Digitale Bildung: Virtuelle Realität wird zunehmend zum Thema auch für Museen

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BREMERHAVEN. Alles dreht sich ums Internet, um künstliche Intelligenz oder virtuelle Realität – macht diese etwa künftig traditionelle Museen überflüssig? Das Auswandererhaus Bremerhaven will das genauer wissen. Und bescheinigt der virtuellen Realität eine echte Stärke.

Die Ausstellung „Lust der Täuschung“ im Aachener Ludwig Forum für Internationale Kunst präsentierte das Werk “Toast VR, Richie’s Plank Experience, 2017” Foto: www.medien.aachen.de / Fachbereich Presse und Marketing

Was kommt besser an beim Museumsbesucher: Eine klassische Ausstellung mit echten Objekten, Dokumenten und Hörstationen? Oder doch eine virtuelle, interaktive Alternative? Vielleicht besser eine Mischung aus beidem? Ein Experiment des Deutschen Auswandererhauses Bremerhaven sollte dies klären – die Ergebnisse der Studie mit dem Motto «Berührt es mich?» liegen jetzt vor. Fest steht: «Virtual Reality» (VR) ersetzt das klassische Museum nicht, hat aber hohen Unterhaltungswert.

Um die Frage nach den Möglichkeiten virtueller Realität beantworten zu können, startete das Auswandererhaus das Ausstellungsexperiment «Kriegsgefangen. Ohnmacht. Sehnsucht. 1914-1921». Dazu wurden mehr als 700 Museumsbesucher jeweils mit klassischen und virtuellen Präsentationsformen rund um das Schicksal eines Kriegsgefangenen aus dem Ersten Weltkrieg und seiner Hamburger Familie konfrontiert und dazu befragt. «Kriegsgefangenschaft gilt in der Migrationsforschung als Zwangsmigration», sagte Museumsleiterin Simone Eick.

Im Mittelpunkt standen die Emotionen «Ohnmacht» und «Sehnsucht». Zum Einstieg fanden sich alle Teilnehmer im inszenierten Wohnzimmer der Hamburger Familie wieder. Nach dem Zufallsprinzip durchliefen sie dann jeweils ein rein digitales Setting und einen klassischen Ausstellungsraum. Vor und nach dem Ausstellungsrundgang wurden sie ausführlich befragt, Expertin Katie Heidsieck wertete die Ergebnisse schließlich acht Monate lang aus. Ergebnis: Die Mehrheit der Teilnehmer bescheinigte den virtuellen Elementen einen größeren Unterhaltungswert. Aber: «Es gibt Themen, da sprechen die Objekte für sich», sagte Eick. Originale könnten Gedanken und Gefühle historischer Personen besser vermitteln.

Das Auswandererhaus ist eines von bundesweit sechs Museen, die am Verbundprojekt «Museum4punkt0 – Digitale Strategien für das Museum der Zukunft» teilnehmen. Gefördert wird das von 2017 bis 2020 laufende Projekt mit insgesamt 15 Millionen Euro von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Monika Grütters. Die Projekte reichen von der virtuellen Mond-Tour im Deutschen Museum in München bis zum Erleben von Fastnachtsbräuchen im Museum Narrenschopf in Bad Dürrheim.

Auch wenn die virtuelle Realität auf die meisten Besucher unterhaltsamer als traditionelle Elemente wirkte: «Diese Ergebnisse beziehen sich nicht auf die Inhalte, sondern auf die Ausstellungserlebnisse als solche», erklärte Heidsieck. Die «inhaltsbezogenen Emotionen» und die «nachhaltigen Lernerfahrungen» fielen dagegen bei traditionellen Vermittlungsmethoden stärker aus.

«Wir Museumsmacher müssen genau prüfen, in welchem Kontext „Virtual Reality“ in unseren Häusern eingesetzt wird», meinte Eick. VR-Technologien ersetzten nicht das klassische Museum mit Original-Objekten. «Wir wollen als Freizeiteinrichtung unterhaltsam sein», betonte Eick. «VR ist ein weiteres Element, um die Leute anzusprechen.» Die Direktorin hat auch schon eine Idee, wo die virtuelle Realität im Auswandererhaus zum Einsatz kommen könnte – nämlich beim Thema Überfahrt auf opulenten Ozeanriesen: «Da würde sich das sehr gut eignen.»

Das interdisziplinäre Pilotprojekt soll nach dem Willen von Prof. Monika Hagedorn-Saupe von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Berlin, die die Gesamtleitung von «Museum4punkt0» innehat, auf andere Museen wirken. Gemeinsame Kompetenzen sollten aufgebaut werden. Das gelte auch für ganz praktische Fragen – etwa nach geeigneten VR-Brillen oder dem nötigen Personalaufwand. Von Berit Böhme, dpa

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