GEW bietet Kultusministern gemeinsames Vorgehen gegen Lehrermangel an – Tepe: „Die Situation geht auf die Knochen der Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen“

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FREIBURG. Die Integration GeflĂŒchteter im Bildungssystem lĂ€sst zu wĂŒnschen ĂŒbrig, die Inklusion ist unterfinanziert – und  Lehrer fehlen sowieso: Auf ihrem Deutschlandtag fasst die Bildungsgewerkschaft GEW heiße Eisen an. Gegen den Lehrermangel will die Vereinigung gemeinsam mit den Kultusministern ins Feld ziehen.

Die alte und neue GEW-Vorsitzende Marlies Tepe auf dem Gewerkschaftstag. Foto: GEW
Die alte und neue GEW-Vorsitzende Marlies Tepe auf dem Gewerkschaftstag. Foto: GEW

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat den Kultusministern der LĂ€nder eine Zusammenarbeit im Kampf gegen den Lehrermangel angeboten. „In den meisten BundeslĂ€ndern können schon heute viele ausgeschriebene Stellen nicht mehr mit voll ausgebildeten LehrkrĂ€ften besetzt werden. Die Folgen sind dramatisch: Gesellschaftlich wichtige Projekte wie der Ausbau der Ganztagsbetreuung, die Weiterentwicklung der Inklusion, die Integration GeflĂŒchteter und der Anschluss an das digitale Zeitalter werden gefĂ€hrdet. Und: Die Mangelsituation geht auf die Knochen der Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen“, sagte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe am Mittwoch zum Abschluss des 28. Gewerkschaftstages in Freiburg. Erste Schritte, die sofort angegangen werden mĂŒssen, seien die Ausweitung der AusbildungskapazitĂ€ten fĂŒr kĂŒnftige LehrkrĂ€fte vor allem fĂŒr das Grundschullehramt, der Erhalt des Stellenpools und dessen bedarfsgerechter Ausbau.

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DafĂŒr mĂŒssten deutlich mehr Ressourcen bereitgestellt werden. „Diese Gelder mĂŒssen entlang der Leitlinie ‚SchulqualitĂ€t sichern – Reformen offen halten‘ gesteuert werden. Wir wollen die Bildungsgerechtigkeit verbessern und endlich wieder attraktive Arbeitsbedingungen schaffen. Nur so können wir mehr junge Menschen fĂŒr den wunderbaren Beruf des Lehrers, der Lehrerin gewinnen“, betonte Tepe. Als weitere zentrale Themen, die die GEW nach dem Gewerkschaftstag auf die politische Tagesordnung setzen wird, benannte sie „Bildung in der Migrationsgesellschaft“ und „Inklusion“.

„Bildung ist ein Menschenrecht“

Sie verlangte einen „Paradigmenwechsel in der Integrationspolitik“. Diese mĂŒsse den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Gleichberechtigung fördern sowie von arbeitsmarkt-, sozial- und bildungspolitischen Reformen flankiert werden. „Bildung in der Migrationsgesellschaft ist direkt mit dem Leitbild inklusiver Bildung verknĂŒpft“, betonte die GEW-Vorsitzende. „Bildung ist ein Menschenrecht. Es darf weder vom Aufenthaltsstatus, der Dauer eines Asylverfahrens oder der individuellen Bleibeperspektive abhĂ€ngig gemacht werden. Wir brauchen einen bildungspolitischen Kurswechsel, um gute Bildung fĂŒr alle Menschen umzusetzen.“

Tepe stellte fest, dass beispielsweise das Recht auf Schulbesuch fĂŒr GeflĂŒchtete und Asylsuchende in Schulgesetzen und -verordnungen angepasst werden mĂŒsse. Ebenso seien bĂŒrokratische HĂŒrden abzubauen, damit die Schulpflicht vom ersten Tag an bzw. schon in den Erstaufnahmeeinrichtungen greifen kann. Auch Qualifikationen, die Menschen in anderen LĂ€ndern erworben haben, mĂŒssten in Deutschland leichter und schneller anerkannt werden, damit die Integration in Ausbildung und Beruf reibungsloser klappt.

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Tepe machte aber auch deutlich, dass gleichzeitig „alle Bildungsbereiche quantitativ und qualitativ ausgebaut werden mĂŒssen“. Das gelte fĂŒr die Weiterentwicklung der Ganztagsangebote, aber ebenso fĂŒr den frĂŒhkindlichen und berufsbildenden Bereich. Auch die Lernangebote fĂŒr Erwachsene, besonders die Integrationskurse mĂŒssten kontinuierlich weiterentwickelt und aktuellen Anforderungen angepasst werden. Die GEW-Vorsitzende unterstrich, dass Aus- und Fortbildung aller pĂ€dagogischen FachkrĂ€fte stĂ€rker auf die migrationsgesellschaftliche RealitĂ€t auszurichten sei. DafĂŒr mĂŒssten unter anderem Deutsch als Zweitsprache (DaZ) und Mehrsprachigkeit zu einem integralen Bestandteil der Qualifizierung von PĂ€dagoginnen und PĂ€dagogen werden.

„Es gibt keine Alternative zur Inklusion“, betonte Tepe. Sie wies jedoch darauf hin, dass Politik gerade dabei sei, den Erfolg einer umfassenden inklusiven Entwicklung des Bildungswesens aufs Spiel zu setzen. „Es werden zu wenig Gelder, zu wenig Personal und Zeit sowie wissenschaftliche Begleitung des Inklusionsprozesses bereit gestellt. Letztlich fehlt es am politischen Willen, inklusive Bildung und damit die verbrieften Menschenrechte umzusetzen“, sagte die GEW-Vorsitzende. „Das bedeutet schlechte Arbeitsbedingungen fĂŒr Lehr- und sozialpĂ€dagogische FachkrĂ€fte sowie schlechte Lernbedingungen der SchĂŒlerinnen und SchĂŒler.“

Tepe schlug ein BĂŒndel an Maßnahmen vor, das fĂŒr einen erfolgreichen Weg zu einem inklusiven Bildungswesen erforderlich sei. Dazu gehöre, das Parallelsystem von Förder- bzw. Sonderschulen und allgemeinen Schulen schrittweise aufzuheben. Zudem seien zusĂ€tzliche Personalressourcen bereitzustellen. „Dabei gilt der Grundsatz: Schulen, die etwa in sozialen Brennpunkten arbeiten, mĂŒssen stĂ€rker unterstĂŒtzt werden als Schulen, die im Villenviertel liegen“, hob Tepe hervor.

Multiprofessionelle Teams

Sie machte sich auch fĂŒr den Ausbau „multiprofessioneller Teams“ stark. FĂŒr eine gelingende Inklusion sei die Zusammenarbeit unterschiedlicher pĂ€dagogischer Professionen auf Augenhöhe notwendig. „Wir brauchen allgemeine und sonderpĂ€dagogische LehrkrĂ€fte sowie sozialpĂ€dagogische, therapeutische und andere FachkrĂ€fte“, sagte die GEW-Vorsitzende. Sie machte deutlich, dass inklusive PĂ€dagogik kleinere Klassen, aber auch entsprechende rĂ€umliche Rahmenbedingungen verlange. Dabei sei Barrierefreiheit in Schulbauplanung und -sanierung systematisch aufzunehmen. Last but not least mĂŒsse die Aus-, Fort- und Weiterbildung der PĂ€dagoginnen und PĂ€dagogen auf die Anforderungen einer inklusiven PĂ€dagogik ausgerichtet werden.

Die Delegierten hatten die 63 Jahre alte Lehrerin Tepe bei dem fĂŒnftĂ€gigen Treffen fĂŒr weitere vier Jahre an der Spitze der GEW bestĂ€tigt. Die Gewerkschaft zĂ€hlt rund 280.000 Mitglieder und kommt alle vier Jahre zu ihrem deutschlandweiten Treffen zusammen. Agentur fĂŒr Bildungsjournalismus / mit Material der dpa

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sofawolf
5 Jahre zuvor

Die GEW ist mitschuld daran, dass es auf die Knochen der Lehrer und Lehrerinnen geht, weil sie die falsche „Politik“ betreibt ! 🙁