Streit um „Lesen durch Schreiben“: Kritiker der Methode räumen nun ein, dass Probleme mit dem Rechtschreiben daher kaum rühren können

23

DÜSSELDORF. Die Rechtschreibung ist seit Jahren ein Aufregerthema für Eltern von Grundschülern. Die Schuld am schlechten Schreiben wird besonders dem anfänglichen Schreiben nach Gehör gegeben. Doch diese Methode – an der sich gar ein Kulturkampf um die Grundschul-Pädagogik entzündet hat (News4teachers berichtete) – ist gar nicht so verbreitet. Mittlerweile müssen auch diejenigen, die vehement für ein Verbot eingetreten sind, einräumen: Allein an „Lesen durch Schreiben“, wie die Methode eigentlich heißt, kann es nicht liegen.

Was steht sinnvollerweise am Anfang des Schreibunterrichts – die Rechtschreibung? Foto: Shutterstock

«Fata», «Hunt» und «Mama, ich hap dich lip» – wenn Grundschüler so drauflos schreiben, dann kocht bei vielen Eltern die Wut hoch. «Lesen durch Schreiben» heißt die Methode, die allgemein zum Sündenbock für das sinkende Rechtschreibniveau geworden ist. Das umstrittene Konzept des Schweizer Reformpädagogen Jürgen Reichen (1939-2009) aus den 1980er Jahren steht inzwischen in vielen Bundesländern auf dem Index. Jahrelang sollten ABC-Schützen nach dieser Methode anfangs nach Gehör schreiben, ohne von Lehrern oder Eltern korrigiert zu werden.

Kürzlich verordnete auch Nordrhein-Westfalens Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) den Grundschullehrern eine neue Handreichung, die die wilden Anfangsschreibversuche der Schüler wieder einfangen soll. «Die Regeln der deutschen Rechtschreibung können und müssen von der ersten Klasse an gelernt werden», erklärte Gebauer. Mehr als jeder fünfte Viertklässler in Deutschland erfüllt bei Rechtschreibung laut einer Studie des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) die Mindeststandards nicht.

Gebauer verbot die umstrittene Methode „Schreiben nach Gehör“ aber nicht – anders als Hamburg, Schleswig-Holstein oder Brandenburg. Auch in Bayern oder Baden-Württemberg sowie in den meisten Ost-Bundesländern kommt «Lesen durch Schreiben» nicht zum Einsatz. Bestätigt fühlen sich die Kritiker durch eine – noch immer nicht vollständig veröffentlichte – Bonner Studie, wonach Grundschüler Orthografie am besten nach der klassischen Fibelmethode lernen, die schrittweise Buchstabe für Buchstabe und Wort für Wort systematisch und rechtschreibkonform vermittelt. (News4teachers berichtete).

Grundschullehrer: Der richtige Methodenmix ist der Schlüssel

Ganz so einfach ist es aber nicht. Denn nur zwei bis drei Prozent der Grundschulen wenden bundesweit die Methode des Schreibens nach Gehör in Reinform an, so die Schätzungen. «Das ist so ein Schlagwort, aber nicht die Unterrichtsrealität», sagt Anne Deimel vom Verband Bildung und Erziehung (VBE). Das reine «Lesen durch Schreiben» nach der Reichen-Methode werde kaum praktiziert. Deimel ist selbst Grundschullehrerin. Lehrkräfte ließen die Kinder beim Erlernen der Rechtschreibung nicht allein, betont sie. Der richtige Methodenmix sei der Schlüssel zum richtigen Schreiben. «Nicht für jedes Kind ist jeder Ansatz gleich gut», sagt Deimel.

In der dritten Klasse einer Grundschule im Düsseldorfer Norden schreiben die Kinder fast fehlerlos ihre kleinen Geschichten. «Pitza» statt «Pizza» ist einer der ganz wenigen Fehler. Lehrerin Monika L. (58) ist seit fast 30 Jahren im Schuldienst und hat sogar noch das Heft mit Reichens Methode in ihrem Bücherschrank. In einem gibt sie Reichen zumindest ein bisschen Recht: «Wenn ich nicht nach Gehör arbeite, lerne ich gar nichts.» Problematisch werde es aber, wenn es kein Korrektiv gebe. Nie wäre L. auf die Idee gekommen, die Schüler nicht zu korrigieren.

So wird mit „Lesen durch Schreiben“ Politik gemacht: Wahlplakate der CDU in Rheinland-Pfalz 2016. (Bilder: https://www.facebook.com/cdurlp/photos)

Lehrerin L. setzt auf ein viel differenzierteres Lautlernsystem als die einfache Anlauttabelle Reichens, die nur die Anfangsbuchstaben von Wörtern Lauten zuordnete. «Es ist auch entscheidend, wo im Wort der Laut sitzt, ob die Silbe betont ist oder nicht», sagt sie. Der neue Leitfaden für NRW ist für sie die Bestätigung der Methoden, die sie seit Jahren praktiziert. «Für mich war da nichts neu.»

Rechtschreibung sei nun mal ein komplexer Vorgang, in dem viele Sinne wie Sprechen, Sehen, Motorik und besonders das Hören eine Rolle spielten. Ihre Schüler sollen deshalb beim Schreiben immer die Silben mitsprechen. «Natürlich regt sich die halbe Elternschaft darüber auf, dass die Kinder nicht mehr gescheit schreiben lernen», sagt L. Die Gründe dafür seien aber ein «großes Paket». Mangelnde Konzentration, schreibmotorische Probleme – all das gehöre dazu.

Hanna Sauerborn, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Lesen und Schreiben, sieht das zu späte Korrigieren als eines der Hauptprobleme. «Es hat sich im Fach Deutsch die absurde Haltung eingebürgert, Fehler nicht mehr von Anfang an zu verbessern», moniert sie. In Mathe würden Fehler ja auch korrigiert. Der Grund für sinkende Rechtschreibleistung sei aber nicht allein die die Reichen-Methode, meint Sauerborn. «Sie werden ein so komplexes Bedingungsgefüge nicht auf einen Faktor reduzieren können.» Zu heterogen seien die Klassen heutzutage. Letztlich komme es immer auf den Lehrer an.

Auch der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, – der für ein Verbot von „Lesen durch Schreiben“ eintritt (News4teachers berichtete) – räumt jetzt ein: «Die abfallenden Rechtschreibleistungen beobachten wir nicht nur in den Ländern, die sehr stark auf die Lesen-durch-Schreiben-Methode gesetzt haben.» Auch in den Ost-Bundesländern, wo die Methode nie verbreitet war, sinke das Niveau. «Es ist ein ganzes Bündel von Ursachen.»

So spiele das zusammenhängende Lesen nur noch eine geringere Rolle bei Kindern. «Sie lesen halt keine Bücher mehr», sagt Meidinger. Stattdessen würden täglich Hunderte Kurznachrichten gelesen. «In sozialen Netzwerken spielt die Rechtschreibung keine Rolle.» Lehrer gäben inzwischen die Rückmeldung, dass Schüler Quellentexte oder literarische Texte nicht mehr verstehen.

Auch Bildungsforscher Hans Brügelmann sieht viele Ursachen des Rechtschreibdramas. «Seit Jahrzehnten wird über die Rechtschreibkatastrophe geklagt», sagt er. «Schon frühere Studien haben immer wieder schlechte Rechtschreibleistungen erbracht.» Relativieren will Brügelmann nichts. «Aber die Illusion, wenn wir wieder so unterrichten würden wie früher, dann hätten wir das Problem nicht, die müssen wir uns abschminken.» Von Dorothea Hülsmeier, dpa

Kulturkampf um „Lesen durch Schreiben“: Grundschul-Praktiker plädieren für einen kühlen Kopf im Methodenstreit (und setzen auf einen Mix)

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

23 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
jagothello
4 Jahre zuvor

Eines der Probleme ist, dass Lehrer, anders als Ärzte oder Juristen, keine gemeinsamen (pädagogischen) Standardkonzepte samt einer einheitlichen, universitär entwickelten Fachsprache besitzen. So konnte in diesem Forum tatsächlich neulich ein engagierter, offenbar akademisch vorgebildeter Diskutant fragen, was mit „implementieren“ gemeint sei. Bei dem Begriff „Rechtschreibung“ geht es schon los. „Piza“ ist ein R-Fehler. Was ist mit „pizza“? An sich, da es kein Buchstabenfehler ist, ein Grammatikfehler. Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Groß-Kleinschreibung kann auch als R-Phänomen gesehen werden; einheitlich geschieht das aber nicht. Spätestens bei das/dass… Jeder wie er mag.
Im Sekundarbereich sind reine Buchstabenfehler selten und wachsen sich mehr und mehr aus, mal mit mehr schulischer Unterstützung, mal mit weniger, auch bei schwachen Schülern (na ja…). Sehr, sehr häufig aber sind eklatante Ausdrucksschwächen, Wortfehler, Grammatikchaos, Strukturfehler (Syntax, Zeichensetzung). Diese Fehler bedrohen den Hauptschul- oder Realschulabschluss sehr viel stärker als ein „Fant“ stand „Pfand“. Merkwürdigerweise lese ich dazu hier und anderswo so gut wie nichts.Vielleicht liegt das daran, dass es nicht so stark polarisiert, lohnenswert wäre es aber allemal. Mich beschäftigt es seit 25 Jahren: Wie gebe ich den Schülern den „Logos“?

emil
4 Jahre zuvor

Ich kann mir das Grinsen nicht verkneifen, nichts anderes erklären die Grundschullehrer hier schon seit Jahren! Aber besser spät als nie ;-)))))

GriasDi
4 Jahre zuvor

Dass diese Methode kaum angewendet wird, spricht ja nicht gerade für diese Methode, vielmehr spricht dies für die Grundschullehrer. Warum wurde diese Methode dann in diesem Forum oft so vehement verteidigt?
Woher kommen aber dann die vielen Fehler bzw. die schlechten Ergebnisse?
Zitat:
„Mehr als jeder fünfte Viertklässler in Deutschland erfüllt bei Rechtschreibung laut einer Studie des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) die Mindeststandards nicht.“

ysnp
4 Jahre zuvor
Antwortet  GriasDi

Diese Methode wurde noch nie explizit verteidigt, sondern siehe Beitrag Emil. Vielleicht gibt es ein Sender- Empfänger Problem? Oder kennen sich Außenstehende einfach zu wenig über die Feinheiten einzelner Methoden des Anfangsunterrichtes in der Grundschule aus. Es wird immer das Funktionierende von Methoden genommen, also Teilaspekte. Das hat auch keiner bestritten. Eine Anlauttabelle zu verwenden hat ja nichts damit zu tun, dass man dann in der Reichenmethode explizit unterrichtet. Auch zu den normalen Fibeln gibt es Anlauttabellen. Ich denke, das ist wieder so, dass sich halt zu viele einmischen, die nicht viel Ahnung haben, wie es in der Praxis gemacht wird.

christian
4 Jahre zuvor

Die Überschrift ist irreführend, wenn auch ganz im Sinne der GEW:
Die Kritiker der Methode räumen eben nicht „nun ein, dass Probleme mit dem Rechtschreiben daher kaum kommen können“. Es müsste korrekt heißen: „Es wird erneut darauf hingewiesen, dass Probleme mit der Rechtschreibung NICHT AUSSCHLIESSLICH von der Methode SCHREIBEN NACH GEHÖR verursacht werden!“
Kein Kritiker hat eingeräumt, dass die umstrittene Methode gar keine Probleme verursachen würde, ebenso wie die meisten Kritiker ja auch auf andere Gründe (Familiäres Umfeld, Digitalisierung, allgem. soziokulturelle Akspekte, Konzentrationsprobleme) immer wieder hinweisen.
Dass man trotz der Existenz weiterer Störfaktoren die Methode SNG ablehnt, entspricht der gleichen Logik wie das Verbot, ohne Gurt Auto zu fahren: Fehlende Sicherheitsgurte sind bei weitem nicht die einzige Quelle für Unfälle und Verletzungen, aber sie sind eben ein Problem.

Petra Werner
4 Jahre zuvor
Antwortet  christian

Das sehe ich genauso. Es gibt bestimmt eine Reihe von Ursachen für deutlich zunehmende Rechtschreibschwächen. Eine fragwürdige Lernmethode ist es nicht allein und das behauptet auch so gut wie keiner. Trotzdem ist es richtig, zweifelhafte Methoden als Mitverdächtige aus dem Verkehr zu ziehen.
Eine weitere hausgemachte Ursache sehe ich noch in der über Jahrzehnte schwindenden Wertschätzung und Pflege der Rechtschreibung. Ihr Erlernen galt zunehmend als stures, altmodisches Pauken ohne Wert für die inhaltliche und schöpferische Qualität schriftlicher Schüleraussagen.
Auch an die Folgen dieser Auffassung für die Lesefähigkeiten wurden über lange Zeit hinweg nicht gedacht.
Noch einmal: Es gibt natürlich ein Bündel von Ursachen, bei denen aber wenigstens die hausgemachten beseitigt werden sollten. Auf andere, nicht schulbedingte, haben die Lehrer zu wenig oder weit weniger Einfluss. Hier können sie nur warnen, appellieren und um Unterstützung bitten. Auch das kann helfen.

Anna
4 Jahre zuvor
Antwortet  Petra Werner

„Zweifelhaft“ ist auch der Frontalunterricht – also auch verbieten?

ABC
4 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

Sie meinen den lehrerzentrierten Unterricht, der zur Verunglimpfung gern Frontalunterricht genannt wird, so als stehe der Lehrer dauernd nur vor der Klasse und belehre die Kinder allein durch seine Vorträge und Tafelanschriebe.
Der lehrerzentrierte Unterricht mag bei Ihnen zweifelhaft sein, bei mir nicht. Ihre Frage möchte ich also mit einem überzeugten und klaren „Nein!“ beantworten.

Anna
4 Jahre zuvor
Antwortet  ABC

So macht eben jeder Lehrer und jede Lehrerin seine und ihre eigenen Erfahrungen. Und das ist auch richtig so – schließlich ist jede Schülerschaft anders. Und die Art, wie eine Methode eingesetzt wird, eben auch.

Aber wie kommt dann der Philologen-Verband dazu, Kolleginnen und Kollegen aus der Grundschule eine Methode verbieten lassen zu wollen (auch noch eine, die sie kaum einsetzen)? Hauen wir uns dann bald gegenseitig die Verbotsforderungen um die Ohren?

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  ABC

Der Philologenverband setzt ein gewisses Vorwissen der Schüler voraus, wenn sie in Klasse 5 auf das Gymnasium wechseln. Das ist keine Kritik an den Lehrkräften, vielmehr am Lehrplan und damit indirekt auf zu viele nicht gymnasiale Kinder als Folge von zu vielen nicht schulfähigen Kindern zum Zeitpunkt der Einschulung. Für letzteres können die Grundschullehrkräfte auch nichts.

mississippi
4 Jahre zuvor

Zitat Text siehe oben;….“wonach Grundschüler Orthografie am besten nach der klassischen Fibelmethode lernen, also erst Buchstabe für Buchstabe und dann Wörter. “ Aha, eine Methode, nach der die Kinder erst Buchstabe für Buchstabe lernen und dann Wörter…. In welchem Bundesland gibt es die? Nie gehört. 26 Buchstaben und noch mehr Laute lernen und dann erst Wörter???? Schade, dass immer so viel Mist in die Welt gesetzt wird von Leuten, die sich nicht auskennen und damit unsinnige Diskussionen und Streitereien herbeiführen.

AvL
4 Jahre zuvor
Antwortet  Redaktion

Es reicht nicht allein die Korrektur dieses Halbsatzes, denn „Lesen durch Schreiben“ ist eben nur eine Methode des eigenständigen Leseerwerbs der Schüler und keine Methode zur Vermittlung der Schrift im Kontext einfachster orthographischer Regeln !

Angewandt wird aber im Anfangsunterricht des ersten Schuljahres das freie Schreiben und das eigenständige Schreiben der Schüler zu Bildern und mit Hilfe der bebilderten Anlauttabellen, mit deren Hilfe die Schüler von Anfang an selbständig schreiben lernen.
Eingeübt wird beim Schreiben zu Bildern die eigenständige Anwendung der Grapheme. Verbessert wird primär nicht, weil diese Schreibkünste den Lernstand in Bezug auf die Anwendung der Grapheme testen sollen.
Dieser Übungen stellen aber eine echte Herausforderung für Kinder mit auditiven und optischen Wahrnehmungsstörungen, ADS, kognitiven Störungen usw. dar, und Übungen erfolgen unter anderem in einer zum Teil von Lärm belasteten Atmosphäre.
Und zum angepriesenen Methodenmix ließen sich auch andere Positionen darstellen.
Und Herr Brügelmann wusste es auch schon immer, dass sich die Schreibfähigkeiten der Schüler sich im Vergleich zu 1980 nicht verschlechtert haben, wobei er sich immer wieder auf den Umstand fehlender Vergleichsstudien berufen kann.

Palim
4 Jahre zuvor
Antwortet  AvL

Ihre Ausführungen zum Unterricht sind schlicht Behauptungen oder Unterstellungen.

Wenn das eigenständige Schreiben mit der Anlauttabelle den Lernstand testen soll, dann gibt dies deutliche Hinweise auf notwendige Förderung, die man gar nicht erheben müsste, wenn man sich darum gar nicht kümmern wollen würde.
Anders herum wird ein Schuh daraus: Die Lehrkraft, die diese Schreibungen genau analysiert und daraus resultierende Schritte und Hilfen für den Unterricht ableitet, wird die Entwicklung der Schülerschaft genau in den Blick nehmen.

„Dieser Übungen stellen aber eine echte Herausforderung für Kinder mit auditiven und optischen Wahrnehmungsstörungen, ADS, kognitiven Störungen usw. dar, “
Stimmt.
Das liegt an deren Beeinträchtigung und führt dazu, dass diese Kinder Schwächen in den fürs Lesen und Schreiben (und Rechnen) notwendigen Voraussetzungen haben, unabhängig davon, ob sie generell schulfähig sind oder nicht – sie werden eingeschult.

Diese Kinder werden mit JEDER Methode Probleme haben, die in großen Gruppen unterrichtet wird und allgemein an einem Durchschnitt orientiert ist oder womöglich ohne weitere Differenzierung auskommen will.

Sie bräuchten generell eine andere, fachlich sehr fundierte Förderung innerhalb des Unterrichts sowie zusätzliche Hilfe in sehr kleinen Gruppen oder als Therapie.
Dies ist aber nicht ans Lehrwerk gebunden, sondern an eine vernünftige personelle Ausstattung in den Schulen.

Aber statt sich darum zu bemühen und Kindern mit angesprochenen Schwierigkeiten kostenspielige Therapien zu ermöglichen (Rezept!), personelle Hilfen zu gewähren (ausgebildete I-Hilfen, Lerntherapeuten, Heilerziehungspfleger o.a. im multiprofessionellem Team) und ausreichend fundiert ausgebildete Lehrkräfte in den Erstunterricht zu setzen, deren Expertise als Spezialisierung anerkannt, geachtet und angemessen honoriert wird,
kann man ja lieber eine falsch betitelte Methode in den Fokus rücken, sich aufregen, ein paar allgemeine Äußerungen tätigen und sich das Geld sparen. Die Verantwortung dafür sollte man dann aber nicht bei den Lehrkräften im Erstunterricht suchen!

AvL
4 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Ich habe die Materialien meiner ältesten Kinder alle aufbewahrt, und ich weiß sehr wohl, wie mit den Schülern in Beckum gearbeitet wurde.
Und von vielen Eltern und Kollegen in anderen Wohnorten im Münsterland und dem Ruhrgebiet habe ich ähnliches erfahren.

AvL
4 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Und noch ein Nachtrag. Wie die Hattie-Studie nachweist, haben Methoden einen unterschiedlichen Effekt auf das Lernverhalten der Schüler, und dabei schneiden eben die offenen Unterrichtsmethoden sehr schlecht ab, erst recht die Selbstlernrezepte ohne ein Feedback und vorher durchgeführte gezielte Instruktion durch die Lehrer.

Übertragen auf die Humanmedizin würde das bedeuten, das nach erfolgter Testung der Methoden in großen, überregionalen und prospektiven Studien mit mehreren tausend Teilnehmern, die unwirksamen herausgefiltert werden, die effektiven Methoden in die Leitlinien aufgenommen werden. Weniger wirksame Methoden entsprechen dann dem Evidenzgrad B bzw. C oder sie werden gar nicht erst aufgeführt, weil sie unwirksam sind.
Das entspricht dann auch dem derzeitige Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse, weil alle 3 bis 5 Jahre diese Leitlinien überarbeitet werden.
Jeder Bürger kann sich dann auf die Leitlinien berufen, auch die Gerichte.
Sie wollen hier vor Ort eben ihre Lehrmittelfreiheit verteidigen.
Man muss dann eben auch Kritik vertragen .

Palim
4 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Wieder einmal stellen Sie Zusammenhänge her, wo keine sind. Der Einsatz lautgetreuen Schreibens im Erstunterricht bedeutet nicht, dass die SuS sich selbst überlassen werden. Auch das ist wieder Ihre Unterstellung!
Und: Kinder mit entsprechenden Beeinträchtigungen können auch mit anderen Materialien nicht gleichwertig arbeiten, sie benötigen Übungen zur Kompensierung ihrer Schwierigkeiten.

Übertragen auf die Humanmedizin bedeuten Ihre Äußerungen:
a) entsprechend Ihrer fortwährenden Unterstellungen:
der Arzt setzt eine Behandlungsmethode auf Grund einer einzelnen diagnostizierten Krankheit fest, dabei lässt er alle zusätzlichen Bedingungen/ Krankheiten/ Umstände außer Acht, teilt dann die Methode dem Patienten mit, alles andere muss dieser allein bewerkstelligen – ohne weitere Hilfe

oder b) entsprechend der Ausgestaltung des Schulsystems:
der Arzt erhält als Arbeit die Verantwortung für eine bestimmte Anzahl Menschen, für deren Versorgung er pauschal bezahlt wird, und muss bei diesen bei egal welchem Krankheitsbild generell und immer selbst und ohne weitere Hilfe alle Aufgaben der Aufnahme, Verwaltung, Diagnostik, Analyse sowie Behandlung und Pflege, Dokumentation sämtlicher Behandlungsschritte, ausführlicher Berichtspflicht sowie die damit verbundene Organisation und Pflege der notwendigen Gerätschaften im Rahmen eines Budgets oder aus eigener Tasche bewerkstelligen

Cornelia
4 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Es sei mal dahingestellt, ob die erwähnten Leistungsschwächen ursächlich mit einer oder mehreren bestimmten Methoden zusammenhängen. Fakt ist allerdings, dass seit längerer Zeit im Grundschulalter Probleme auftauchen, die möglicherweise latent bei manchen Schülern vorhanden sind, aber die zu anderen Zeiten nicht evident wurden. Dabei denke ich vor allem an leichtere visuelle und auditive Wahrnehmungsstörungen , die sich in den letzten Jahrzehnten unverhältnismäßig stark schon im frühen Grundschulalter bemerkbar machen. Das heißt z.B., dass recht begabte Kinder nicht eben mal ein paar Fehler mehr ab und zu im Diktat haben, trotzdem eine passable mittelmäßige Note bekommen und es reicht halt noch auf die Realschule. Das wäre ja für vernünftige Eltern kein Drama. Nein, d.h. dass die Noten rasant im zweiten Schuljahr in den untersten Bereich absinken, man hat als durchaus kompetente Eltern keine Chance, dem Kind herauszuhelfen, da die Klasse ja rasch voranschreitet und man immer hinterherhinkt, selbst wenn das Kind es irgendwann schafft mit viel gezieltem Üben, im Laufe des 3.Schuljahres nur noch 10 Fehler statt 30 im Diktat zu machen. Dann fragt man sich, ob es dem Kind überhaupt auf die Realschule reicht. Das ist kein Einzelbeispiel. Auch keines aus einem bildungsfernen Elternhaus. Man fragt sich, woher die Problematik kommt, da niemand von den Eltern so ein Schulproblem in der Grundschule hatte, auch niemand aus der Verwandtschaft. Bei Tests lassen sich dann o.g. leichte Teilleistungsschwächen feststellen, und man fragt sich, warum sich diese so gravierend auswirken. Aus welchen Gründen treten diese Schwächen plötzlich so in den Vordergrund, obwohl sie in früheren Generationen sich offensichtlich nicht auf die Rechtschreibleistung auswirkten? Wir persönlich sehen eine wesentliche Ursache in veränderten Lehrplänen, auch in einem häufig zu raschen Voranschreiten im Lernen,weil ja angeblich die Schüler so gut sind. Die betroffenen Schü per leiden darunter, und für Familien ist es eine große Belastung. Ständige Therapien können nicht immer die Lösung sein. Man kann auch nicht Lehrkräfte oder eine einzelne Methode dafür verantwortlich machen, aber man sollte solche Probleme besser wahrnehmen und akzeptieren, dass sich hier durchaus was verändert hat, was man nicht einfach NUR auf Elternhäuser schieben kann.

ysnp
4 Jahre zuvor

Wenn ich noch daran denke, wie Meidinger explizit der Reichenmethode die Schuld in die Schuhe geschoben hat. Vielleicht sollte man einmal besser auf die Grundschulen hören und sich nicht ständig dort in den Unterricht einmischen. Rückmeldungen bzw. den Austausch mit den Sekundarstufen finde ich gut und wichtig, aber was die Grundschule aus Feedbacks macht, ist wirklich die Aufgabe der Grundschulprofis.
Außerdem scheint es bei einigen Politikern nicht angekommen sein, dass es besser wäre auf Praktiker zu hören statt auf zweifelhafte Berater, die sich nicht täglich mit dem Fähigkeiten und dem Unvermögen der Schüler auseinandersetzen und den Unterricht darauf abstimmen müssen um das Beste daraus zu machen.

AvL
4 Jahre zuvor
Antwortet  ysnp

Danke noch mal für den Hinweis auf die Fresch-Methode aus Freiburg.

Wolfgang Bergmann
4 Jahre zuvor

Ich kenne niemanden, der der Methode LdR die jetzige Rechtschreibmisere alleinig in die Schuhe schiebt.
Dass aber der Hype um LdR ab der 80-er Jahre ausgehend von der Lehrerbildung bis hinein in die konkreten Lehrpläne fast aller Bundesländer das Problem verschärft hat, anstatt – und das wäre die Aufgabe eines guten Rechtschreibunterrichts gewesen – gegenzusteuern,- das hat sich mittlerweile auch bis in das letzte Schulministerium eines Bundeslandes hinein herumgesprochen.
Verbot hin oder her,- Hauptsache wir kehren zurück zu einer frühzeitigen Korrektur falscher Schreibweisen, etablieren wieder überall Grundwortschatzkataloge, die beherrscht werden müssen und fördern damit die Renaissance eines systematischen Lese- und RS-Unterrichts.

Pälzer
4 Jahre zuvor

Wenn ich Prof. Hans Brügelmanns Lebenslauf richtig deute, (https://www.hans-bruegelmann.com/berufsbiografie/), so hat er niemals als Lehrer gearbeitet.

Carsten60
2 Jahre zuvor
Antwortet  Pälzer

Nicht nur er, sondern z.B. auch Klaus Hurrelmann. Hartmut von Hentig dagegen hat für kurze Zeit alte Sprachen (!) an einem Tübinger Gymnasium unterrichtet. Brügelmann hat ja auch ein altsprachliches Abitur. Heutige Bildungsforscher sind häufig studierte Psychologen oder Soziologen und dürfen deshalb schon mal gar nicht unterrichten. Fachdidaktiker dienen oft nur das Referendariat ab und verschwinden danach wieder Richtung Uni. Die Theoretiker haben mehr und mehr das Sagen und befinden dann, die Lehrer sollten doch alle SuS individuell optimal fördern, auch mit der Inklusion am Gymnasium, und überhaupt, eine einheitliche Schule mit heterogenen Schulklassen sei doch viel besser, die GEW würde das ja auch sagen.