DÜSSELDORF. Insbesondere in den Grundschulen herrscht ein akuter Lehrermangel – und der wird sich noch verschärfen. Die Antwort der Kultusministerien auf die Situation ist bislang recht phantasielos. Vor allem werden Seiteneinsteiger rekrutiert. In Sachsen beispielsweise haben fast zwei Drittel der zum Schulhalbjahr neu eingestellten Lehrer keine grundständige Ausbildung. Dabei liegt eine große Personalressource brach, wie unser Gastautor Oliver Keßels feststellt: die Lehramtsstudierenden. Ein verstärkter und vor allem längerer Einsatz könnte beiden Seiten helfen, den Schulen, die Unterstützung bekommen, und den Studentinnen und Studenten selbst, die dabei viel lernen können, meint Keßels – der selbst ein junger Lehrer an einer Grundschule ist.
Vor kurzem veröffentlichte die Bertelsmann-Stiftung eine Studie und prognostizierte, dass bis 2025 allein an Grundschulen 35.000 Lehrkräfte fehlen werden. Die aktuelle Situation an Deutschlands Schulen lässt erahnen, was auf alle Beteiligten des Bildungssystems zukommt. Problematisch wird die Situation vor allem deswegen, weil die Lehrerausbildung in der Regel sechseinhalb Jahre dauert. Selbst wenn es der Politik gelingen würde, genügend Studierende ab sofort für das Lehramt zu begeistern, wären diese erst Anfang 2025 vollständig ausgebildet. Momentan wird versucht, mit pensionierten Lehrkräften und Quereinsteigern dem Mangel entgegenzuwirken. Kurzfristig gewiss eine sinnvolle Maßnahme, die aber langfristig das Problem nicht in den Griff bekommen kann. Gleichzeitig wird die Anzahl an Schulkindern pro Klasse immer größer und Lehrkräfte an die Grenzen ihrer Ressourcen getrieben. In Zeiten der Inklusion und anderer Herausforderungen des Lehreralltags, die täglich wachsen, muss sich nicht nur das Bildungssystem ändern, sondern auch die Lehrerausbildung überdacht werden.
Wenn erfahrene Lehrerinnen oder Lehrer über ihr eigenes Studium laut nachdenken, hört man oft die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis heraus. Die Universitäten haben die Aufgabe, Studierenden die Theorie für das Berufsleben in den Schulen zu vermitteln. Dazu gehört auf der einen Seite Fachwissen für das jeweils später zu unterrichtende Fach. Darüberhinaus benötigt es auf der anderen Seite pädagogische und didaktische Grundlagen, damit dieses Fachwissen auch an die Schulkinder weitergegeben werden kann. Dieses Know-how ist sicherlich das Fundament auf dem die Arbeit einer Lehrkraft aufgebaut wird. Die große Herausforderung liegt aber darin, Theorie und Praxis miteinander sinnvoll zu verknüpfen, um nachhaltige Erkenntnisse bereits im Studium gewinnen zu können.
Verpasste Chancen
Diese frühen Chancen werden von den Universitäten jedoch häufig verpasst. Ein wenig überspitzt formuliert, bildet in der Regel das Bestehen von Prüfungsleistungen das Maximalziel für Studierende – im besten Fall mit guten Noten. Diese Noten werden über Klausuren oder andere Prüfungsleistungen erreicht. Nun stellt sich die Frage, was diese Noten über eine angehende Lehrerin oder einen angehenden Lehrer eigentlich aussagen. Besteht man eine Klausur, ist man in der Lage, Wissen auswendig auf den Punkt zu bringen. Bei einer Hausarbeit muss sich mit einer Fragestellung auseinandergesetzt werden, zu der man selbstständig recherchiert und wohl überlegte Formulierungen schreibt. Klausuren haben allerdings oft keinen anhaltenden Effekt, weil nicht der Erkenntnisgewinn, sondern lediglich das Erreichen einer Mindestpunktzahl das Ziel darstellt. Hausarbeiten hingegen regen zum kreativen und intensiven Nachdenken zu einer bestimmten Theorie an, scheitern aber dann an einem konkreten Praxisbezug.
Ein Beispiel soll diese Problematik verdeutlichen. Einen Teil des Mathematikstudiums im Lehramt bildet das „Entdeckende Lernen“. Kurz zusammengefasst sollen Studierende in der Theorie erfahren, wie man mathematische Inhalte für alle Sinne greifbar gestalten kann, um Kindern vielfältige Zugänge zu ermöglichen. Dabei werden Lernprozesse von Heranwachsenden genauer betrachtet und in einen mathematischen Kontext gebracht. Anschließend soll dieses Wissen anhand von Fallbeispielen angewendet werden. Das Fachwissen hat sicherlich eine gerechtfertigte Bedeutung und auch der theoretische Umgang damit ist wichtig. Leider wird aber wieder auf eine praktische Anwendung verzichtet. Warum sollen Studierende nicht die Möglichkeit haben, eigene Ideen zu entwickeln und unter realen Bedingungen auszuprobieren?
In verschiedenen Praxiselementen des Studiums gibt es Möglichkeiten, die Institution Schule besser kennenzulernen. Leider sind diese aber auf wenige kurzweilige Praktika reduziert. In dieser Zeit sollen sich Studierende sinnvollerweise jedoch überwiegend mit ihrer eigenen Person auseinandersetzen und eine eigene Postion im Lehreralltag finden. Theorie und Praxis werden dann in Form von Berichten oder ähnlichen Arbeiten kurz zusammengebracht.
Seit wenigen Jahren gibt es an vielen Universitäten darüberhinaus das Praxissemester. Dabei haben Studierende die Aufgabe, sich mit fachbezogenen Forschungsthemen praktisch und theoretisch zu beschäftigen. Dafür müssen sie zunächst über mehrere Monate hinweg verschiedene Aufgaben im Schulalltag übernehmen und dürfen einzelne Unterrichtssequenzen durchführen. Gleichzeitig entwickeln sie Gedanken zu einem konkreten Thema, welche sie dann in einer realistischen Kulisse in der Praxis überprüfen können. Ihre Erkenntnisse werden dann zusammengefasst, mit Fachwissen angereichert und anschließend vorgestellt. All das klingt sinnvoll und das ist es bestimmt auch. Leider findet das Praxissemester erst kurz vor dem Ende des Studiums statt, weshalb bereits im Vorfeld viele Chancen verpasst werden.
Probieren geht über Studieren
Warum wird das Potenzial von motivierten angehenden Lehrkräften nicht genutzt? Überarbeitet man die Lehrausbildung in ihrem Kern, könnte die Theorie auf ein Nötigstes reduziert werden, um überflüssige Inhalte verschwinden zu lassen. Das hätte den Vorteil, dass Studierende mehr Zeit für Praxiselemente hätten und auf langweilige Klausuren verzichten könnten. Im Folgenden soll ein Modell vorgestellt werden, das die Lehrerausbildung revolutionieren und attraktiver gestalten kann.
Ein Bachelorstudium dauert sechst Semester. In den ersten beiden Semestern sollen pädagogische und didaktische Grundlagen geschaffen werden. Zentral geht es dabei um die Fragen: Was ist Lernen? Was ist guter Unterricht? Welche Aufgaben haben Lehrkräfte? Gleichzeitig soll auch nötiges fachspezifisches Wissen vermittelt und an didaktische Fragestellungen angeknüpft werden. Ab dem zweiten Semester spielt dann auch das wissenschaftliche Arbeiten eine wichtige Rolle. Studierende sollen dabei lernen, sich selbstständig Wissen anzueignen und unter wissenschaftlichen Anforderungen darzustellen. Auf Klausuren zur Leistungsüberprüfung soll während des gesamten Studiums verzichtet werden. Stattdessen sollen Studierende die Möglichkeit haben, eigene Gedanken zu formulieren und diese schriftlich oder mündlich vorzutragen. Das soll stures Auswendiglernen vermeiden und zu einer kreativen Auseinandersetzung mit Inhalten führen. Ab dem dritten Semester sollen die Studierenden dann in Schulen eingesetzt werden. Das dritte Semester soll lediglich zum Hospitieren und zum Austausch mit erfahrenen Lehrkräften genutzt werden. Problematisch könnte es werden, weil nicht alle Städte über Universitäten verfügen und Studierende deswegen nicht gleichmäßig verteilt werden könnten. Zu viele Praktikantinnen oder Praktikanten an einer Schule könnten dann Unruhe mit sich bringen und die Lernatmosphäre beeinträchtigen. Eine Lösung könnte sein, dass die Studierende die Praxiselemente in ihren Heimatorten absolvieren und ihnen das Pendeln zum Studienort zeitlich ermöglicht wird. Die Universitäten haben nun die Aufgabe, weiteres Fachwissen zu vermitteln und pädagogische Grundlagen an die Praxiserfahrungen zu knüpfen. Folgende Fragen sollten von den Studierende dabei berücksichtig werden: Was habe ich beobachtet? Wie ist die zuständige Lehrkraft damit umgegangen? Wie würde ich damit umgehen? Was sagt die Fachwelt?
Ab dem vierten Semester sollen Studierende dann die Möglichkeit haben, Unterrichtssequenzen unter Anleitung einer erfahrenen Lehrkraft zu übernehmen und sich fachlich mit den jeweiligen Themen zu beschäftigen. Im fünften und sechsen Semester sollen die Studierenden erfahren, wie man Schülerinnen und Schüler dort abholen kann, wo sie gerade stehen. Konkret geht es um Fördermaßnahmen und der Auseinandersetzung mit dem Kind als solches. Welche Voraussetzungen hat das Kind? Welche Faktoren bestimmen den Lernerfolg? Welche Fördermaßnahmen können ergriffen werden? Welche außerschulischen Förderinstitutionen gibt es?
Einzelne Schüler fördern
Studierende könnten in dieser Phase eine große Unterstützung sein, weil sie explizit einzelne Schülerinnen oder Schüler fördern und damit zur Verbesserung der Lernatmosphäre beitragen. Mit der schriftlichen Bachelorarbeit sollen sich Studierende zum Abschluss des Bachelors intensiv mit einem Thema theoretisch auseinandersetzen, aber auch die absolvierten Praxiselemente reflektieren können.
Der anschließende und obligatorische Master-Studiengang soll im ersten Semester vor allem Raum für weiteres fachspezifisches Wissen ermöglichen. Ab dem zweiten Semester steht dann die Vorbereitung des Referendariats im Fokus. Studierende sollen sich überwiegend mit der Unterrichtsvorbereitung -durchführung und -nachbereitung auseinandersetzen und immer mehr Aufgaben im Schulalltag übernehmen können. Das bereits gewonnene Fachwissen soll dabei gefestigt und nur noch gering erweitert werden. Die Masterarbeit am Ende des Studiums soll dann die gleiche Funktion wie die Bachelorarbeit erfüllen. Das Anschließende Referendariat kann anschließend mindestens um ein halbes Jahr verkürzt werden.
Dieses Modell verkürzt die Ausbildungsdauer zwar nur gering, aber Lehrkräfte können durch das Mitwirken durch Studierende entlastet werden. Dennoch besteht auch die Gefahr, dass Studierende bereits früh überfordert werden, weil sie zu viele Aufgaben übernehmen sollen, denen sie in einer frühen Phase ihrer Ausbildung nicht gewachsen sind. Außerdem könnten erfahrene Lehrkräfte die Betreuung von Studierenden als zusätzliche Belastung empfinden. Es braucht also klare Regeln für alle Beteiligten und eine detailliertere Formulierung für dieses Modell. Studierende, die sich selbst finanzieren, müssen auch die Möglichkeit haben, Geld zu verdienen. Es gibt also noch einige Herausforderungen, die zu bedenken sind. Vor allem inhaltlich fehlt es dem Model an Reife, die noch entwickelt werden muss. Dennoch sollte das Credo jetzt schon lauten: Mehr Praxis und weniger überflüssige Theorie. Oliver Keßels
Oliver Keßels hat auf News4teachers auch schon einen Beitrag über seine Erfahrungen im Umgang mit Flüchtlingskindern berichtet.
Meiner Meinung nach kann man diesen Artikel aus rein praktischen Gründen komplett in die Tonne treten. Der Autor benennt einige Probleme, bietet aber keine ernsthaften Lösungen.
Das Hauptproblem ist aber: Wenn Studierende ernsthaft Aufgaben übernehmen und Lehrkräfte damit entlasten sollen, müssen alle Schule in etwa gleich viele Studierende pro Schüler abbekommen. Was aber, wenn die nächste Uni von einer Schule zwei Fahrstunden oder mehr entfernt ist? Oder sie so auf dem Dorf liegt, dass sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln im Grunde nicht zu erreichen ist? Studenten können sich keine zweite Unterkunft oder ein Auto finanzieren. Ebenso können aus Gründen der Chancengleichheit die Schule in Uninähe nicht mehr Studierende abbekommen als Schulen auf dem Land.
Allein daran scheitern diese netten Gedanken und mit ein wenig Nachdenken hätte man auch vorher drauf kommen können.
Hallo,
ich habe im Artikel genau dazu eine Lösung präsentiert. Studierende sollen die Möglichkeit haben, Praxiseinheiten in ihren Heimatstädten zu absolvieren.
Das Studium muss meine Meinung nach von Grund auf geändert werden.
Viele Grüße
“Das Studium muss meine Meinung nach von Grund auf geändert werden.”
Dieser Meinung sind zahlreiche Bildungspolitiker seit Jahrzehnten, und seitdem wird ständig reformiert, eine Prüfungsordnung jagt die andere. Zuletzt hat man den Segen von Bachelor/Master entdeckt, was erstmal zur Verlängerung der Regelstudienzeit geführt hat. Noch sind an manchen Orten die ersten Studierenden mit ihrem Master gar nicht an den Schulen angekommen, weil das noch zu neu ist. Aber genau dieses ständige Reformieren hat dazu geführt, dass so viele Köche in diesem Brei herumrühren, dass er immer ungenießbarer wird. Nachweisliche Erfolge gibt’s keine mehr, nur noch Schönreden und “Prinzip Hoffnung”.
“Ab dem zweiten [Bachelor-]Semester spielt dann auch das wissenschaftliche Arbeiten eine wichtige Rolle.” Wo soll das denn gelernt werden, wenn es bis zum Abitur nicht mehr Thema ist (trotz der Präambel in den KMK-Abiturstandards), die jungen Studenten also davon weitgehend unberührt sind ? Was bitte verstehen Sie in diesem Zusammenhang unter “wissenschaftliches Arbeiten” ? Früher war (an der Uni) die Staatsexamensarbeit die erste wissenschaftliche Arbeit, die abzuliefern war, nach meist 12 oder mehr Semestern.
Nein, das ist absolut keine Lösung!
Das funktioniert doch nur, wenn die Studierenden wieder bei Mama und Papa einziehen können, wollen und dürfen. Zudem gäbe es keinerlei Verzahung mehr zur Universität, da Studenten nicht zwangsläufig in dem Bundesland studieren, aus dem sie stammen, teilweise liegen da 500km und mehr dazwischen.
KÖNNEN und nicht MÜSSEN.
Sorry, Küstenfuchs, aber die Logik verstehe ich nicht. Schulen sollen keine Unterstützung bekommen, wenn nicht alle Schulen diesselbe Unterstützung bekommen können? Gilt das auch für Schulpsychologen und Sozialarbeiter? Auch hier ist die Verteilung höchst ungleich. Und das ist auch sinnvoll: In städtischen Brennpunkten zum Beispiiel sind die Herausforderungen ungleich größer als an ländlich-sittlichen Standorten, entsprechend mehr Hilfe ist nötig. Und städtische Brennpunkte dürften für Studierende gut erreichbar sein …
So schwer ist die Logik nicht zu verstehen. Ich arbeite an einer Schule, die mindestens 90 Fahrminuten von der nächsten Universität entfernt ist. Praktikanten, der von der Uni zentral verteilt werden, bekommen wir trotzdem nur, wenn Mama oder Papa noch in der Nähe wohnen. Das sind pro Schuljahr 2-3. Eine Kieler Schule hat locker mal 20 Praktikanten pro Jahr zu betreuen.
Für Praktika ist dieses Ungleichgewicht nicht schön, aber aus praktischen Erwägungen hinnehmbar. Wenn Grundschulen aus meiner Region und besonders deren Schüler aber dauerhaft und strukturell dermaßen benachteiligt würden, schlechtere Lernbedingungen haben, ist dies schlicht rechtswidrig (mir fällt der Name des Gesetzes nicht ein, vielleicht kann jemand aushelfen).
Ich wohne ähnlich weit von der nächsten Uni entfernt … und es gibt genug Schulen, für die es noch weiter ist.
Generell ist es auch hier so, dass die Schulen in den Uni-Städten genug Lehrkräfte habe, genug Referendare bekommen, genug Personal für den Ganztag – das ist zumindest das, was ich weiß. Angesichts des Lehrermangels suchen sich die Junglehrer ihre Schulen aus und die Stellen in den größeren Städten sind beliebter.
Stellen an Schulen bleiben frei in den Gebieten, die weit ab sind. Hier springen auch keine Studierenden ein für den Ganztag oder als Vertretungskraft, es gibt keine Uni-Projekte und nur die PraktikantInnen, die weit weg studieren, deren Praktikum ohne Uni-Begleitung läuft und die bei den Eltern wohnen, stimmt.
Wenn dem so ist, müssten eben dort andere Personenkreise angestellt werden können, um zusätzliches Personal in die Schulen nehmen zu können.
Darf ich fragen, wie viele SuS Sie in Ihrer Klasse haben?
Ich unterrichte in mehreren Klassen, mal mehr, mal weniger SuS.
Die Klassenteilung in meinem Bundesland liegt ab 27/28/29 SuS (in der Grundschule) – je nachdem, ob dem Antrag stattgegeben wird oder nicht.
Entsprechend gibt es Klassen mit 14 SuS und Klassen mit 26 oder mehr SuS, auch an meiner Schule.
Die Kinder mit festgestelltem Unterstützungsbedarf werden doppelt gezählt, das sind in den GS in Niedersachsen generell die Kinder mit FöS Lernen + ESE, da es dafür keine FöS mehr gibt, gehen sie alle in örtliche Grundschulen und bleiben dort. An meiner Schule sind auch Kinder Fö Hören, Sprache, Körperlich-Motorische Entwicklung, Geistige Entwicklung, Sehen.
Doch auch mit der Doppelzählung wird eine Klasse nicht generell geteilt, wenn 26 oder (tatsächlich oder gezählt) mehr Kinder dort sitzen.
Nds. ist ein Flächenland, da ist die nächste Uni mit Lehramtsstudiengang nicht immer in der Nähe.
Was sagt Ihnen das jetzt?
Das unterstützt vollkommen meine Kritik: Würde man Studierende auch noch fest einkalkulieren, wären die Schulen am Rand noch stärker benachteiligt als sie es bei der Möglichkeit, Lehrkräfte zu gewinnen, ohnehin schon sind.
Das klingt so ähnlich, als sollten Medizinstudenten in Krankenhäusern arbeiten, um einen Mangel an Ärzten und Krankenpflegern auszugleichen. Allein die Motivation (Löcher stopfen) ist dabei abzulehnen. Zudem birgt ein allzu “praxisorientiertes Studium” die Gefahr, dass das Studium noch mehr verschult wird als ohnehin und zudem in Richtung “duale Ausbildung” rutscht. Schließlich könnten Leute ankommen und “Grundschullehrer” zu einem Azubi-Lehrberuf erklären so wie “Kita-Erzieher”. Offiziell ist es ein “wissenschaftliches” Studium (auch im Hinblick auf A 13), aber das könnte doch sehr ausgehöhlt werden. Es sei denn, man verlängert das Studium um die Zeit, die in der Praxis verbracht wurde. So schwingt auch ein “wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass” mit.
Demnächst sollen vielleicht noch Gymnasiasten der oberen Klassen einen Mangel an Azubis ausgleichen und teilweise im Handwerk oder im Handel arbeiten. Das klingt dann so wie der “freiwillige Ernteeinsatz” in der DDR.
Die “Ärzte im Praktikum” bzw. die “Praktischen Jahre” der Ärzte nach dem zweiten Staatsexamen gleichen ja schon den Personalmangel in Krankenhäusern aus, wobei sie offiziell die Richtung für die Facharztausbildung festlegen soll. Diese Jungärzte sind allerdings keine Studenten mehr. Insofern gebe ich Cavalieri recht.
Ich sehe das Problem nicht. Natürlich können Studierende keine Klasse übernehmen. Aber einzelne Kinder mal herauszunehmen und zu fördern (und damit die ordentlichen Lehrkräfte kräftig zu entlasten), das ginge sehr wohl.
Natürlich müssten die Studierenden dafür auch vernünftig entlohnt werden – viele sind darauf angewiesen, sich ihr Studium durch Jobs mitzufinanzieren. Es ist doch sehr viel sinnvoller, dafür gleich im angestrebten Beruf mitzuarbeiten, als im Supermarkt an der Kasse zu sitzen.
In vielen Berufen ist eine solche Mitwirkung von Studierenden übrigens üblich – und auch in der Medizin keineswegs absurd. Viele junge Menschen absolvieren ein Soziales Jahr im Krankenhaus oder machen eine medizinische Ausbildung, bevor sie ein Medizinstudium beginnen (und arbeiten dann selbstverständlich auch studienbegleitend mit – ohne gleich den Chirurgen zu ersetzen). Es gibt im Krankenhaus eben auch unterstützende Berufe. Die fehlen leider meist in den Schulen.
Ein Praktikum ist sicher gut und richtig, und das gibt’s im Prinzip ja schon lange, jetzt meist ein ganzes Praxissemester im Lehramtsstudium (selbstverständlich unbezahlt). Ich wollte ja nur davor warnen, diese Praxisorientierung zu überziehen. Wo soll denn die viele Zeit herkommen bei gleichzeitiger Beschränkung der Studienzeit auf insgesamt 10 Semester? Sind nicht jetzt schon viele überlastet (auch ohne jobben zu müssen) ? Die Referendare in Schleswig-Holstein haben sich (auch hier bei n4t) kürzlich schon über die viele Hin- und Herfahrerei beschwert, die so viel Zeit wegnimmt.
Böse Leute könnten auf die Idee kommen, das Studium auszudünnen und Billig-Lehrer heranzuziehen (offiziell erklärt man das genaue Gegenteil). Beispiel: In Österreich erwarben Grundschullehrer noch 2008 nur einen Bachelor und unterrichteten dann gleich:
http://www.zeit.de/2008/22/C-6-LehrerAustria
Vermutlich gibt’s dann aber keine gleiche Besoldung für alle. Weiß jemand, wie das heute ist?
Parallel dazu ist man ja auch der Meinung, die “guten” Schüler sollten die anderen quasi nebenbei unterrichten. Das mag in geringem Umfang okay sein, aber es könnte auch zu einem “Missbrauch” ausarten, nur im Interesse des Finanzministers.
Ich absolviere momentan mein Praxissemester. Ich finde der Vergleich zu Ärzten bzw. Medizinstudenten hinkt. Es macht sicherlich einen Unterschied, ob ich eine Operation durchführe oder eine Klasse unterrichte. Ich möchte damit den, zukünftig auch meinen, Beruf des Lehrers nicht abwerten, dennoch ist es meiner Meinung nach deutlich einfacher einen guten Unterricht durchzuführen als eine Operation.
Zudem würde ich mal wirklich in Frage stellen, inwiefern der Unterricht von einem Studierenden schlechter ist als der eines Referendaren oder eines Lehrers. Meine Beobachtung hat mir bestätigt, dass der Unterricht in Schulen fast ausnahmslos “schlecht” ist. Dies sagen auch die jeweiligen Lehrer. Ich habe dafür auch Verständnis, denn bei all den Aufgaben die man so als Lehrer hat ist es unmöglich einen wirklich guten Unterricht zu planen.
Ich kann von meiner Seite aus sagen: fachlich und didaktisch bin ich natürlich besser als erfahrene Lehrer. Genau damit habe ich mich ja eben in den letzten Jahren beschäftigt. Mir fehlt natürlich die Routine und das enge und bewährende Verhältnis zu den Schülern. Ich würde aber sicherlich ohne weiteres Klassen übernehmen können. Letztens meinte ein Lehrer nach einer von mir gehaltenen Stunde: Die Schüler waren begeistert, aber sind wir mal ehrlich. Solche Stunden machen sie vielleicht noch im Ref, aber nach 2-3 Jahren lassen sie es wie alle anderen auch schleifen, weil die Zeit dafür fehlt.
Das Praxissemester fühlt sich für mich wie vergeudete Zeit an. Entweder sitze ich beschäftigungslos hinten drin oder unterstütze die Lehrkraft beim Unterricht. Ich bin aber selten an der Unterrichtsplanung beteiligt (in die sowieso kaum Zeit gesteckt wird) und von anderen schulischen Abläufen bin ich als Praktikant auch außen vor. Das ist wirklich schlimm. Ich könnte mit der Zeit besseres anfangen. Ich werde dafür nicht bezahlt, ich muss nach der Schule die eigentliche Uniarbeit machen und lernen tue ich im Praktikum im Grunde auch nichts. Das kann man ja mal für ein paar Wochen machen, aber bitte doch nicht für ein komplettes Halbjahr. Das ist jetzt schon für die Praktikanten belastend und die Lehrer und die Schule werden damit auch unnötig belastet.
Also entweder holt man die Studierenden komplett rein für das Halbjahr oder man lässt es. So ist es einfach vergeudetes Potenzial auf beiden Seiten.
Genau das fällt darunter, dass die Bedingungen klar sein müssen, zu denen Studierende in die Schulen gehen. Während die einen nur hinten in der Klasse sitzen, können die anderen Einheiten entwickeln und halten.
Welche Vorbereitung, welche Absprachen, welche Bedingungen, welche Begleitung gab/gibt es seitens der Uni?
Die letzte Schülerpraktikantin (15 Jahre), die mit in meinem Unterricht war, hat viele Aufgaben übernommen. Für mich wäre es verschenkt, jemanden mit in der Klasse zu haben, die sich daraus ergebenden Möglichkeiten aber nicht zu nutzen.
Das ist aber dann besagte Mehrarbeit: Man muss sich mit den PraktikantInnen beschäftigen, überlegen, welche Aufgaben sie übernehmen können, was sie allein bewältigen, was man begleiten muss, welche Informationen es vorab braucht, welche Absprachen und wie viel Freiraum, wieviel und was man mit ihnen reflektiert. Die Verantwortung liegt bei der Lehrkraft: für die SuS UND für die Praktikantin!
“Unterrichten” ist für mich mehr, als ein vorgefertigtes Material anzukündigen, für mich gehört Planung und Auswertung dazu.
“Eine Klasse übernehmen” ist auch mehr, als einen fertig geplanten Unterricht abzuhalten, für mich bedeutet es, dass man die Verantwortung für diese Kinder übernimmt, einschließlich Arbeit an Konflikten und Erziehungsarbeit, Elterngesprächen, notwendige Differenzierung und Fördermaßnahmen, Inklusion, Integration der Migranten, Bürokratie uvm. Das ist selbst im Referendariat in vielen Bundesländern nicht der Fall: man bekommt Fachunterricht, aber keine Klassenleitung, sodass man die o.g. Aufgaben im abgesteckten Rahmen übernehmen muss.
Bei Studierenden im Vollzeit-Praktikum würde ich auch erwarten, dass sie in sämtliche andere Aufgaben zumindest Einblick erhalten, was bei SuS-PraktikantInnen nicht immer möglich ist. Entsprechend braucht es eine Freistellung von anderen Aufgaben in dieser Zeit.
Modelle für Praktika gibt es verschiedene, sie haben Vor- und Nachteile, sind je nach Ziel weniger oder besser geeignet – auch das ist Pädagogik.
Und während Herr Keßels die Ablehnung auf mangelnde Teamfähigkeit zurückführt, kann ich sicher sagen: Viele KollegInnen möchten keine PraktikantInnen betreuen, da sie die zusätzliche Mehrarbeit nicht verantwortungsvoll leisten könnten.
Ich finde interessant, was ein Junglehrer, der womöglich selbst nach Bachelor/Master studiert hat, über das Studium denkt. Meine Perspektive ist eine andere.
Mehr Praxis im Studium? Es gab schon vor der Umstellung Unis, die das umgesetzt haben und zwar mit sehr klaren Bedingungen:
1.+2. Sem.+ Ferien: Praktikum 1x in der Woche + 2 WOchen am Stück mit sehr enger Begleitung: hospitieren, Unterricht besprechen und Grundzüge der Didaktik quasi am lebenden Beipiel in einer kleinen Gruppe, betreut durch Pädagogen, mal Uni-Profs, mal pensionierte Lehrerinnen. Es war auch Zeit, über anderes zu sprechen, Fragen zu stellen etc. und es wurde erster eigener Unterricht vorbereitet, gehalten, analysiert – miteinander. Aus meiner Sicht eine gute Vorbereitung, da man wusste, wofür man studierte, da man auf die weiteren Praktika vorbereitet war, da man die Pädagogik nicht aus dem Blick verlor. (Erst im Referendariat habe ich gemerkt, wie wenig andere Unis diese Themen beachtet haben.)
Später im Studium weitere Praktika, immer mit Betreuung und immer in relativer Uni-Nähe, da die Uni dann die Mentoren einladen kann, da Vorgaben gesetzt werden und überprüfbar sind, da sich ein Netzwerk ergibt.
Ja, ich finde, dass Studierende in die Schulen gehen sollen, um erste Erfahrungen zu erlernen: betreut.
Und ich finde das System auch heute noch gut.
Inzwischen hatte ich etliche eigene PraktikantInnen. Das ist für die Lehrkraft nur manchmal Entlastung, meistens Mehrarbeit, häufig inspirierend. Mir gefällt das und ich hatte so viele gute Mentorinnen in meiner Ausbildung, dass ich viel zurückgeben möchte … an andere Studierende.
Aber: Es braucht Begleitung, denn es sollte eine AusBILDUNG sein.
Und anders als beim GHR300 in Nds. finde ich, dass die betreuenden Mentorinnen Entlastungsstunden bekommen sollten, statt weitere Mehrarbeit, denn die Betreuung der Studiernden-PraktikantInnen, die auch U-Besuche zeigen müssen etc., kommt zu den sonstigen Aufgaben hinzu. (Gleiches sollte überall für die Betreuung von ReferendarInnen gelten!)
Wer zusätzliches Personal in den Schulen wünscht, damit sich die vielen Aufgaben auf mehr Schultern verteilen, sollte nicht auf unbezahlte Praktika verweisen, sondern auf anderes, bezahltes (!) Personal.
1. Vorschlag:
Mir schwebt vor, dass es Therapeuten gibt, womöglich medizinisches Personal, Sozialpädagogen, Psychologen … und keine langen Anträge und keine Schulaufsicht im Nacken, sondern generell Unterstützung für SuS und LuL. Wer die Aufzeichnungen der Einschulungsuntersuchungen betrachtet, könnte daran erkennen, wie groß der Bedarf dafür ist! Bei der Frühförderung ist es so, dass es fest angestellte Sozialpädagogen oder Therapeuten gibt, die die Förderung auch koordinieren, und dass zudem örtliche Therapeuten hinzugezogen werden, je nach Kind und Förderbedarf. Mit der Einschulung ist damit leider Schluss. Warum?
2. Vorschlag:
Ähnlich anderen Berufen könnte es “pädagogische Assistentinnen” geben, die zum Kollegium gehören und die jeweils zu einer Klasse gehören, die die Kinder gut kennen und möglichst nicht laufend wechseln, die den Vormittag begleiten und etliche Aufgaben mit übernehmen könnten, die jetzt die Lehrkraft übernimmt: sich um kranke Kinder kümmern, sich um die Kinder kümmern, die zusätzlich Hilfe benötigen oder die Herausforderungen bekommen, Aufsicht führen, wenn die Lehrkraft selbst mit einer Kleingruppe etwas bearbeiten möchte, womöglich auch Aufsichten auf dem Schulhof/ am Bus. Welche Ausbildung diese Menschen bräuchten? Das ist eine gute Frage, die ich mir selbst noch nicht beantwortet habe.
3. Vorschlag:
Die kostengünstige und vielleicht auch schnellere Variante: BuFDis?
Warum geht es in einigen Bundesländern, in anderen nicht?
Nicht als Einzelfallhelfer, sondern als Hilfe in der Schule. In meinem BL ist es immer an einen Verein geknüpft, der die Finanzierung und Verantwortung und Versicherung übernimmt. Warum können sich Kostenträger nicht einigen, wer das Geld gibt, und Land oder Schulträger diese Stellen ausschreiben?
Aber: Immer bleibt die pädagogische Verantwortung in den Händen der Lehrkraft. (Vorschlag 2+3)
Studierende, Assistenzen oder BuFDis sollten keinen eigenständigen Unterricht erteilen und Zensuren geben – die Fragen und Bemerkungen von Eltern sind bei Referndaren und beim Quereinstieg schon deutlich. Sie werden vermutlich keine Konzepte schreiben, keine Lehrpläne umgestalten, keine Überprüfungen auf sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf verfassen.
Dafür können sie womöglich Feste und Ausflüge organisieren, Verwaltungsaufgaben abnehmen, Sammlungen, Büchereien, Schulbuchausleihen führen … vermutlich gäbe es noch einige Aufgaben, die man sicherlich Lehrkräften abnehmen könnte. Unterricht gehört m.E. nur sehr bedingt dazu.
Doch noch ein Nachtrag:
Dass Studierende Unterricht übernehmen gibt es in vielen Bundesländern längst:
Schulen, die nicht ausreichend mit Lehrkräften versorgt werden, erhalten ein Budget und eine Liste mit “Vertretungskräften”, die sie selbst abtelefonieren müssen, bis sie jemanden finden.
Und auf diesen Listen stehen auch eine Menge Studierende – mit allen Vor- und Nachteilen.
Und das wäre dann das Modell, vor dem Cavalieri zurecht warnt – dass Studierende den Unterricht komplett übernehmen, geht gar nicht.
Das ist aber mal wieder symptomatisch für unser Schulsystem/den öffentlichen Dienst: Statt systematisch alle Ressourcen zu nutzen, und zwar sinnvoll und gezielt (heißt: als Unterstützgskräfte dort, wo’s brennt), passiert erst mal lange gar nichts – Motto: “Das haben wir ja noch nie so gemacht”, Qualität, Ausbeutung blabla. Dann stellt die Schulbehörde fest, dass sie einen enormen Engpass hat. Und plötzlich werden alle Prinzipien über Bord geworfen – und Studierende stehen dann sogar alleinverantwortlich vor der Klasse.
Übrigens: Privatschulen beschäftigen sellbstverständlich Lehramtsstudierende für ihre Förderkurse. Die können ja auch rechnen.
Privatschulen müssen ja auch mit dem Schulgeld privatwirtschaftlich haushalten. Förderkurse sind Zusatzangebote, also ein Kostenfaktor, der keine zusätzlichen Einnahmen generiert. Studenten sind da willkommen, weil die schlechter bezahlt werden können.
Achtung: Ich meine die tatsächlichen Privatschulen, nicht die Schulen in kirchlicher Trägerschaft, deren Gehaltskosten zum überwiegenden Teil vom Land übernommen werden.
“Dieses Modell verkürzt die Ausbildungsdauer zwar nur gering …”
Die Verkürzung funktioniert nur dann, wenn auch gesagt wird, welche Lehrveranstaltungen an den Hochschulen gestrichen werden sollen zugunsten der praktischen Arbeit in den Schulen.
Andere Frage: Darf es überhaupt noch universitäre Lehrveranstaltungen am Vormittag geben, wo doch etliche Lehrämtler immer in “ihren” Schulen tätig sind ? Der Stundenplan ist ohnehin eine schwierige Sache wegen der geforderten Überschneidungsfreiheit.
Ich habe das Gefühl, dass uns hier — zumindest was den Zeitfaktor betrifft — eine “Milchmädchenrechnung” aufgemacht wurde. Mehr Praxis im Studium würde das Studium insgesamt eben verlängern, alles andere ist Wunschdenken.
Hallo,
konkret kann ich nicht auf einzelne Lehrveranstaltungen eingehen, weil sich die Universitäten im Angebot sehr unterscheiden. Ich nenne Ihnen aber gerne ein Beispiel aus meinem Studium:
Elemente der Geometrie, Elemente der Stochastik und die Didaktik eines dieser Fächer gehören zum Grundstudium Mathematik. Einmal Didaktik, zweimal Elemente. Warum? Mit der Umstellung auf Bachelor/ Master wurde das Studium bereits verlängert. Was hier viele nicht verstehen wollten, ist die Forderung nach einer völligen Neustrukturierung. Ich habe den Eindruck, dass einige im wahrsten Sinne Angst vor Studierenden haben. Ich fordere keineswegs, dass die Theorie gestrichen werden soll. Im Gegenteil: die Theorie ist eine wichtige Basis. ABER: in den Universitäten wird viel zu oft der Moment verpasst, Theorie und Praxis zu verbinden. Unterhalten Sie sich mal mit Studierenden des Lehramts. Es wird nur stupide für Klausuren gelernt. Hausarbeiten bieten viele Möglichkeiten, die nicht genutzt werden.
Viele Grüße
Ich denke, die meisten Lehrkräfte haben das Studium vor der Umstellung absolviert – Sie haben ja selbst geschrieben, dass in manchen BL die Master-Studierenden noch gar nicht in den Schulen angekommen sein können.
Zu meiner Studienzeit gab es häufig die Wahl zwischen Klausur oder Hausarbeit, man durfte aussuchen, oder es gab entweder das eine oder das andere, um Nachweise zu erbringen – von Referaten abgesehen.
Auch das Anfertigen von Hausarbeiten hat nicht nur Vorteile.
Zu Theorie und Praxis:
Es gibt Elemente im Studium, in denen es um das fachliche der Studienfächer geht. Meiner Meinung nach sollte es da bei “Theorie” bleiben und es geht, auch im Grundschullehramt, meines Wissens über das Abiturwissen hinaus.
Selbst bei Studiengängen, die allein auf GS-Lehramt ausgerichtet sind, wird das so sein, in etlichen Bundesländern gibt es immer noch eine Verbindung zwischen GS+SekI.-Lehramt im Studium.
Zur Praxis gehören meiner Meinung nach Praktika und Verantstaltungen der Pädagogik und Psychologie, in denen es um Methodik+Didaktik geht, um Entwicklungsstufen, Kommunikation, Lernschwierigkeiten, Diagnose.
Ist das heute anders? Was genau stellen Sie sich denn vor?
Ich stelle mir schlicht eine bessere Verbindung von Theorie und Praxis vor. So kann das Wissen besser gefestigt werden und Studierende setzen sich automatisch intensiver mit Fachwissen auseinander. Natürlich geht es über das Abiturwissen hinaus, aber ist überflüssige Theorie die richtige Antwort darauf?
Ihre Kommentare vermitteln den Eindruck, dass es ausreichen würde, sein Abitur zu bestehen, und man anschließend als Lehrkraft vor der Klasse stehen kann, wo man selbst in der Praxis am Beispiel übt, wie man den SuS etwas vermittelt.
Meinen Sie das so?
Was am Studium ist Ihrer Meinung nach überflüssig?
Autsch! Nein, das meine ich garantiert nicht. Fachwissen ist das eine, Didaktik das andere. Was halten sie denn für wichtiger?
Sie vergessen die dritte Stütze guten Unterrichts: zielführende Pädagogik in Verbindung mit Didaktik und Theorie!
Als eine Sopäd Studentin die in Fach Mathematik mit GS zusammen in den Vorlesungen sitzt kann ich nur bestätigen, im theoretischen Teil, geht es weit über Abiturwissen hinaus. Und das ist in Mathe ein großes Problem. Hier wird ein Vorwissen verlangt, das selbst ein Leistungskurs Mathematik nicht geschaffen hat und so geht schnell ein oder zwei Semester verloren, da die Prüfungen nicht bestanden werden. Zudem wird (zumindest an meiner Universität) gerade das Fach Mathematik zum “aussieben” der Studenten genutzt. Was im grunde der falsche Ort ist. Was bringt mir ein Lehrer, der mathemtisch top fitt ist, allerdings von der Didaktik und der Bildungswissenachaft keine Ahnung hat. In dem Bereich spricht allein schon die Art und Weise der Klausuren für sich. BiWi wird mit 30 Minuten angesetzt und ist eine reine ankreuz Klausur, wo Student neben Student sitzt und schummeln quasi ohne mit der Wimper zu zucken toleriert wird (wenn es überhaupt notwendig ist) . Während Mathe über drei bis vier Stunden geschrieben wird, das Ausmaß einer Abitur Klausur besitzt und man das Gefühl hat, man stünde unter voll Überwachung, wo selbst jedes Etikett einer Wasserflaschen kleinteilig überprüft wird.
“Hier wird ein Vorwissen verlangt, das selbst ein Leistungskurs Mathematik nicht geschaffen hat.”
Tja, auch der Leistungskurs degeneriert halt immer mehr. ZIel ist heute eine hohe Abiturquote, nicht aber eine hohe Qualität hinsichtlich dessen, was gelernt wurde.
Umso mehr ist eben die Aussage “Das Fachwissen habe ich mit dem Abitur bereits bewiesen” unzutreffend. Es gibt eben auch schwache Abiturienten, die gerade eben so durchrutschen. Die haben dann praktisch gar nichts “bewiesen”. dürfen aber dennoch studieren. Man hat Mathe als Pflicht für Grundschullehrer eingeführt, nachdem man bemerkt hat, dass diejenigen, die das im Studium gar nicht hatten, dann die Aufgaben für die Schüler selber nicht mehr richtig beherrschten. Wer blickt zum Beispiel beim “halbschriftlichen Rechnen” durch? Ebenso soll es Abiturienten geben, die die Rechtschreibung nicht mehr beherrschen, sie dann aber lehren sollen. Die haben das Fachwissen eben nicht bewiesen. In Berlin gibt’s zudem eine 6-jährige GS. Es kann allerdings sein, dass man jetzt das Pendel nach der anderen Seite zu weit ausschlagen ließ. Es ist schwer, das richtige Maß zu finden.
“Die Theorie ist eine wichtige Basis.”
“Auf Klausuren zur Leistungsüberprüfung soll während des gesamten Studiums verzichtet werden.”
Aber wieviel Theorie soll es denn sein? Und wie soll eine Leistungsüberprüfung nun praktisch funktionieren, besonders bei dem Teil, der in der Schule abzuleisten ist? Bachelor + Master umassen 300 Leistungspunkte, die ganz offiziell in Arbeitsstunden umgerechnet werden können. Nach dem, was Sie in dem Aritkel über das 3., 4., 5. Semester schreiben, sollten Sie mal bitte eine Aufstellung liefern, wieviel Aufwand das gesamte Studium (einschließlich Praxis-Teile) nun haben soll, wie lange das dauern soll usw.
Man kann nicht fordern: von der Theorie wollen wir keine Abstriche machen, aber dies und das wollen wir noch hinzufügen. Also wieviele Stunden sollen die Leute während des Studiums in der Schule zubringen, wieviele in der Hochschule, und wieviele sind als häusliche Arbeit einzukalkulieren?
Mir scheint, das läuft auf so eine Art Azubi-Dasein hinaus: halb Praxis im Betrieb, halb Berufsschule. Aber mit sowas dann A 13 zu rechtfertigen dürfte schwierig werden.
Die Idee, den Lehrermangel zu mindern, indem Studierende als Lehrer eingesetzt werden, halte ich aus zwei Gründen für falsch.
(1) Studierende sind noch nicht ausgebildet. Sie arbeiten also an den Schulen zugespitzt ausgedrückt, “ohne zu wissen, was sie tun”. Das mag gut sein für sie selbst, denn aus Fehlern lernt man. Aber es ist schlecht für die Schüler, die das “ertragen” müssen. Diese Schüler sind nur 1 x in der jeweiligen Klassenstufe. Was da “verdorben” wurde, kann oft kaum noch aufgeholt werden. (Der Lehrer hingegen macht es einfach beim nächsten Mal besser.)
(2) Wenn man sagt, Studierende könnten auch einfach als Lehrer arbeiten (siehe 1), dann wertet es Studium und Referendariat ab. Das ist per se nicht schlimm. Für eine Verkürzung bin ich auch, insbesondere, was den theoretischen Teil an der Uni anbelangt. Aber gerade jetzt zeigen uns die Massen an Seiteneinsteigern, was alles schief gehen kann, wenn einem die praktische Ausbildung (Referendariat) fehlt. Überall werden jetzt Programme aufgelegt, um Seiteneinsteiger für den Unterricht fit zu machen, weil es ohne nicht geht – und nun sollen Studierende ins kalte Wasser springen? Kann also Lehrer doch jeder?!?
Nach mehr Praxis ruft man schon seit meiner Lehrerausbildung. Da hat sich doch einiges getan! Ein bisschen Ausbildung muss auch sein!
Hallo,
ich habe leider den Eindruck, dass Sie den Artikel nicht vernünftig gelesen haben. Die Studierenden sollen schrittweise an die Schulen herangeführt werden und im Laufe des Studiums mehr und mehr Aufgaben übernehmen. Ich fordere schlicht eine besser Verbindung von Theorie und Praxis. Das Erfordert aber gewiss eine völlige Neustrukturierung des Studiums.
Viele Grüße
Ich beziehe mich auf diese Aussage:
(Zitat) “Dabei liegt eine große Personalressource brach, wie unser Gastautor Oliver Keßels feststellt: die Lehramtsstudierenden. Ein verstärkter und vor allem längerer Einsatz könnte beiden Seiten helfen, den Schulen, die Unterstützung bekommen, und den Studentinnen und Studenten selbst, die dabei viel lernen können, meint Keßels …”
Alles andere ist ja nicht neu. Wie gesagt, das höre und lese ich seit meiner Lehrerausbildung alle paar Jahre wieder. Hat sich denn gar nichts geändert? Soll am Ende gar nichts mehr gelernt werden, bevor Studenten auf Schüler losgelassen werden? Die Seiteneinsteiger haben ja wenigstens in der Regel schon das notwendige Fachwissen. Sie scheitern aber nicht selten, weil ihnen die Ausbildung in Didaktik und Methodik fehlt. Woher nehmen die Studenten das, wenn sie vor ihrem Ausbildungsende verstärkt und länger (eigenständig?) eingesetzt werden sollen?
Nein, ich meine zwar, der theoretische Teil des Lehrerstudiums kann um 1 oder sogar 2 Jahre gekürzt werden, aber die praktische Ausbildung ist unbedingt notwendig. Sie sollte auch nicht gekürzt werden.
Vorher kann man viele Studenten nicht verantwortungsvoll auf die Schüler loslassen. Sie richten mehr Schaden an, als dass sie nutzen. Am Anfang müssen sie also vor allem zuschauen, beobachten und angeleitet werden. Genau das passiert doch auch!
Ich glaube, unsere Meinungen gehen insoweit auseinander, dass Sie das fachliche Wissen höher einschätzen, als ich es tue. Vor allem in der Primarstufe ist die Didaktik extrem wichtig. Das Fachwissen habe ich mit dem Abitur bereits bewiesen. Ich möchte auch nochmal betonen: die Theorie hat eine grundlegende Rechtfertigung. Ich fordere aber eine bessere Verbindung zur Praxis.
Viele Grüße
Sehen Sie, Oliver, an dieser Stelle haben Sie meine Kommentare “nicht vernünftig gelesen” (kleine Retourkutsche 🙂 ). Ich schrieb doch gerade, dass man bei der Theorie durchaus kürzen könnte, aber bei Didaktik und Methodik nicht. Eben weil ich das für das Wichtigste halte und das erwerben die Lehrerstudenten erst im Wesentlichen im Referendariat bzw Vorbereitungsdienst (vor allem die Methodik, die das A und O erfolgreichen Unterrichtens darstellt).
Davor wäre “Glückssache”, ob ein Student Talent im Unterrichten hat oder nicht. Danach ist ihm zumindest vermittelt worden, wie er es machen sollte. Arbeitet der Student hingegen unter Anleitung (was gut ist für ihn), dann ist er aber keine Entlastung fürs Kollegium, was ja der Grund für Ihren Vorschlag ist (laut Titel) und bewirkte auch kein Minderung des Lehrermangels.
Je jünger die Kinder, desto fataler finde ich methodische Fehler. Das kann u.U. nie wieder aufgeholt werden und es kommen dabei lauter Kinder mit Förderschwerpunkten heraus, die nicht (richtig) lesen, nicht schreiben, nicht rechnen können u. dgl. mehr.
sofawolf: “der theoretische Teil des Lehrerstudiums kann um 1 oder sogar 2 Jahre gekürzt werden, …”
Die COACTIV-Studie hatte mal ergeben, dass die Haupt- und Realschullehrer nicht nur fachlich, sondern sogar didaktisch schwächer waren als die Gymnasiallehrer, obwohl sie mehr Didaktik und 0mehr Praxis im Studium hatten. Warum wohl?
Daraufhin haben hochrangige Kommissionen beschlossen, dass die Haupt- und Realschullehrer mehr Fachstudium haben sollen, wenngleich weniger als vorher die Gymnasiallehrer. Deshalb wurde auch das Studium von 8 auf 10 Semester verlängert. Zum Spaß hat man das nicht gemacht. Jetzt sagen Sie das genaue Gegenteil.
Bei den Grundschullehrern mag das anders aussehen. Die sollen mehr Fächer unterrichten und werden zudem mit pädagogischen Theorien vollgestopft, deren Nutzen nicht immer klar ist. Zudem sollen sie ja noch “Bildungswissenschaft” lernen, also die Theorie von den Tests a la PISA, und dann Inklusionskompetenz erwerben, so ganz nebenbei. Beim Grundschullehramt macht viel Praxis vermutlich am meisten Sinn. Aber wollen Sie tatsächlich die 18-jährigen Abiturienten dann im 3. Semester, also mit 19-20 an die Grundschulen schicken? Wollen die das eigentlich? Oder wollen sie nicht Zeit für ihre Partys haben, die die halbe Nacht gehen und kaum mit dem Schulanfang um 8 Uhr kompatibel sind? Ich habe gehört, dass zumindest im Sommersemester große und laute Partys auf dem Campus üblich sind bis 4 Uhr morgens, und das meist dienstags, mittwochs und donnerstags, weil die Studenten ja am Wochenende heimfahren müssen.
O.Keßels: Das Fachwissen habe ich mit dem Abitur bereits bewiesen.”
Ob solche Sprüche die besten Köpfe des Landes fürs Lehramt begeistern werden? Könnte es sein, dass das die Luschen magisch anzieht, also diejenigen, die sich mit aller Art von Fachwissen schwertun? Sollten nicht Lehrer auch sowas wie “Bildung” ausstrahlen und nicht nur “Lehr-Roboter” sein?
” Sollten nicht Lehrer auch sowas wie “Bildung” ausstrahlen und nicht nur “Lehr-Roboter” sein?”
Volle Zustimmung, Cavalieri. Zusätzlich – das hat auch Palim schon geschrieben – gewinnt man durch ein vertieftes und anspruchvolles Fachstudium ganz andere Zugangsweisen zu dem ganzen stofflichen Hintergrund und lernt quasi exemplarisch für andere Fächer, sich wissenschaftlich in Fachgebiete einzuarbeiten.
@O. Keßels: Welche der massenhaft vorhandenen Lehrkräfte kümmert sich Ihrer Meinung nach um die Studierenden? Wer übernimmt die Haftung? Leiten die Studierenden dann auch Elternsprechtage und übernehmen zuverlässig innerschulische Ämter? Ich möchte den Eltern nicht erklären müssen, warum das Kind unter dem/der Studierenden in den Leistungen evtl. schlechter abschneidet, als unter einer ausgebildeten Lehrkraft.
Ich bin seit 2014 im Dienst und habe an der jetzigen Schule 8 zusätzliche “Aufgaben” (Ämter) inne. Glauben Sie wirklich, dass jemand der noch mitten im Studium steckt das alles leisten kann? Des Weiteren sprechen wir hier von Studierenden im Durchschnittsalter von ca. 25 Jahren. Wo steckt da die Lebenserfahrung?
Ihre Utopie von Schule funktioniert nur, wenn das Schulsystem endlich grundlegend neu strukturiert würde!!!
Nun ja. Erstmal spreche ich von einem Überdenken des Studiums und auch von klaren Regeln für alle Beteiligten. Und nein, solche Aufgaben sollen Studierende nicht übernehmen. Ich bin wirklich überrascht, dass viele Lehrkräfte hier durch Studierende nur eine zusätzliche Belastung empfinden. Liegt es etwa daran, dass sie lieber Einzelkämpfer sind und nicht gerne im Team arbeiten?
Viele Grüße
“Liegt es etwa daran, dass sie lieber Einzelkämpfer sind und nicht gerne im Team arbeiten?”
Garantiert nicht! Mich wundern Ihre Aussagen sehr und ich bin geneigt, sie als Vorurteil erfahrenen Lehrern gegenüber zu sehen. Bei uns an der Schule gibt es viel Teamwork unter den “normalen” Lehrern.
Zu den Studenten: An meiner Schule gibt es immer wieder Studentengruppen, die ihre verschiedenen Praktika während des Studiums ableisten. Für diejenigen, die die Studenten betreuen, ist das mit Sicherheit Mehrarbeit. Studenten sind unsicher, sie brauchen viel Anleitung.
Nicht umsonst ist die 2. Phase nach dem Studium intensiv durch Seminare betreut (in meinem BL) und das ist auch gut so.
Genau diese Struktur beschreiben Sie aber nicht. Es wird auch nicht klar, wie das zeitlich alles zusammenpassen soll. Sollen die 10 Semester Studium verlängert werden um den praktischen Teil in den Schulen? Man kann nicht immer nur MEHR von irgendetwas verlangen, ohne gleichzeitig zu sagen, wo es WENIGER geben soll.
ZITAT (Oliver Keßels): “Das Fachwissen habe ich mit dem Abitur bereits bewiesen.”
Das finde ich übrigens eine interessante Aussage aus dem Munde eines Grundschullehrers. Sie wissen sicherlich nicht, worauf ich damit anspiele. Ich hatte hier mal geschrieben, Grundschullehrer müssten wie seinerzeit im Osten nicht unbedingt ein Hochschulstudium absolvieren (müssen); eine Fachschulausbildung z.B. sollte auch ausreichen, weil es ja vor allem um Didaktik und Methodik ginge. Das traf auf heftige Kritik von Grundschullehrern, die sich dadurch geringgeschätzt fühlten.
Das wäre dann wirklich ein Beitrag zur Minderung des Lehrermangels, weil das Berufsbild dann für Interessenten geöffnet werden würde, denen es jetzt verwehrt bleibt (Studium).
Diese Aussage war bewusst provokant formuliert. Irgendwie wird hier Fachwissen und Didaktik viel zu sehr vermischt. Ja, das Fachwissen beherrsche ich bereits mit dem Abitur. Lernprozesse, Fördermethoden, Psychologie, u.v.m. sollten praxisorientiert vermittelt werden. Das passiert aber leider nur selten.
“Ja, das Fachwissen beherrsche ich bereits mit dem Abitur.”
Da sage ich: “Autsch!”
Wieso Autsch? Für den Grundschulstoff sollte das Abiturwissen auch in der Einordnung in einen größeren Rahmen weitgehend reichen, für die Sek I schon nicht mehr, für die Sek II sowieso nicht. Nenne Sie mal Beispiele aus verschiedenen Fachbereichen, die aber nichts mit Didaktik, Pädagogik, Psychologie usw. zu tun haben.
Okay, Palim! Dann sagen Sie “Autsch”. Der Beitrag über mir hat verstanden, was ich aussagen möchte. Sie offensichtlich nicht. Vielleicht verstehen Sie auch etwas anderes unter “Fachwissen” als ich. Deswegen bin ich sehr gespannt was Sie xxx antworten.
Nein, das Abiturwissen reicht eben nicht.
Vielleicht liegt es an der Uni, am anderen Aufbau des Studiums, an einzelnen Studieninhalten: Mein Fachwissen liegt in meinen studierten Fächern weit über dem, was ich an der Schule gelernt habe. Und das ist auch gut so:
a) Viele der fachlichen Inhalte sind Grundlage meiner Fächer. Ich unterrichte sie nicht konkret, aber die Hintergründe ermöglichen es mir, die fachlichen Zusammenhänge zu verstehen. Sie sind ebenfalls dienlich hinsichtlich Lernschwierigkeiten, gerade weil ich Regeln und Ausnahmen kenne. Manches davon habe ich im Studium noch nicht erkannt, bin aber sehr dankbar, dass ich es im Studium belegt habe. Es wäre interessant, zu vergleichen, wie viele Seminare und Vorlesungen man nach einigen Jahren als „wertvoll“ einstufen würde/wird.
b) Das, was ich im Studium hinzu gelernt habe, ermöglicht es mir im Lehrerberuf, selbst auszuwählen, Inhalte genau zu beurteilen, eigene Materialien auf fachlicher Grundlage zu erstellen, Schulbücher/ Materialien zu bewerten.
c) Eine gelungene didaktische Reduktion, die für die Grundschule wichtig ist und nicht immer ganz leicht, braucht solides Fachwissen.
d) Das fachwissenschaftliche Studium befähigt einen zudem, sich in kürzester Zeit mit neuen Inhalten auseinanderzusetzen, sie wissenschaftlich zu durchdenken und, aufgrund der Vorbildung, einordnen zu können. Das didaktische Wissen, wie man mit den Inhalten umgeht und Inhalte für den Unterricht auswählt, ist der 2. Schritt, der 3. die Methode.
e) Ebenso ist das Fachstudium sozusagen „exemplarisch“: man setzt sich mehrfach wissenschaftlich mit Themen auseinander und erlernt dabei, wie es geht, worauf es ankommt … und kann es später auch auf andere Fachgebiete oder Fächer übertragen.
f) Bei manchen Inhalten kann ich im Nachhinein gar nicht mehr sagen, wann oder wo ich darüber zuerst gehört habe oder mich auseinander gesetzt habe. Immer aber ist ein Studium auch Persönlichkeitsbildung, auch in fachlicher Hinsicht.
Die Diskussion ist Wasser auf die Mühlen derer, die meinen, Grundschullehrer füllen Arbeitshefte aus und beaufsichtigen ein bisschen Basteln und Spielen.
Danke für diese Antwort. Nun verstehe ich Ihr Anliegen und kann auch dementsprechend qualifiziert darauf reagieren. Zunächst einmal möchte ich nochmal betonen, dass ich bewusst provokant diese Hypothese formuliert habe. Selbstverständlich ist ein fundiertes Fachwissen wichtig. Und selbstverständlich bildet das Abitur keine grundlegende Fachkompetenz. Das Studium ist auch sicherlich gerechtfertigt. Meine Forderung begrenzt sich auf die Verbindung von Theorie und Praxis. Oft werden Fachinhalte in den Universitäten falsch vermittelt. Warum muss Theorie und Praxis so sehr voneinander getrennt werden? In meinem Modell soll Fachwissen auch zunächst das Fundament des Studiums darstellen. Studierende sollen aber im weiteren Verlauf in das Schulleben intensiver eingeführt werden und dann auch Aufgaben übernehmen können. Das fehlt einfach schlichtweg. Die Praxiselemente sind in den fünf Jahren des Studiums einfach zu rar gesät. Außerdem spreche spreche ich auch davon, dass Studierende zu Beginn hospitieren sollen. Erst später sollen sie angeeignetes Fachwissen auch an SuS weitergeben können.
Kurz: Fachwissen ist wichtig. Die Praxis ist aber wichtiger. Übrigens: Ich werde noch in diesem Jahr zu diesem Thema forschen (jedoch auf die mathematische Bildung beschränkt). Ich würde Sie gerne dazu auf dem Laufenden halten. Schreiben Sie mir gerne eine Email an: OlliKessels@gmail.com
“Zunächst einmal möchte ich nochmal betonen, dass ich bewusst provokant diese Hypothese formuliert habe. Selbstverständlich ist ein fundiertes Fachwissen wichtig. Und selbstverständlich bildet das Abitur keine grundlegende Fachkompetenz.”
Warum schreiben Sie es dann?
Wie widerlegen Sie selbst Ihre provokante These?
Die Antwort auf die nächsten Provokationen spare ich mir lieber.
Dankeschön für diese Antwort.
Diese Diskussion läuft, wie ich finde, gerade in eine unglückselige Richtung.
Okay, Palim! Dann sagen Sie “Autsch”. Der Beitrag über mir hat verstanden, was ich aussage möchte. Sie offensichtlich nicht. Vielleicht verstehen Sie auch etwas anderes unter “Fachwissen” als ich. Deswegen bin ich sehr gespannt was Sie xxx antworten. 🙂
Nachdem ich nun tatkräftig mit diskutiert habe, und merke, dass meine eigentliche Aussage immer weiter in den Hintergrund rückt, möchte ich nochmal kurz einige Punkte anmerken.
Mit meinem Artikel wollte ich natürlich eine Diskussion anregen. Ich erkenne aber auch wesentliche Probleme in meinen Überlegungen an. Ich habe dieses Modell quasi beim Schreiben entwickelt und es basiert auch auf keinen wissenschaftlichen Grundlagen (die werde ich im Übrigen bald erstellen). Ich hinterfrage auch nicht das Fachwissen, dass an den Universitäten vermittelt wird. Leider sind die meisten Diskussionen in diese Richtung gegangen und leider habe ich mich unüberlegt darauf eingelassen, was mich hin und wieder aus meinen Reserven gelockt hat. Erschreckend finde ich, dass viele die Betreuung direkt mit einem Mehraufwand verbinden. Vielleicht hilft es, sich selbst einmal zu reflektieren. Sind Sie ein Einzelkämpfer im Beruf? Das ist leider die Problematik in unserem System. Ich stelle mir einen Unterricht vor, der immer im Team-Teaching stattfindet. Da es zu wenige LehrerInnen gibt, könnten an dieser Stelle Studierende aushelfen. Ich habe nie von Eigenverantwortung gesprochen. Studierende könnten sich aber mit einzelnen SuS beispielsweise beschäftigen. Alle Tätigkeiten in der Schule sollen jedoch stets in Verbindung zu den universitären Lehrveranstaltungen stehen. Deswegen wird auch zuerst hospitiert. Nach vier Semestern ist ein Student bzw. eine Studentin aber gewiss in der Lage, auch mal Unterricht (IM TEAM!) zu übernehmen. Um es nochmal kurz zu fassen: Weniger ÜBERFLÜSSIGE Theorie, mehr Praxis.
Vielen Dank trotzdem für die zahlreichen Beiträge und Anregungen
Oliver Keßels
Oliver Keßels schrieb: “Ich habe dieses Modell quasi beim Schreiben entwickelt und es basiert auch auf keinen wissenschaftlichen Grundlagen […]”
Tja, und das merken erfahrene Kolleginnen und Kollegen mit jahrelanger Praxiserfahrung halt sofort und gleichen es mit den (nicht vorhandenen) Möglichkeiten im Rahmen ihres Schulalltags ab.
Oliver Keßels schrieb: “Erschreckend finde ich, dass viele die Betreuung direkt mit einem Mehraufwand verbinden. Vielleicht hilft es, sich selbst einmal zu reflektieren. Sind Sie ein Einzelkämpfer im Beruf? Das ist leider die Problematik in unserem System.”
Nein, die Problematik ist, dass du selbst am Gymnasium kein Mentorensystem hast. Du unterrichtest eine 8. Klasse mit 29 Schülern (darunter einer, der kein Deutsch spricht und einer, der bereits mehrfach in klinischer Behandlung war), einen Oberstufenkurs (11. Jahrgang) mit 28 Schülern, machst eine Fachobschaft samt Sammlungsleitung seit über 10 Jahren für eine halbe Entlastungsstunde (statt für die eigentlich übliche A14-Stelle), korrigierst dich jedes Jahr im Abitur (und auch sonst) dumm und dusselig und bekommst dann noch regelmäßig zu hören: “Ach übrigens: Nächste Woche kommen zwei Praktikanten und drei Referendare. Nimmst du bitte zumindest zwei davon mit in deinen Unterricht? “Beraten/ausbilden” kannst du die dann ja parallel zu deinen Pausenaufsichten, denn nach den acht Stunden Unterricht ist nachmittags Di Erste-Hilfe-Kurs, Mi Gesamtkonferenz, Do Musik-AG, Fr Sitzung des Förderervereins und Sa der Auftritt der Musik-AG beim Stadtfest. Am Sonntag kannst du dann Unterricht vorbereiten, korrigieren und den beiden zu Betreuenden Entschuldigungs-E-Mails schreiben, in denen du ihnen erklärst, warum du dich nicht um sie kümmern konntest. Ab 21:00 Uhr sonntags rufen dann die Eltern an…”
D a s ist das Problem!
Ein Hinweis, eher an die Redaktion als an O. Keßels:
Es wäre dienlich, wenn der Beitrag des Autors deutlicher gekennzeichnet würde und sich von der möglicherweise redaktionellen Einleitung (Überschrift, Absatz zur Einleitung über dem Bild?) absetzen würde.
@Oliver Keßels
Sie haben mir mit dem, was Sie sagen, aus der Seele gesprochen. Dafür herzlichen Dank!!
@Cavalieri: Ich stimme Ihrem Beitrag um 22.26 Uhr auch voll zu.
@ Oliver Keßlels: Das Autsch von palim kann ich voll nachvollziehen. Wir müssen weg von dem “den Grundschulstoff beherrscht ja jeder Image” hin zu größerer Wertschätzung des Grundschullehrers mit seinen veränderten vielfältigen Aufgaben. Das ist kein Hausfrauennebentätigkeitsjob, den eben mal auch Studenten übernehmen können.
Geht’s um “Image” und “Wertschätzung des Grundschullehrers” oder um die Beseitigung erheblicher Mängel bzw. Beschwernisse im Schulalltag und in der Unterrichtspraxis?
Imageschwierigkeiten, mangelnde Wertschätzung oder eine als zu gering empfundene Bezahlung im Vergleich zu Gymnasiallehrern sind für mich Luxusprobleme.
Was die Lehrerausbildung angeht, habe ich mir im Nachhinein auf jeden Fall ein paxisnäheres Studium gewünscht mit weniger überflüssigem Fachwissen. Nach außen kann ich mit ihm vielleicht glänzen, in der Praxis aber kaum etwas anfangen, auch wenn hier behauptet wird, es brächte als Hintergrundwissen doch viel für den Unterricht. Ich bestreite das, bei mir ist das jedenfalls nicht so.
Aber wie gesagt: Mich kneifen auch andere Probleme als Image, Ansehen oder Besoldung.
@ Maren: Darum geht es mir nicht. Es geht darum, dass die Arbeit in der Grundschule nicht so einfach ist wie man sich da vllt. vorstellt. So als Studentennebenjob kann man das nicht ausüben.
“könnte die Theorie auf ein Nötigstes reduziert werden, um überflüssige Inhalte verschwinden zu lassen”
Das fasst das Grundanliegen gut zusammen – und natürlich einen uralten Traum vieler Studierender. Aus meiner – ziemlich umfänglichen – Erfahrung kann sich behaupten, dass es so gut wie NICHTS im Studium gibt, das nicht von jemandem als “überflüssig” deklariert wird. Noch die “praxisnahesten” Elemente finden Verächter, die nur eins wollen: Endlich ran ans Kind, und dies möglichst ohne kognitive Anstrengung.
Dabei gehört es leider aber zur Logik von Ausbildungsverhältnissen, dass die Fähigkeit, einzuschätzen, was denn “überflüssig” ist, in der Ausbildung selbst doch eher beschränkt gegeben ist. Strukturell ist die Situation auch nicht anders als in der Schule, wo ja auch viele Schüler meinen, sie wüssten ganz genau, dass sie all das NIE brauchen werden.
Dass die Universitäten oft das ihrige tun, weil sie nicht ernsthaft reflektieren, wie ihre Fachinhalte auf Anforderungen des Lehrerberufs zu beziehen wären, steht andererseits natürlich außer Frage. Das lässt sich aber schwer mit Rufen nach “mehr Praxis” – verstanden als “mehr Praxis in der Schule” – beheben.
Wie lang studiere ich fachwissenschaftlich? Wie lange bin ich Praktiker an der Schule? Keine Sorge, die Praxis kommt früh genug und dauert lang genug, da ist man froh, wenn man einen guten fachwissenschaftlichen Hintergrund hat. : – )
Ich fand die Theorie in meinem Studium interessant und irgendwo bin ich froh um dieses Hintergrundwissen. Außerdem studiert man i.d. R. seine Interessensgebiete, sonst hätte man das Studium so nicht ausgewählt bzw. die Fächer so kombiniert. Durch die unterschiedlichen vertieften fachwissenschaftlichen Hintergründe kann man später den Austausch im Lehrerkollegium bereichern – vor allem in den Schularten, wo man alle Fächer unterrichten darf/muss.
@ Oliver Keßels,
zum Nachdenken haben Sie angeregt. Das ist Ihnen gelungen. Danke.
Dass es Gegenmeinungen gibt, damit mussten sie rechnen. Die gibt es immer. Lassen Sie sich davon nicht entmutigen, Ihre Meinung zu sagen. Wir haben hier nichts zu entscheiden. Es hat nicht gewonnen, wem keiner mehr widerspricht (vielleicht haben hat man auch nur genervt aufgegeben oder keine Lust mehr).
Manchmal werden einem ja auch Aspekte aufgezeigt, die man noch nicht (genug) bedacht hat. Dann ist nicht alles falsch, dann kann man das in seine Idee einarbeiten. 🙂
Mit dieser Titelzeile “Lehrermangel? Holt endlich die Studierenden in die Schulen!” lockte uns die Redaktion vielleicht auch in die falsche Richtung. Es klingt ja so, dass die Studierenden (als Lehrer) den Lehrermangel mindern sollten.
Wenn es Ihnen nur darum ging, den Studierenden mehr Praxisbezug zu verschaffen und sie keinesfalls eigenverantwortlich Unterricht übernehmen sollen (mehr als bisher), dann ist das ja etwas ganz anderes. Das mindert dann aber auch nicht den Lehrermangel, wie es in der Titelzeile steht.
“Das mindert dann aber auch nicht den Lehrermangel …”
Es könnte sogar das Gegenteil eintreten: Wenn Studenten allzu früh quasi als Lehrer agieren sollen, werden viele möglicherweise abspringen und den Studiengang wechseln, besonders wenn sie an eine dieser “Brennpunktschulen” geraten. Nach 10 Semestern Studium und einem Masterabschluss ist dieser Entschluss nicht mehr ganz so leicht zu fällen. Man hat dann schon zu viel investiert, um nochmal von vorne anfangen zu können.
Ich fürchte in der Tat, die nicht abreißenden Berichte über Gewalt in Schulen (und dass man ja rein gar nicht dagegen tun könne außer das übliche Gesäusel von besserer Schulqualität und besserer Betreuung durch Sozialpädagogen zu wiederholen), über die Nachteile der Inklusion usw. werden mehr und mehr Leute von einem Lehramtsstudium abhalten. Es gibt eben auch Alternativen, besonders weil neuerdings der Lehramts-Bachelor “polyvalent” sein soll (!), d.h. er soll auch für andere Berufe nutzbar sein.
Stimmt! Wer frühzeitig hautnah mitbekommt, was der Lehrerberuf in der Praxis bedeutet, könnte tatsächlich noch abspringen und in einen anderen Studiengang wechseln.
Das widerspräche jener kleinen Gruppe hier, die hartnäckig meint, mit mehr Geld (Gehalt) könnte man mehr junge Leute in den Lehrerberuf locken.
Ich meine ja immer schon, die meisten von uns sind nicht nur des Geldes wegen Lehrer geworden. (Ausnahmen bestätigen die Regel natürlich.)
Keine Ahnung, ob der Autor auf Lehramt studiert hat, vorstellen kann ich es mir nicht. Denke ich an meine Studienzeit zurück (zwei sogenannte MINT-Fächer), dann wüßte ich wirklich nicht wie da noch hätte zusätzlich an einer Schule arbeiten sollen.
In der Vorlesungszeit wurde bis tief in die Nacht (oder ganz durchgemacht). um Vorlesungen/Laborarbeit nach-/vorzubereiten oder Hausaufgaben fristgerecht abgeben zu können. In den Semesterferien wurde für die Klausuren gelernt und geschrieben.
Das Studium war so schon die schlimmste Zeit in meinem Leben, da wäre es vollkommen unnötig gewesen sich noch zusätzlich als billiger Arbeitssklave verheizen lassen zu müssen.
Der folgende, am 17.2.2018 in der Printausgabe der NOZ erschienene Leserbrief “Ganz offensichtlich herrscht Lehrermangel” von Wolfgang Raker aus Osnabrück fasst das Thema sehr gut zusammen.
Zitat: “Der allerorts beklagte Lehrermangel täuscht darüber hinweg, dass man lieber sogenannte ‘Quereinsteiger/-innen’, ‘studentische Aushilfen’ und ‘Inklusionshelfer/-innen’ einstellt, weil die es schon für erheblich weniger machen.
Irgendwie kann ‘Lehrer’ doch jede beziehungsweise jeder, die beziehungsweise der Schule durchlaufen und im besten Fall noch Kinder hat. […]
Dass die dann fachfremd komplette Unterrichtsfächer unterrichten, Förderpläne erstellen und mittels ihrer Notengebung und ihrer Einschätzungen des Arbeits- und Sozialverhaltens über Lebenschancen der ihnen anvertrauten Zöglinge entscheiden, wen stört’s?!”