MAINZ. 2020 wird entscheidend für die komplexe Reform des Hochschulsystems in Rheinland-Pfalz. Kernelement ist die Umstrukturierung der Universitäten Kaiserslautern und Koblenz-Landau. Für Wissenschaftsminister Wolf dürfte es ein turbulentes Jahr werden.
Hochschulstrukturreform – hinter diesem Wortungetüm verbirgt sich ein erbittert geführter Streit. Es ist ein zentrales Projekt von Wissenschaftsminister Konrad Wolf (SPD) und rückt ihn in den Fokus heftiger Kritik. Dabei geht es vor allem um die Trennung der Unis Koblenz-Landau sowie das Zusammengehen des Landauer Standorts mit der Technischen Universität (TU) Kaiserslautern.
Die Meinungen darüber, wie dieser Weg beschritten werden soll, gehen weit auseinander. Grundsätzlich gebe es keine Blaupause für solche Vorgänge und Fusionen, sagt der Hamburger Hochschulexperte Birger Hendriks. «Wie man das macht, dafür gibt es kein Patentrezept.»
2020 stehen im Fall von Koblenz, Landau und Kaiserslautern wichtige Schritte an. Der Gesetzentwurf soll demnächst dem Kabinett vorgelegt werden. Noch in diesem Jahr sollen erste Gremien entstehen, um die Entflechtung von Koblenz sowie Landau umzusetzen. Neben dem Gesamtsenat von Koblenz-Landau sollen Teilsenate für beide Standorte gebildet werden. Mit dem Gesetzentwurf rücken die entscheidenden Debatten und Abstimmungen im Landtag in Mainz näher – dort, wo bisher fernab beider Campi das Präsidialbüro der Uni Koblenz-Landau sitzt.
Die Plenumsdebatten werden aller Voraussicht nach sehr kontrovers. CDU-Landeschefin Julia Klöckner warf der rot-gelb-grünen Landesregierung schon vor einiger Zeit vor, die Hochschulen an der kurzen Leine zu halten und «keinen Plan» zu haben. CDU-Fraktionschef Christian Baldauf sagte im Plenum, bei den von der Reform Betroffenen herrsche ein hohes Maß an Verunsicherung und wachsendes Misstrauen.
Dass das Konstrukt mit den beiden über 170 Kilometer voneinander entfernten Standorten Koblenz und Landau eigenwillig ist, darüber besteht größtenteils Einigkeit. Der hochschulpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Martin Louis Schmidt, spricht von einer «unorganischen Doppeluniversität», deren Trennung grundsätzlich positiv zu bewerten sei. Statt einer Fusion hält er aber einen loseren Verbund für besser. Minister Wolf wirft er ein «intransparentes Vorgehen» vor.
Der spricht von einem «Meilenstein für die rheinland-pfälzische Hochschullandschaft». Beide Unis – Koblenz-Landau und Kaiserslautern – hätten erklärt, dass sie den Prozess der Umstrukturierung nun mit hoher Dynamik vorantreiben wollten. «Ich begrüße dies sehr und freue mich, dass die zuweilen spürbare Sorge der Standorte vor Veränderungen nun dem Wunsch nach Gestaltung gewichen ist», sagt Wolf, der vor Jahren mal Präsident der Hochschule Kaiserslautern war. Das Gesetz zur Reform werde den Hochschulen große Freiräume lassen und für Klarheit und Transparenz bei allen Beteiligten sorgen. Die Neuausrichtung werde zu einer Stärkung aller drei Standorte führen.
Die zentralen Eckdaten stellte der Minister Mitte Dezember vor. Bis 2023 soll Koblenz den Plänen zufolge eigenständig sein als Rechtsnachfolgerin des bisherigen Koblenzer und Landauer Konstrukts. Neu entstehen wird bis dahin eine Rheinland-Pfälzische Technische Universität mit den Standorten Kaiserslautern und Landau, als Puffer ist für diesen Schritt zur Not eine Verlängerung um zwei Jahre angedacht – und zwar für den Fall, dass die Erarbeitung einer gemeinsamen Grundordnung für Kaiserslautern und Landau trotz aller Bemühungen doch mehr Zeit als angenommen benötigt. So erklärte es Wolf Ende November im Wissenschaftsausschuss des Landtages.
Diese mögliche Verlängerung zeige, dass Leute am Werk seien, die sich der Schwierigkeiten eines solchen Vorhabens durchaus bewusst seien, sagt Experte Hendriks, der einst die ebenfalls aus einer Fusion hervorgegangene Brandenburgische Technische Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg geleitet hat. «Eigentlich braucht man immer mehr Zeit, als man denkt.» Eine Fusion könne zwar per Gesetz verordnet werden. «Aber damit ist es nicht gemacht.» Es müssten Verwaltungen zusammengelegt, Finanztöpfe neu sortiert und das Studienfachangebot überarbeitet werden. Dies sei eine anspruchsvolle «Zusatzaufgabe» zu ohnehin drängenden Herausforderungen für alle Hochschulen wie die Digitalisierung. Es brauche «on top» Stellen und Geld.
Wolf zeigt sich zuversichtlich, dass eine Übergangsphase nicht nötig sei. Selbst den emotionalen Debatten der vergangenen Monate gewinnt er Positives ab. Im Wissenschaftsausschuss sagte er im November, diese hätten auch gezeigt, wie hoch die Identifikation der Regionen mit ihren Hochschulstandorten in Landau, Koblenz und Kaiserslautern sei.
Für die Präsidentin der Uni Koblenz-Landau, May-Britt Kallenrode, ist «eine bundesdurchschnittlich auskömmliche Ausstattung für eine mittelgroße Universität» entscheidend für den Erfolg der Selbstständigkeit einer Universität Koblenz. Es gehe nicht «um einen trügerischen Kapazitätserhalt, sondern mindestens einen Stellenerhalt und bestenfalls eine Stellenerhöhung, um das Defizit der jetzigen Universität Koblenz-Landau nicht für eine Universität Koblenz fortzuschreiben.» In Sitzungen und Gesprächen hätten sich Vertreter der Unis und des Ministeriums mittlerweile besser kennengelernt und verschiedene Sichtweisen, Bedarfe und Interessen artikuliert. «Auf der Basis dieser Erfahrungen hofft die Universität, dass der nun folgende Umsetzungsprozess noch effizienter verlaufen wird.»
Kallenrode verweist gerne auf eine Auswertung des Münchner Ifo-Instituts. Das verglich zuletzt im November 2019, wie effizient Unis ihr Geld einsetzen. Ins Verhältnis gesetzt werden Ausgaben und Personal als Aufwand und die Anzahl der meistzitierten Veröffentlichungen sowie die Zahl der Absolventen als Ertrag. Das Ergebnis: Koblenz-Landau ist die beste rheinland-pfälzische Uni und liegt unter bundesweit 70 untersuchten Universitäten auf Rang sechs. (Christian Schultz, dpa)
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