GEW fordert: Disziplinarverfahren gegen streikende Lehrkräfte endgültig einstellen!

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FRANKFURT/MAIN. Nach dem unlängst ergangenen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Streikverbot für Beamte gibt es inzwischen erste Reaktionen der Staatlichen Schulämter in Hessen, wie die GEW mitteilt. Einzelne Schulämter informieren die Schulleitungen in ihrem Aufsichtsbereich darüber, dass im Rahmen einer Interessenabwägung die Aussetzung der Disziplinarverfahren gegen die hessischen Beamtinnen und Beamten, die sich am 16. Juni 2015 am Beamtenstreik beteiligt haben, bis zum 31. Dezember 2018 vorerst verlängert werde (News4teachers berichtete). Die GEW fordert jetzt: Stellt die Verfahren endgültig ein!

Mehr als 4000 Personalakten von Lehrern in Hessen droht ein Eintrag. Foto: Fabio Bruna / flickr (CC BY-SA 2.0)
Mehr als 4000 Personalakten von Lehrern in Hessen droht ein Eintrag. Foto: Fabio Bruna / flickr (CC BY-SA 2.0)

Begründet wird die zeitweilige Aussetzung bis Jahresende damit, dass bis zu diesem Zeitpunkt die vor dem Bundesverfassungsgericht unterlegenen Lehrkräfte beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Bechwerde gegen das ergangene Urteil einlegen können. Für die GEW wäre die Wiederaufnahme der Verfahren im kommenden Jahr ein Unding – auch aus formalen Gründen.

„Wir fordern das Land Hessen auf, die eingeleiteten und zwischenzeitlich ausgesetzten Disziplinarverfahren gegen die mehreren tausend Lehrkräfte, die sich an unserem Streik beteiligt haben, nicht wieder aufzunehmen. Vielmehr müssen diese Verfahren endgültig eingestellt werden, die Unterlagen müssen aus den Personalakten entfernt werden“, sagt  GEW-Landesvorsitzende Birgit Koch. „Das Hessische Disziplinargesetz regelt in Artikel 18, dass ein Verweis wegen einem eventuellen Dienstvergehen nach einer Frist von zwei Jahren nicht mehr erteilt werden darf. Diese Frist ist klar überschritten, denn mittlerweile sind drei Jahre seit dem Streik vergangen.“

Die GEW wirft Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU) darüber hinaus vor, die Probleme der Lehrer zu ignorieren (News4teachers berichtete). Lorz habe in einem Interview erklärt, dass viele Überlastungsanzeigen von Lehrkräften nur den Zweck gehabt hätten, „Gehaltsforderungen der Lehrergewerkschaft zu untermauern“. In diesem Zusammenhang stellt Birgit Koch klar: „Auch wenn der Kultusminister behauptet, dass er die Beschwerden ganzer Kollegien höre und reagiere, ist dem nicht so. Sehr viele Kolleginnen und Kollegen berichten, dass sie weder eine Antwort bekommen haben, von Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen ganz zu schweigen.“

Eine Überlastungsanzeige hat nach dem Arbeitsschutzgesetz die Funktion, den Arbeitgeber über eine bestehende Überlastung zu informieren, von der eine Gesundheitsgefährdung ausgeht. Koch weiter: „Man muss leider feststellen, dass der Kultusminister nicht einmal in Ansätzen verstanden hat, worum es den Kolleginnen und Kollegen geht: um wachsende Arbeitsüberlastung, eine unzureichende Versorgung mit Lehrkräften, den maroden Zustand vieler Schulgebäude sowie fehlende Ressourcen für Inklusion und Ganztag. Hier sollten Kultusminister Lorz und die Schulverwaltung ansetzen, statt Lehrkräfte, die sich gegen unzureichende Arbeitsbedingungen zu wehren versuchen, weiterhin mit Disziplinarmaßnahmen zu überziehen!“ Dies gelte nicht zuletzt, weil sich bereits für das kommende Schuljahr abzeichne, dass der Lehrkräftemangel in Hessen weiterhin ein akutes Problem bleibe. News4teachers

Streikrecht für verbeamtete Lehrer: Zieht die GEW nach ihrer Niederlage in Karlsruhe nun vor den Europäischen Gerichtshof?

 

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8 Kommentare
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OMG
5 Jahre zuvor

Hat die GEW ihren Sitz in Schilda??????
Die Reaktion war vorher klar. Man scheint aber vor keiner Peinlichkeit zurueckzuschrecken

Aufmerksamer Beobachter
5 Jahre zuvor
Antwortet  OMG

Die GEW ist vor dem Bundesverfassungsgericht krachend gescheitert mit ihrer (falschen) rechtlichen Positionierung – und hat immer noch die Chuzpe, den Mund weit aufzureißen. Da hilft nur: austreten und sich Institutionen zuwenden, die wirklich Lehrerinteressen vertreten und nicht auf Kosten der Lehrkräfte (eine fragwürdige) Bildungspolitik betreiben.

realo
5 Jahre zuvor

Wer ist denn verantwortlich für die Disziplinarverfahren gegen streikender Lehrer?
Es sind nicht die Schulbehörden, die hier über Rechtsbestimmungen wachen müssen, sondern es sind die Lehrer selbst sowie die GEW, die verbeamtete Lehrer gegen geltende Bestimmungen zur Streikteilnahme ermutigt haben.
Insofern hat die GEW nichts von der Schulbehörde zu FORDERN, sondern sie müsste sich bei den betroffenen Lehrern für ihre Falschberatung ENTSCHULDIGEN.

Aufmerksamer Beobachter
5 Jahre zuvor
Antwortet  realo

Exakt!

sofawolf
5 Jahre zuvor

Mit Verlaub, die Forderung der GEW macht keinen Sinn.

Wenn die Disziplinarverfahren eingestellt werden, hieße das, dass verbeamtete Lehrer, ohne Sanktionen fürchten zu müssen, streiken können. Das wäre dann ja ein Streikrecht durch die Hintertür, denn gerade ist das doch höchstrichterlich nicht erlaubt worden.

Was soll denn der Arbeitgeber alternativ tun, wenn verbeamtete Lehrer nicht streiken dürfen, sie es aber doch tun?!? Was schlägt die GEW vor?

Stefan
5 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Sie wird gar nichts vorschlagen, sondern nur wie gewohnt die Hände in Unschuld waschen.
Denken Sie z.B. an die Inklusion. Die GEW ist deren Radikalvertreter. Wenn die Lehrer mit ihr aber Schiffbruch erleiden, in Chaos und Verzweiflung landen, sagen die GEW-Vertreter lapidarisch: Das liegt an alles nur an zu schlechten Arbeitsbedingungen, vor allem zu wenig Hilfspersonal.
Um Ausreden und Schuldzuweisungen an andere ist die GEW nie verlegen.

Aufmerksamer Beobachter
5 Jahre zuvor
Antwortet  Stefan

…wie die hier im Forum aktiven GEW-Lautsprecher ja auch immer wieder unter Beweis stellen – gerade beim Thema Inklusion. Die sind allerdings aktuell auffällig still geworden.

Brockmann Leo
2 Jahre zuvor

Die Forderung ist an Unverfrorenheit kaum noch zu überbieten. Pikant ist in diesem Zusammenhang noch Folgendes: Zur Rechtfertigung des Streikrechtes führt die GEW auf ihrer Website eine Notverordnung des Reichskanzlers Heinrich Brüning an, nach der den Angehörigen der Deutschen Reichsbahn ein striktes Streikverbot auferlegt wurde. Dies sei rechtswidrig gewesen.

Gerade jene Institution und auch deren Rechtsnachfolgerin – die Deutsche Bundesbahn – hätten jene Lehrer völlig zu Recht noch am Tage des Vergehens umgehend aus dem Dienst entfernt. Hierdurch verloren sie nicht nur ihr Erwerbseinkommen, sondern in vielen Fällen auch ihre Wohnungen.

Die Disziplinarverfahren sind daher streng durchzuführen und die betroffenen Lehrer zügig aus dem Staatsdienst zu entfernen. Sie haben gegen wesentliche Berufsgrundsätze verstoßen.