Kritik an unqualifiziertem Seiteneinstieg in den Lehrerberuf – Martin reagiert

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SCHWERIN. Sie werden in den Schulen dringend gebraucht und sollen nun besser ausgebildet – und in der Folge auch besser bezahlt werden. Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsministerin Martin will Seiteneinsteiger-Lehrkräften ein vollwertiges Referendariat ermöglichen.

Bessert nach: Bettina Martin, Bildungsministerin von Mecklenburg-Vorpommern. Foto: Regierungsportal M-V / Ute Grabowsky

Die Kritik ist massiv. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, hat eine unzureichende Qualifizierung von Seiteneinsteigern in den Lehrerberuf als „ein Verbrechen an den Kindern“ bezeichnet. Der bak Lehrerbildung, in dem bundesweit Lehrerausbilder organisiert sind, stellt in einem Positionspapier zum Seiteneinstieg fest: „Mit großer Sorge sind klare Tendenzen einer Deprofessionalisierung der Lehrerausbildung festzustellen, teils herrschen skandalöse Missstände an deutschen Schulen – und dies in vielen Bundesländern.“ In keinem ähnlich verantwortungsvollen Beruf – etwa unter Ärzten – wäre es denkbar, den Personalmangel mit dafür nicht ausreichend qualifizierten Kräften zu beheben, schimpft der Verband.

Lehrer werden in sechs Wochen?

Auch in Mecklenburg-Vorpommern arbeiten Menschen ohne jede pädagogische Qualifikation als Lehrer. Nur wenige Seiteneinsteiger in den Lehrerberuf, so bestätigte eine Sprecherin des Bildungsministeriums in Schwerin im September, seien landesweit vor dem laufenden Schuljahr mit einem Grundkurs qualifiziert worden. Lediglich 41 der 220 vom Land neu eingestellten „Lehrer ohne Lehrbefähigung“ – also weniger als ein Fünftel – hatten danach den eigentlich vorgesehenen „Kompaktkurs“ absolviert, bevor sie den Unterricht übernahmen. Seiteneinsteiger stellen in Mecklenburg-Vorpommern rund ein Drittel der zum laufenden Schuljahr neu eingestellten Lehrer. Damit liegt das Land bundesweit nicht mal an der Spitze: In Berlin beispielsweise sind aktuell fast zwei Drittel der zum laufenden Schuljahr eingestellten Lehrkräfte Quer- oder Seiteneinsteiger.

Dabei kann der in Mecklenburg-Vorpommern bislang eigentlich vorgesehene „Grundkurs“ zur Vorbereitung, selbst wenn er absolviert wird, bei weitem nicht den pädagogischen Standard gewährleisten, den ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer mitbringen. Zum Vergleich: Ein Lehramtsstudium für die Grundschule dauert mindestens vier Jahre, dazu kommt ein Referendariat von in der Regel anderthalb Jahren. Der „Kompaktkurs“ hingegen lief lediglich während der sechswöchigen Sommerferien (und soll bei denjenigen, die ihn verspasst haben, im Lauf des Schuljahres nachgeholt werden).

Berufsbegleitendes Referendariat

Bildungsministerin Bettina Martin (SPD) hat jetzt auf die Kritik reagiert. Sie will die Ausbildung von Lehrkräften verbessern, die ohne reguläres Lehramtsstudium als sogenannte Seiteneinsteiger an Mecklenburg-Vorpommerns Schulen unterrichten. Diese sollen künftig ein berufsbegleitendes Referendariat absolvieren. Martin kündigte am Donnerstag einen entsprechenden Gesetzentwurf an.

Damit würden diese Lehrkräfte, die wegen Lehrermangels derzeit in größerer Zahl eingestellt werden, ihren Kollegen mit Lehramtsstudium gleichgestellt. Voraussetzung soll ein abgeschlossenes Hochschulstudium mit passender Ausrichtung sein, hieß es.

Bisher können Lehrkräfte im Seiteneinstieg erst nach fünf bis zehn Jahren im Schuldienst eine Anerkennung ihrer Lehrbefähigung beantragen, wie ein Sprecher des Bildungsministeriums erklärte. Bis dahin verdienten sie weniger Geld als ihre Kollegen mit regulärem Lehramtsstudium. Laut einem NDR-Bericht wurden im vergangenen Jahr die meisten dieser Anträge abgelehnt oder zurückgestellt – unter anderem, weil sich aus den Abschlüssen der Seiteneinsteiger keine Unterrichtsfächer zur Anerkennung ableiten ließen.

Das Referendariat, die praktische Ausbildung für Lehrer nach dem Lehramtsstudium, dauert in MV 18 Monate. Für Seiteneinsteiger soll es nach den bisherigen Planungen länger dauern – wie lange, ist dem Ministeriumssprecher zufolge noch offen.

bak Lehrerbildung zeigt sich skeptisch

Die GEW begrüßte das Vorhaben. Allerdings werde nicht immer ein berufsbegleitendes Referendariat möglich sein, gab die GEW-Landesvorsitzende Annett Lindner zu bedenken. Einige Seiteneinsteiger hätten bereits ihre Qualifizierung abgeschlossen und warteten «nun schon unzumutbar lange» auf eine Rückmeldung der zuständigen Stellen, sagte sie. Andere hätten keine Anerkennung ihrer unterrichteten Fächer erhalten und müssten sich mit völlig verschiedenen Antworten aus den jeweiligen Abteilungen herumschlagen. «Hier muss dringend Abhilfe geschaffen werden», forderte die Gewerkschafterin.

Skeptisch zeigt sich der bak Lehrerbildung hinsichtlich eines berufsbegleitenden Referendariats: Aus Sicht des Verbands hat die Nachqualifikation von Seiteneinsteigern mindestens zwei Jahre zu dauern – und beinhaltet in dieser Zeit keine ergänzenden Aufgaben im Arbeitsumfeld Schule. News4teachers / mit Material der dpa

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