Schulisches Umfeld beeinflusst die Identifikation von Schülern als Deutsche

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KÖLN. Bei der Frage, ob sich Gymnasiasten mit Migrationshintergrund als Deutsche fühlen, gibt es deutliche lokale Unterschiede, haben Kölner Soziologen ermittelt. Die Identifikation beeinflusst dabei auch die sozialen Beziehungen der Jugendlichen.

Ob sich Kinder mit Migrationshintergrund als Deutsche fühlen, hängt stark vom schulischen Umfeld ab. Foto: Shutterstock

Ethnische Ungleichheit beim Zugang zum Gymnasium beeinträchtigt nicht nur die Bildungs- und Karrierewege von Schülern mit Migrationshintergrund, sondern prägt auch ihre Identitäten und Freundschaften. Das zeigt eine neue Studie des Kölner Instituts für Soziologie und Sozialpsychologie.

Gemeinsam gingen Hanno Kruse und Clemens Kroneberg der Frage nach, an welchen Schulen sich Schüler mit Migrationshintergrund als Deutsche fühlen. Darüber hinaus untersuchten sie, inwiefern diese Identifikation wichtig für ihre Freundschaften mit Jugendlichen ohne Migrationshintergrund ist. Für ihre Studie kombinierten Kroneberg und Kruse administrative räumliche Daten zu allen Sekundarschulen in Deutschland mit Umfragedaten zu Identitäten und Freundschaftsnetzwerken an 144 ausgewählten Schulen.

Die Untersuchung ermittelte ausgeprägte lokale Unterschiede: In Gegenden, in denen Jugendliche mit Migrationshintergrund nur selten ein Gymnasium besuchen, fühlen sie sich demnach auf dem Gymnasium eher als Deutsche. Zudem geht diese Identifikation vermehrt mit Freundschaften zu Mitschülern ohne Migrationshintergrund einher. Wer sich kaum als Deutsche(r) fühlt, ist dagegen auch seltener mit Mitschülern ohne Migrationshintergrund befreundet. Die soziale Integration auf dem Gymnasium sei somit tendenziell daran gebunden, sich als Deutsche(r) zu fühlen.

In Gegenden, in denen Jugendliche mit Migrationshintergrund auch auf den Gymnasien gut repräsentiert sind, finden sich diese Zusammenhänge dagegen nicht: Gymnasiasten mit Zuwanderungsgeschichte zeigten dort keine verstärkte Neigung, sich als Deutsche zu fühlen. Dabei war die Identifikation als Deutsche(r) nicht relevant dafür, wie sehr sie von Mitschülern ohne Migrationshintergrund sozial akzeptiert werden.

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„Dort, wo an Gymnasien kaum ethnische Vielfalt herrscht, scheint eher eine nationale Leitkultur zu dominieren,“ interpretiert Clemens Kroneberg die Ergebnisse. „Jugendliche mit Zuwanderungsgeschichte tendieren hier dazu, sich stark als Deutsche(r) zu identifizieren, und dies ist auch relevant für ihre soziale Integration in der Schulklasse. Andere Schulformen und Gymnasien in Gegenden mit stärkerer Bildungsgleichheit sind dagegen eher, Schulen der Vielfalt‘, in denen die Frage der Identifikation als Deutsche(r) weniger wichtig ist.“

Die Identifikation als Deutsche(r) scheint allerdings nicht nur eine Frage des lokalen Kontexts zu sein: Die Studie zeigte auch, dass muslimische Schüler häufig Schwierigkeiten haben, sich als Deutsche zu fühlen – und zwar unabhängig von den ansonsten wirksamen Einflüssen des lokalen Umfelds. Kroneberg: „Die bisherige Forschung zeigt, dass sich muslimische Mitbürger durch die deutsche Mehrheitsgesellschaft häufiger als fremd oder nicht zugehörig wahrgenommen fühlen. Solche Grenzziehungen sind sicherlich ein Faktor, der die Identifikation erschwert. Dieser gesamtgesellschaftliche Einfluss scheint so stark zu sein, dass er den Einfluss des lokalen Schulkontexts außer Kraft setzt.“

Die Studie „More than a Sorting Machine: Ethnic Boundary Making in a Stratified School System“ ist im American Journal of Sociology veröffentlicht
Abstract

Forschungsprojekt SOCIALBOND

Suding schlägt vor: 5.000 geflüchtete Lehrer für den Schuldienst qualifizieren!

 

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4 Kommentare
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xxx
4 Jahre zuvor

Die Studie ist keine Überraschung. Wenn es hinreichend viele Angehörige einer Nationalität gibt, dann gesellen die sich zueinander. Wenn es nur wenige gibt, bleibt ihnen nichts anders übrig, als auch Kontakt zu den Einheimischen zu suchen.

Zitat: „„Dort, wo an Gymnasien kaum ethnische Vielfalt herrscht, scheint eher eine nationale Leitkultur zu dominieren,“ interpretiert Clemens Kroneberg die Ergebnisse. „Jugendliche mit Zuwanderungsgeschichte tendieren hier dazu, sich stark als Deutsche(r) zu identifizieren, und dies ist auch relevant für ihre soziale Integration in der Schulklasse. Andere Schulformen und Gymnasien in Gegenden mit stärkerer Bildungsgleichheit sind dagegen eher, Schulen der Vielfalt‘, in denen die Frage der Identifikation als Deutsche(r) weniger wichtig ist.““

Wieso ist das so „Dort, wo an Gymnasien kaum ethnische Vielfalt herrscht, scheint eher eine nationale Leitkultur zu dominieren,“ interpretiert Clemens Kroneberg die Ergebnisse. „Jugendliche mit Zuwanderungsgeschichte tendieren hier dazu, sich stark als Deutsche(r) zu identifizieren, und dies ist auch relevant für ihre soziale Integration in der Schulklasse. Andere Schulformen und Gymnasien in Gegenden mit stärkerer Bildungsgleichheit sind dagegen eher, Schulen der Vielfalt‘, in denen die Frage der Identifikation als Deutsche(r) weniger wichtig ist.“

Was ist an ersterem so schlimm und weshalb sind soziale Brennpunkte auf einmal „Gegenden mit stärkerer Bildungsgleichheit“?

„„Die bisherige Forschung zeigt, dass sich muslimische Mitbürger durch die deutsche Mehrheitsgesellschaft häufiger als fremd oder nicht zugehörig wahrgenommen fühlen. Solche Grenzziehungen sind sicherlich ein Faktor, der die Identifikation erschwert.“

Ganz offensichtlich scheinen die „nationale Leitkultur“ (Zitat von oben) und der Islam nicht hinreichend miteinander vereinbar zu sein. Die Sache mit „Der Islam gehört zu Deutschland“ (Zitat Angela Merkel) sollte man zumindest an den Gymnasien mit ihrer vergleichsweise heilen Welt nochmal genauer untersuchen. An den anderen Schulformen mit ihrer erheblich schwierigeren Klientel wird das mindestens ähnlich, eher extremer sein.

Bernd
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Wenn es nicht so grotesk wäre, wäre es in seinem Flachsinn schon wieder lustig: Da beschimpfen Sie, xxx, in schier endlosen Tiraden öffentlich Muslime – wie es ja in den Rechtsausläufern der deutschen Bevölkerung salonfähig geworden ist. Dass dann in der Folge Muslime sich „durch die deutsche Mehrheitsgesellschaft häufiger als fremd oder nicht zugehörig wahrgenommen fühlen“ nehmen Sie als Beleg dafür, dass der Islam nicht zu Deutschland passt. So produzieren Leute wie Sie genau die Ergebnisse, die Sie zu kritisieren vorgeben. Und das als Lehrer, dem Kinder (mit Sicherheit auch dann und wann ein muslimisches) anvertraut werden…

Wie wäre es mal mit der umgekehrten Feststellung: Dass nämlich Menschen wie Sie, die das gesellschaftliche Klima mit ihren Vorurteilen und ihrem Gehetze verpesten, nicht zu Deutschland passen – jedenfalls nicht zu dem Deutschland von heute?

Carsten60
4 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Weit mehr als die Hälfte des Beitrags von xxx besteht aus Zitaten vom obigen Artikel. Und der Rest ist kein Schimpfen und „endlose Tiraden“ schon gar nicht, soweit ich sehe. Aber Bernd schimpft viel auf andere hier („Leute wie Sie“, „Gehetze“, „verpesten“). Er sollte lieber mal was zu dem obigen Artikel selbst sagen. Warum steht denn da was speziell zu Muslimen? Es muss doch einen Grund geben.
NB: Ob jemand Muslim ist oder nicht, sieht man normalerweise nicht und weiß es daher auch nicht. Eine gezielte Ablehnung zu unterstellen ist daher irgendwie wenig glaubhaft. Und wenn, könnte sie auch andere Gründe haben. Oder die Ablehnung ist z.T. auch gegenseitig, aber schuld sind dann – wie üblich – immer die anderen. Warum redet niemand darüber, dass „Ungläubige“ schon mal von islamischer Seite aus abgewertet werden? Das ist natürlich kontraproduktiv. Viel eher dürften Schwarze unter Ausgrenzung leiden, weil man es ihnen eben ansieht. Ob aber ein Schwarzer Christ oder Muslim ist, das sieht man wieder nicht. Also stellt sich die Frage nach dem „warum“, wenn ausgegrenzt wird.
Last not least: sagte nicht ein gewisser Erdogan zu den Deutsch-Türken, sie sollten sich nicht als Deutsche, sondern als Türken fühlen? Und die „neue Türkei“ solle von Deutschland aus aufgebaut werden? Was mag das wohl für Folgen haben?

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Wrnn Ihr letzter Absatz stimmen würde, dann würde wohl die Mehrheit der in Deutschland lebenden Menschen nicht zu „Ihrem“ Deutschland passen. Das sind ganz natürliche Prozesse, die Sie z. B. auch in den US-amerikanischen Großstädten sehen. Weiße, Schwarze, Mexikaner, Chinesen usw. wohnen gerade bei niedrigen Einkommen überwiegend unter sich.