Rechtschreib-Mängel bei Schülern – Länder schicken Grundschullehrer zur Fortbildung

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STUTTGART. Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Hamburg haben eine gemeinsame Fortbildungsinitiative mit dem Titel „Orthographie lehren und lernen“ gestartet, die sich an Grundschullehrkräfte richtet. „Wenn Kinder nach der Grundschule nicht flüssig lesen und richtig schreiben können, fehlt ihnen eine entscheidende Schlüsselkompetenz. Das ist ein Zustand, den wir in Baden-Württemberg genauso wenig hinnehmen wie in Schleswig-Holstein oder Hamburg“, meinte baden-württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) bei der Auftaktveranstaltung in der Hedwig-Dohm-Schule in Stuttgart.

Kinder Legasthenie und Dyskalkulie bleiben oft ohne besondere Förderng. Foto: Jennifer Scarlett / flickr (CC BY-SA 2.0)
Wird in der Grundschule die Rechtschreibung vernachlässigt? Foto: Jennifer Scarlett / flickr (CC BY-SA 2.0)

Die Fähigkeiten zum Lesen und Schreiben gehen laut Eisenmann bei Grundschülern immer weiter auseinander. Was Schulanfänger heute mitbringen, habe sich grundlegend verändert. «Wir haben heute in Klasse 1 Kinder sitzen, die können schon lesen – und in der gleichen Klasse sitzen Kinder, die können noch nicht mal einen Stift halten», sagte sie. Es sei schwierig bis unmöglich, daraus einen gemeinsamen Lernerfolg zu entwickeln. Die Verschiedenheit sei nicht allein mit dem Migrationshintergrund vieler Schüler zu erklären.

Die Folge der zunehmenden Heterogenität: Fast jeder fünfte Viertklässler im Land erreiche nicht den bundesweiten Mindeststandard in der Rechtschreibung. Dies sei besorgniserregend. „Unser gemeinsames Ziel ist es, den Rechtschreibunterricht an den Schulen qualitativ weiterzuentwickeln und die Lehrerinnen und Lehrer bei dieser wichtigen Aufgabe noch stärker zu unterstützen“, so erklärte die Kultusministerin mit Blick auf die länderübergreifende Kooperation. Eisenmann hatte in der Vergangenheit immer wieder erkennen lassen, dass sie die Unterrichtsmethoden in der Grundschule für die schlechten Ergebnisse verantwortlich macht – nicht die Rahmenbedingungen (News4teachers berichtete).

Profilierung auf Kosten der Grundschulen?

Fachlichen Input erhalten die Lehrerinnen und Lehrer dabei in acht Webinaren, die in enger Abstimmung mit dem Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache konzipiert wurden und von diesem durchgeführt werden. Die 90-minütigen interaktiven Online-Vorlesungen beschäftigen sich mit den Themenschwerpunkten Schrift und Orthographie, Schriftspracherwerb, Diagnose, Rechtschreiben im Unterricht und der Förderung der Rechtschreibkompetenz. Dabei haben die Lehrkräfte die Gelegenheit, sich aktiv zu beteiligen und Fragen zu stellen. Um die gelernten Inhalte fachlich zu vertiefen, erhalten sie zusätzlich Unterstützung durch die Fachberaterinnen und Fachberater Unterrichtsentwicklung für das Fach Deutsch an Grundschulen. Vorhandene Orthographieansätze der Schulen können so beleuchtet und bei Bedarf qualitativ weiterentwickelt werden.

Der Direktor des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache, Prof. Michael Becker-Mrotzek, erklärte: „Für die Vermittlung der Rechtschreibung sind didaktische Konzepte erforderlich, die die Rechtschreibung sinnvoll in das Schreiben und Lesen von Texten einbinden. Sprachliche Bildung ist eine Aufgabe des gesamten Kollegiums. Deshalb ist es wichtig, dass Lehrkräfte gut aus- und fortgebildet werden. Nur so können sie die Schülerinnen und Schüler bestmöglich fördern.“ Wer nicht richtig schreiben kann, habe es in der Gesellschaft schwerer, sagte Eisenmann. Auch die Digitalisierung werde an der Bedeutung von Kernkompetenzen wie Lesen und Schreiben nichts ändern.

Die Bildungsgewerkschaft GEW kritisierte die Initiative als „Alibi-Veranstaltung“. Die Grundschullehrerinnen und -lehrer hätten es satt, „dass die Kultusministerin schwächere Rechtschreibleistungen mit der Kompetenz der Lehrkräfte in Verbindung bringt und sie gleichzeitig keine Förderstunden und die Ausstattung bekommen, in denen sie Rechtschreibung voranbringen und sinnvolle Sprachförderung anbieten können.“

Echte Unterstützung der überlasteten Grundschullehrer müsse anders aussehen, sagte GEW-Landeschefin Doro Moritz. Sprachförderung an Grundschulen falle vielfach aus. Profis für Deutsch als Fremdsprache seien zudem nur befristet beschäftigt und würden in den Sommerferien auf die Straße gesetzt. News4teachers / mit Material der dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Welche Behauptungen aufgestellt werden, um die Grundschulen schlecht zu machen – und was wirklich stimmt

 

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