auch an, dass sie zuerst an einen Mann denken, wenn sie an einen Wissenschaftler, Ingenieur oder Programmierer denken. Nur in Tschechien (59,4 Prozent) und der Slowakei (56,5 Prozent) sind die Geschlechterrollen noch stärker ausgeprägt. In allen anderen untersuchten Ländern liegt dieser Wert immerhin noch bei mindestens 40 Prozent, in keinem Fall denken Mädchen nahezu genauso oft an eine Frau, wenn es um einen Wissenschaftler geht.

Sabine Bendiek nimmt daher auch die IT-Industrie in die Pflicht: „Es ist an der Zeit, mit geschlechterspezifischen Vorurteilen in der Branche aufzuräumen und Transparenz zu schaffen, damit mehr junge Frauen diesen Karriereweg einschlagen. Gerade junge Frauen wollen konkrete Anwendungen von MINT-Disziplinen für das Gemeinwohl verstehen. Diese Neugier müssen wir nutzen, denn nur mit ihrer Hilfe bleibt die deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähig, nur so kann uns ein digitales Wirtschaftswunder gelingen.“ N4t

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