Impfpflicht: Karliczek will Impfungen in der Schule – Ethikrat fordert neue Debatte

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BERLIN. Geht es nach der Bundesregierung – so könnte man meinen – ist eine Impfpflicht für Kinder nur noch eine Frage der Zeit. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek will Impfungen gar in der Schule anbieten. Nach Meinung des Deutschen Ethikrat indes greift die aktuelle Debatte zu kurz.

Nach Ansicht von Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sollten Impfungen künftig auch in der Schule angeboten werden. Die meisten Ungeimpften seien keine Impfgegner, die Hürden für eine Impfung seien ihnen aber zu hoch, sagte die Ministerin. Unabhängig von der diskutierten gesetzlichen Impfpflicht müsse man hier ansetzen. «Wir sollten die Fakten besser vermitteln und den Zugang zu Impfungen erleichtern, etwa durch Impfungen in Schulen und Betrieben», sagte Karliczek. «Impfungen gehören zu den großen wissenschaftlichen Errungenschaften der Medizin und retten Leben.»

Wie eine Impfpflicht – wenn sie denn kommt - durchgesetzt werden soll ist noch ungeklärt. Foto: Jenay Randolph / Macdill AFB (p.d.)
Wie eine Impfpflicht – wenn sie denn kommt – durchgesetzt werden soll ist noch ungeklärt. Foto: Jenay Randolph / Macdill AFB (p.d.)

Frank Ulrich Montgomery geht noch einen Schritt weiter. „Alle Impfungen, die die Ständige Impfkommission heute für Kinder empfiehlt, sollten verpflichtend sein.“, so der Präsident der Bundesärztekammer. Zur Durchsetzung komme nach seiner Ansicht durchaus ein Verbot des Besuchs von Gemeinschaftseinrichtungen wie Kita oder Schule in Frage. „Zwar steht die Impfpflicht dann im Zweifel im Konflikt mit der Schulpflicht. Aber dieses Problem muss die Politik lösen“, so Montgomery im Interview.

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Soweit ist Bundesgesundheitsminister Jens Spahn noch nicht, doch wenn es nach ihm geht, kommt wohl bald die Impfpflicht in Kitas und Schulen. Anfang Mai will Spahn einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorlegen. Er persönlich befürworte grundsätzlich verpflichtende Masernimpfungen hatte der CDU-Politiker verlauten lassen. Doch auch aus der SPD kommen ähnliche Töne. Neben dem Gesundheitsexperten Karl Lauterbach hatte sich zuletzt auch Familienministerin Franziska Giffey entsprechend zu Wort gemeldet.

Wie die Impfpflicht umzusetzen wäre, was also möglicherweise auf die Schulen zukommt, ist abgesehen von Forderungen im Sinne Montgomerys noch weitgehend unklar. Gerade erst war ein Urteil bekannt geworden, nachdem etwa Kinder,bei Infektionsverdacht, für eine gewisse Zeit vom Schulunterricht ausgeschlossen werden dürften. Doch insgesamt herrscht Verwirrung. In den Ländern ist der Impfpflicht-Vorstoß umstritten.

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Zweifel an einer einfachen Lösung äußert auch der Deutsche Ethikrat. Die Verkürzung der Debatte auf Einführung einer gesetzlichen Impfpflicht für Kinder hält das vom Bundespräsidenten berufene Gremium für verfehlt.

Fast die Hälfte aller an Masern Erkrankten in Deutschland seien Erwachsene. Um eine bevölkerungsweite Quote für beide Masernimpfungen von 95 Prozent zu erreichen, müssten auch bei Erwachsenen die Impfquoten erhöht werden

Bundesweit liege die Erstimpfungsquote bei Kindern zum Zeitpunkt der Einschulung bei 97,1 Prozent. Dies zeige eine große Akzeptanz der Masernimpfung. Probleme entstünden aber vor allem durch die „noch unzureichende Quote bei den Zweitimpfungen von 92,9 Prozent sowie aufgrund der beträchtlichen regionalen Unterschiede“ so der Ethikrat in einer Mitteilung.

Unklar ist nach Ansicht de Ethikrats außerdem, wie eine solche Pflicht ausgestaltet und wie sie durchgesetzt werden könne. Denkbare Sanktionen wären je nach Adressaten etwa Bußgelder, Ausschluss aus Kindertagesstätten oder Schulen, Einschränkungen der ärztlichen Berufsfreiheit oder sogar körperliche Zwangseingriffe. Erst die Präzisierung der Ausgestaltung einer Impfpflicht und ihrer Durchsetzung ermögliche eine angemessene ethische und rechtliche Abwägung der betroffenen Schutzgüter.

Eine erfolgreiche Impfpolitik erfordere mithin einen umfassenderen Ansatz, als die Einführung einer Impflicht für Kinder. Dieser Ansatz müsse das ganze Spektrum von Akteuren, Adressaten und Instrumenten in den Blick nehmen. Erst auf dieser Grundlage könne geprüft werden, wie das Ziel eines hinreichenden Impfschutzes erreicht werden kann. Diese Prüfung sei jedoch geboten, bevor das geltende Recht geändert wird. (News4teachers mit Material von dpa)

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