Bayerns Zeitschriftenverleger fordern eigenes Schulfach Mediennutzung

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MÜNCHEN. Die Medienlandschaft im Internet sind längst nicht nur Google, facebook und Amazon. Diese beherrschen den Werbemarkt, doch nutzen sie dabei vielmehr die vorhandene Vielfalt. Auch die in Deutschland erscheinenden über 6.000 Zeitschriftentitel, haben meist längst auf den digitalen Wandel reagiert. Angesichts der digitalen Informationsflut, bedarf es einer besseren Schulung der künftigen Leser, befindet der Verband der Zeitschriftenverlage in Bayern (VZB).

Der Verband fordert von der bayerischen Staatsregierung ein neues Schulfach Mediennutzung. «Wir treten vehement dafür ein, dass Schüler lernen, wofür welches Medium steht», sagte die Geschäftsführerin Anina Veigel in einem Interview. Eine gute Medienausbildung für Lehrer und Schüler sei genauso wichtig wie eine gute Ausstattung der Schulen mit Computern, ergänzte die Erste Vorsitzende Waltraut von Mengden. Zur VZB-Jahrestagung am Donnerstag (19.4.) in München wird auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) als Redner erwartet.

Facebook steht wegen des Missbrauchs von Nutzerdaten in der Kritik. Nutzen eigentlich auch Zeitschriften Daten ihrer Leser – und wollen Sie das ausbauen?

Waltraut von Mengden: Datenschutz- und Datensicherheit haben für unsere Zeitschriftenbranche oberste Priorität. Grundsätzlich ist es auch für die Medienbranche wichtig, mit modernen Technologien Inhalte und Werbebotschaften maßgeschneidert auf die Interessen der Leserschaft abzustimmen. In welchem Umfang Medien- und Verlagshäuser Daten für ihre Geschäftsmodelle nutzen, entscheidet jedes Haus für sich selbst. Klar ist aber: Medien brauchen das Vertrauen ihrer Leser, deshalb ist ein sensibler Umgang mit Daten selbstverständlich.

94 Prozent aller Menschen in Deutschland lesen regelmäßig Zeitschriften. Foto: Do u remember / flickr (CC BY-SA 2.0)
94 Prozent aller Menschen in Deutschland lesen regelmäßig Zeitschriften. Foto: Do u remember / flickr (CC BY-SA 2.0)

Facebook, Google und Amazon schöpfen einen Großteil der Werbeerlöse im Internet ab. Glauben Sie, dass sich das mit politischen Vorgaben in Deutschland ändern lässt?

von Mengden: Gegenüber den großen Monopolisten aus Amerika haben wir keine Chancengleichheit etwa im Steuerrecht, Kartellrecht und Urheberrecht. Und unser Ziel muss es sein, dass sich auch die Anbieter aus den USA an die europäischen und deutschen Standards im Datenschutz halten, wenn sie in Deutschland Kunden ansprechen. Deswegen ist es für uns entscheidend, dass wir in Bayern und Deutschland mit der Politik diskutieren. In Bayern stoßen wir da auf sehr offene Ohren.

Wofür kämpfen Sie denn derzeit besonders?

Anina Veigel: Der Schuh drückt uns zum Beispiel bei der von der EU geplanten E-Privacy-Richtlinie, die den Datenschutz und das Online-Tracking neu regelt. Das ist per se eine sinnvolle Initiative, aber es kommt aufs Detail an. Datenschutz muss für Kunden und Unternehmen verständlich, sinnvoll und machbar sein. Im aktuellen Entwurf der EU-Gremien finden sich Vorgaben, die die Chancengleichheit europäischer Anbieter weiter verschlechtern. Das schafft Vorteile für amerikanische Log-in-Giganten, die per se viele Daten ihrer Nutzer haben und – so hat man manchmal den Eindruck – tun können, was sie wollen.

Welche Folgen hat das?

Veigel: Wenn die Richtlinie so kommt wie bisher geplant, dann brechen laut einer Studie die digitalen Werbeumsätze der Verlage um 30 Prozent ein. Wir haben als deutsche Anbieter Auflagen zu berücksichtigen, die aus unserer Sicht dem Kunden kein Plus beim Datenschutz bieten, die Attraktivität unserer Angebote für den Werbemarkt aber reduzieren.

In der neuen Staatsregierung sitzt das Medienressort jetzt komplett in der Staatskanzlei, nicht mehr im Wirtschaftsministerium. Finden Sie das gut?

von Mengden: Wir haben mit dem Wirtschaftsministerium immer gut zusammengearbeitet, freuen uns aber über diese «Beförderung» der Medienpolitik in die Staatskanzlei. Das hat natürlich noch einmal eine besondere Gewichtung, ein besonderes Augenmerk der Politik auf das Thema. Die aktuellen Diskussionen zeigen ja, wie wichtig Medienpolitik angesichts des digitalen Wandels ist.

Ein großes medienpolitisches Thema ist die mögliche Erhöhung des Rundfunkbeitrags. Falls es so kommt: Würden die Verbraucher dann weniger Geld für Zeitschriften ausgeben?

von Mengden: Viele Menschen empfinden die Rundfunkgebühr als eine hohe Ausgabe – weil man keine Wahl hat, sondern sie zahlen muss. Jeder Haushalt hat ein bestimmtes Budget. Wenn ich für das eine mehr ausgeben muss, überlege ich mir, wofür ich weniger ausgebe. Ob das dann Zeitschriften sind oder ein Tee oder sonst etwas, das ist eine Frage des Interesses. Wenn ich vor meiner Lieblingszeitschrift stehe, werde ich mir die weiterhin kaufen, weil ich auf sie nicht verzichten will. Deswegen bin ich davon überzeugt, dass wir das nicht merken werden, denn die Zeitschriften sind gerade in der heutigen Zeit, die so schnelllebig und hektisch ist, sehr attraktiv. Relevant ist aber die Frage nach den Rundfunkbeiträgen aus ordnungspolitischer Sicht. Wofür werden die Gebühren eingesetzt? Hier sehen wir klare Grenzen, etwa bei der Nutzung von Gebührengeld für die presseähnlichen Digitalaktivitäten der Öffentlich-Rechtlichen.

Die neue Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär (CSU), hat gesagt, dass unsere Kinder wie lesen und schreiben auch programmieren lernen müssen. Stimmen Sie dem zu?

Veigel: Programmieren können ist wichtig, aber vorher muss man natürlich lesen und schreiben können. Das ist die Basis. Richtig ist, dass Schüler und Lehrer noch viel mehr über neue Medien wissen müssen, weil wir eine große Informationsflut haben. Wir treten vehement dafür ein, dass Schüler lernen, wofür welches Medium steht. Wir möchten, dass Mediennutzung zu einem Schulfach wird.

Es mangelt also an Sprach- und Medienkompetenz?

von Mengden: Wir wissen, welche Macht Sprache auf uns alle und unser Verhalten ausübt. Deshalb finde ich es zum Teil erschreckend, wie wenig Wert manche jungen Menschen auf gute Formulierungen und korrekte Rechtschreibung legen. Deshalb halte ich es für wichtig, dass wir alle im Umgang mit Sprache sensibel werden. Eine gute Lehrmittelausstattung inklusive Computer ist wichtig, genauso wichtig muss aber eine gute Medienausbildung für Lehrer und Schüler sein. Hier habe ich großes Vertrauen in das bayerische Bildungssystem, das bisher schon sehr gute Arbeit geleistet hat.

ZUR PERSON

Waltraut von Mengden ist seit 2012 Erste Vorsitzende des VZB. Seit 2013 ist sie Mitglied der Geschäftsführung der Hengstenberg Medienbeteiligungen und geschäftsführende Gesellschafterin der wvm.unternehmensberatung.

Anina Veigel ist seit 2012 Geschäftsführerin des VZB. Darüber hinaus ist die Geschäftsführerin der Bayern Tele GmbH.

(Interview: Bernward Loheide, dpa)

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