„Bei der Inklusion wird auf dem Rücken der betroffenen Kinder und Lehrer gespart“

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STUTTGART. Wie steht es um die Teilhabe behinderte Kinder in Baden-Württembergs Schulen? Die SPD moniert Nachholbedarf, die GEW sieht gar das ganze Projekt vor dem Untergang.

Inklusion ist für alle Beteiligten ein komplexes Thema.                                   Foto: Milan Nykodym / flickr / CC BY-SA 2.0

Die SPD-Landtagsfraktion zweifelt am politischen Willen der CDU und der Schulverwaltung, das gemeinsame Lernen von behinderten und nicht-behinderten Schülern voranzutreiben. Mit einem Zehn-Punkte-Programm will die oppositionelle SPD Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) Beine machen. «Im Schulalltag klaffen Anspruch und Wirklichkeit noch auseinander», sagte der SPD-Fraktionschef und ehemalige Kultusminister Andreas Stoch. Er betonte aber auch, Inklusion auf Knopfdruck könne es nicht geben. GEW sieht die Inklusion indes vor dem Scheitern.

GEW-Landeschefin Doro Moritz klagte: «Inklusion ist das Thema, bei dem ich mich am meisten dafür schäme, wie stiefmütterlich Grüne und CDU in der Landesregierung, aber auch viele Gemeinden und Städte in unserem wohlhabenden Land damit umgehen.» Kinder mit Beeinträchtigungen erhielten sowohl in den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ), ehemals Sonderschulen, als auch in Regelschulen meist eine schlechtere Förderung als noch vor wenigen Jahren. Die Landesregierung spare auf dem Rücken der betroffenen Kinder, deren Eltern und der engagierten Lehrkräfte.

Die Sozialdemokraten wollen mit ihren zehn Forderungen die Lage verbessern. Unter anderem sollen Schulen die derzeit 120 nicht besetzten Stellen für Sonderpädagogen in andere Unterstützung, etwa durch pädagogische Assistenten, ummünzen können. Stoch regt zudem einen Modellversuch mit multiprofessionellen Teams an, zu denen neben den Lehrern Schulbegleiter, Ergotherapeuten oder Schulpsychologen gehören können. Überdies sollen nach dem Willen der SPD alle Schulen Inklusionsentwicklungspläne erstellen. Darin sollen der Umgang mit der immer vielfältigeren Schülerschaft und die dafür nötigen Mittel festgelegt werden. Zudem müsse langfristig das Zwei-Pädagogen-Prinzip in allen inklusiven Klassen durchgesetzt werden. Die GEW vermutet, dass sich das Land von diesem Tandem-Unterricht bereits verabschiedet hat.

Unter Stochs Ägide war die Sonderschulpflicht aufgehoben worden. Seit 2015 haben die Eltern behinderter Kinder die Wahl zwischen SBBZ und den allgemeinbildenden Schulen. Im Schuljahr 2016/17 hatten fast 57.300 Kinder oder fünf Prozent der Schülerschaft im allgemeinbildenden Bereich einen Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot. Von diesen besuchen 85 Prozent SBBZ und 14 Prozent allgemeinbildende Schulen, insbesondere Grundschulen. Letzteres entspricht etwa 7500 Kindern, deren Zahl nach Prognose der SPD auf 11.000 Kinder im Schuljahr 2022/23 steigen wird. Das entspräche dann einer Inklusionsquote von 28 Prozent.

Die Inklusion leidet unter einem deutlichen Fachkräftemangel. Deshalb müssten Studienplatzkapazitäten erhöht sowie Aufbaustudiengänge und Fortbildungen ausgebaut und beworben werden, sagte Stoch. dpa

Alles soll anders und besser werden – Gebauer will Qualitätsstandards für inklusiven Unterricht vorgeben

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David Boehme, Schulbegleiter
3 Jahre zuvor

Komisch!
In der Opposition tut die SPD immer sehr viel – vor allem Forderungen aufstellen, sogar sionnvolle:
„Unter anderem sollen Schulen die derzeit 120 nicht besetzten Stellen für Sonderpädagogen in andere Unterstützung, etwa durch pädagogische Assistenten, ummünzen können. Stoch regt zudem einen Modellversuch mit multiprofessionellen Teams an, zu denen neben den Lehrern Schulbegleiter, Ergotherapeuten oder Schulpsychologen gehören können.“

Es braucht außerdem eine Aufwertung aller langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Inklusion. Die hier erworbene Erfahrung lässt sich durch kein Bachelor-Studium erwerben.
Dennoch werden Inklusionsassistenten z.T. abenteuerlich von einer Stelle zur anderen geschoben, müssen jedes Mal das Rad neu erfinden, von vorne anfangen, Knowhow geht verloren – weil Schulbegleitungen und andere Inklusionskräfte den Schulen nicht erhalten bleiben. So. Geht. Inklusion. Nicht.

Das ist eine Hauptherausforderung: Schulbegleiter gehören an die Schule, dann sollen sie auch beim jeweiligen Schulträger angestellt sein! Und was ist so schwer daran, von anderen Bildungssystemen zu lernen? In UK ist das gängige Praxis, dass mehrere Personen in einer Klasse sind (Lehrkraft, Teachings Assistant, Assistant für Kinder mit besonderen Bedürfnissen u.a.). Ich musste immer „wegschauen“, wenn ich andere Schülerinnen und Schüler mit besonderen Bedürfnissen sah oder sich Auffälligkeiten zeigten – ich gehörte ja nicht zur Schule! Hört auf damit!

Auch die neuen „Poollösungen“, wo wir Inklusionassistenten nichts weiter mehr sind, als billige Springkräfte: 1. + 2. Stunde an der Schule, 3. + 4. an einer anderen, in der 8. Vertretung für eine Kollegin im anderen Stadtteil! Weil’s Geld spart, klar! Lasst es sein!

„Die Inklusion leidet unter einem deutlichen Fachkräftemangel. Deshalb müssten Studienplatzkapazitäten erhöht sowie Aufbaustudiengänge und Fortbildungen ausgebaut und beworben werden.“
Tut sie nicht! Es gibt keinen pauschalen Fachkräftemangel in diesem Bereich!
Ihr verheizt nur die vorhandenen Kräfte und macht ihnen eine Fortbildung zu Sonderpädagogen unnötig schwer: So ist bspw. die Fortbildung zum Sonderpädagogen für Erzieherinnen von 18 auf 36 Monate verlängert worden und nun sollen sich Sonderpädagogen auch noch um „Integration“ kümmern! Lasst das einfach sein! Dann bekommt Ihr auch mehr Kräfte!
Ihr macht die Dinge unnötig kompliziert!
Immer wieder!
Mit jeder Eurer „Reformen“ vom Schreibtisch aus! Ihr lernt nix dazu! Lasst doch Bildung diejenigen gestalten, die Tag für Tag dran sind am Ball!

Und Corona hat leider gezeigt:
Ihr lasst die Leute auch noch im Regen stehen. Die Schulbegleitungen, diejenigen Lehrkräfte an den Regelschulen und den SBBZ, die nicht wissen, wann es und wie es weitergeht, die in manchen Schreiben gar nicht erwähnt wurden.

Ich bin verärgert! Ich bin so verärgert, wie Ihr mit Menschen umgeht, die innerlich motiviert dabei sind, die gerne mit „Inklusionskindern“ arbeiten, die das auch erfolgreich gestemmt haben. Manchmal denke ich, Ihr wollt die absichtlich vor den Kopf stoßen, damit nur noch FSJler und Bufdis den Dienst nach Vorschrift absolvieren …. aber das ist nur so ein blöder Gedanke von mir.

Stellt uns endlich bei den jeweiligen Schulträgern an!