EBERSWALDE. Eine siebenjährige Schülerin aus Berlin verunglückt beim Baden im Werbellinsee tödlich. Erst dreieinhalb Jahre später kommt es zum Prozess – doch die angeklagten Lehrerinnen schweigen. Die Familie des Mädchens hofft dagegen auf Antworten.
Mehr als dreieinhalb Jahre nach dem Badetod einer Grundschülerin aus Berlin hat vor dem Amtsgericht Eberswalde (Barnim) der Prozess gegen vier Lehrerinnen begonnen. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) wirft den Frauen im Alter von 29 bis 50 Jahren fahrlässige Tötung durch Unterlassen vor. Der Tod des Kindes hätte vermieden werden können, wenn die Angeklagten die ihnen obliegende Sorgfalt nicht außer Acht gelassen hätten, sagte die Staatsanwältin bei Verlesung der Anklage im Gericht.
Haben die Lehrerinnen ihre Aufsichtspflichten verletzt?
Die siebenjährige Schülerin aus Berlin war auf einer Klassenfahrt am Werbellinsee (Barnim), als ihr lebloser Körper am 6. Juni 2016 aus dem See geborgen wurde. Noch am Abend starb das Kind im Krankenhaus. Im Prozess muss nun geprüft werden, ob die vier Lehrerinnen ihre Aufsichtspflichten verletzten. Sie wollten am Mittwoch nicht aussagen. Sie ließen durch ihre Verteidiger erklären, dass sie zunächst keine Angaben machen wollten.
«Das Verfahren sprengt fast den Rahmen des Amtsgerichtes. Es ist hoch emotional, für alle Verfahrensbeteiligten», sagte die Vorsitzende Richterin Roswitha Borchert. In dem Raum im ersten Stock des Gerichtes war am Mittwoch kaum mehr Platz. Mehrere Zuschauer waren gekommen, die den Prozess verfolgten – auch die Familie des Kindes. Die Mutter brach immer wieder in Tränen aus.
In der Anklage heißt es, die Kinder seien am Mittag des 6. Juni gemeinsam mit den Betreuern zum See gegangen. Die Schüler hätten im Nichtschwimmerbereich gebadet. Die Siebenjährige konnte nicht schwimmen. Zwei Betreuer seien mit ins Wasser gegangen, zwei weitere am Ufer geblieben. An dem Tag sei der See gut besucht gewesen.
Staatsanwältin: Die Lehrerinnen hätten es unterlassen, die Kinder zu ordnen
«Es herrschte ein hoher Lärmpegel», sagte die Staatsanwältin. Die Sicht sei wegen der grellen Sonne schlecht gewesen. Die Kinder seien aus verschiedenen Gruppen gewesen, aber die Lehrerinnen hätten es unterlassen, sie zu ordnen. Sie hätten die Situation im Wasser nicht mehr unter Kontrolle gehabt, so die Staatsanwältin. Daher habe auch niemand bemerkt, wie sich die Siebenjährige auf das Absperrseil zwischen Nichtschwimmer- und Schwimmerbereich gesetzt habe, mit dem Kopf unter Wasser geraten sei und keine Luft mehr bekommen habe.
Nach Angaben der Verteidiger der Familie, die als Nebenklage in dem Prozess auftritt, waren mehr als 70 Kinder mit sechs Betreuern am See. Die Lehrerinnen hätten für alle Kinder die Obhutspflicht gehabt, sagte die Staatsanwältin.
Kerem Türker, der Anwalt der Mutter, erklärte, seine Mandantin sei noch immer traumatisiert. Dass es so lange gedauert habe, bis es zur Hauptverhandlung kam, habe mit dazu beigetragen. Die Schulleitung der Berliner Schule, die das Mädchen besucht habe, habe sich bei der Aufarbeitung des Unglücks nicht korrekt verhalten. So seien Unterlagen zunächst zurückgehalten worden. Die Schulleiterin soll im nächsten Termin, am 5. Februar, als Zeugin gehört werden.
Prozess gegen die Lehrerinnen wird sich wohl bis in den Mai hineinziehen
Türker hofft, dass die Angeklagten noch aussagen. Die Familie erwarte, dass eine lückenlose Aufklärung stattfinde. «Und sie wollen auch eine Antwort auf die Frage, welche Person oder welche Personen hier verantwortlich sind.» Bis in den Mai hinein soll der Prozess nach Angaben des Gerichts dauern. Polizisten, Mitschüler, ein Sachverständiger und eventuell auch die Eltern des Kindes sollen als Zeugen aussagen. Von Anna Kristina Bückmann, dpa
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