Corona-Krise: Bundesschülerrat sieht durch Schulschließungen gravierende Nachteile für Schüler – der VBE (noch) nicht

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BERLIN. Millionen Eltern fragen sich, wie das funktionieren soll: In ganz Deutschland machen Schulen und Kitas wegen des Coronavirus dicht, für Wochen. Die Forderungen nach politischen Lösungen mehren sich – und die Rufe nach verständnisvollen Arbeitgebern.

Lässt sich der versäumte Stoff irgendwie nachholen? Foto: Shutterstock

Es werden schwierige Zeiten für Deutschlands Eltern. Wenn Schulen und Kitas über Wochen geschlossen bleiben, ist das für viele eine organisatorische – und nervliche – Extremsituation. Ein Überblick über die Lage:

BUNDESLÄNDER: Alle Länder haben nun ihre Linie vorerst festgelegt: Nächste Woche werden in 13 Bundesländern flächendeckend die Schulen geschlossen. Sachsen will am Montag zunächst die Schulpflicht aussetzen. Hessen verfährt dann ähnlich. Brandenburg setzt den regulären Schulunterricht von Mittwoch an vorerst aus. Der Schulbesuch ist damit weiter möglich, aber nicht mehr verpflichtend.

POLITIK: SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hat politische Lösungen für betroffene Eltern und Kinder in Aussicht gestellt. «Die richtigen Schul- und Kita-Schließungen sorgen in diesen Tagen in vielen Familien für große Herausforderungen», schreibt er am Samstag auf Twitter. «Ja, wir brauchen hierfür auch politische Lösungen. Daran arbeiten wir.»

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte am Freitag gesagt, es werde auch geprüft, welche Folgen es habe, wenn Menschen nicht mehr zur Arbeit kämen, weil sie ihre Kinder betreuen müssten – Bund, Länder und Kommunen seien gefordert.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Hessen-Thüringen hat ein Krisen-Elterngeld für Betroffene von Schul- oder Kitaschließungen gefordert. Die Schließungen seien ein wichtiger Beitrag, um die Infektionskette zu unterbrechen, sagte der DGB-Vorsitzende für Hessen und Thüringen, Michael Rudolph, laut einer Mitteilung vom Samstag. «Allerdings stellt dies Eltern insbesondere kleiner Kinder vor enorme Herausforderungen», sagte er. «Auch ihnen muss schnell und unbürokratisch geholfen werden. Daher fordern wir, das Elterngeld für alle Väter und Mütter zu öffnen.»

Angesichts der für viele andere Berufstätige bestehenden Herausforderungen sollten die Landesregierungen beim Bund anregen, dass es schnell eine Lösung für berufstätige Eltern gibt, so Rudolph. «Ein Krisen-Elterngeld, finanziert aus Steuermitteln, wäre eine wirksame Möglichkeit, das Einkommen der Eltern zu schützen und gleichzeitig die familiären Erfordernisse zu bewältigen.»

LEHRER: Nach den angekündigten Schulschließungen wegen der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus erwartet der VBE klare Vorgaben von den Bildungsministerien der Länder zum weiteren Vorgehen: «Es darf jetzt nicht alles auf die Schulen abgeschoben werden. Je klarer die Regeln, desto besser können die Schulen mit der Situation umgehen», sagt der Bundesvorsitzende Udo Beckmann.

Beckmann befürchtet wegen den vorerst bis rund um Ostern geplanten
Ausfälle keine größeren Leistungsabfälle bei den Schülern. Wenn aber danach festgestellt werde, dass die Schließungen weiterhin aufrecht erhalten bleiben sollten, müssten die Kultusminister «erneut ihre Köpfe zusammenstecken», sagte er. Möglich seien dann auch Teillösungen zum Beispiel für Schüler, die im Prüfungsmodus seien, damit die Prüfungen stattfinden könnten.

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ELTERN: Die Länder versuchen, Notbetreuungen auf die Beine zu stellen. Es geht dabei vor allem darum, dass Eltern in sogenannten kritischen Berufen, wie Polizei, Feuerwehr, Krankenpflege oder Rettungsdienst weiterhin zur Arbeit gehen können. Der Bundeselternrat hatte am Freitag gefordert, die Rahmenbedingungen dafür müssten bundesweit gleich sein, und Entscheider vor Ort müssten sich auf klare Handlungsanweisungen verlassen können. Der Staat stehe hier in der Pflicht.

Trotz Verständnisses für die Maßnahme machen sich viele Eltern Sorgen um die schulischen Leistungen ihrer Kinder. Eine 36 Jahre alte Mutter dreier Söhne aus Berlin sagt: «Vielleicht könnte man ja auf die Herbstferien verzichten?» Ihr 13 Jahre alter Sohn werde wohl Schulaufgaben per Mail geschickt bekommen. «Zufriedenstellend finde ich das nicht», sagt die Mutter. Für ihre beiden Kita-Kinder hätten sie und ihr Mann noch keine Lösung gefunden.

ARBEITGEBER: Das Bundesarbeitsministerium (BMAS) hat alle Arbeitgeber aufgerufen, pragmatische Lösungen mit ihren Beschäftigten zu finden. Auf die Schließung von Schulen und Kindergärten könne mit Homeoffice, kreativen Arbeitszeitmodellen, der Nutzung von Urlaub und Arbeitszeitkonten reagiert werden, sagt ein Sprecher. Für Beschäftigte dürfte es hilfreich sein, zunächst das Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen. «Darüber hinaus beobachtet das BMAS die aktuellen Entwicklungen genau und prüft eventuelle weitere erforderliche Maßnahmen.»

Sei bei der Schließung der Kita oder Schule eine Betreuung erforderlich, so müssten die Eltern zunächst alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, die Kinderbetreuung anderweitig sicherzustellen. «Kann die erforderliche Kinderbetreuung auch dann nicht sichergestellt werden, dürfte in der Regel ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers bestehen, da die Leistungserfüllung unzumutbar sein dürfte (§ 275 Abs. 3 BGB)», erklärt der Sprecher.

In diesen Fällen werde «der Arbeitnehmer von der Pflicht der Leistungserbringung frei; es ist nicht zwingend erforderlich, Urlaub zu nehmen.» Zu beachten sei, dass jemand, der wegen persönlicher Verhinderung nicht arbeiten könne, nur unter engen Voraussetzungen Anspruch auf Lohnfortzahlung habe.

Klingbeil appelliert an die Arbeitgeber, sich in diesen Zeiten flexibel zu zeigen. Er erwarte «größtmögliche Flexibilität und Entgegenkommen für die Beschäftigten». «Es kann nicht sein, dass Arbeitgeber diese Herausforderung nur den Beschäftigten überlassen.»

SCHÜLER: Die Bundesschülerkonferenz (BSK) befürchtet wegen der anstehenden Schulschließungen große Nachteile für die Schülerinnen und Schüler. «Grundsätzlich empfinden wir den Schritt als richtig, weil er auch erforderlich ist», sagt Verbandssprecher Torben Krauß. Das neuartige Coronavirus müsse eingedämmt werden und Schulen seien ein Ort, an dem viele Menschen aufeinanderträfen und sich anstecken könnten. «Wir sehen aber erhebliche Nachteile für die Schüler, besonders für die Abiturienten.»

Sie hätten kaum eine Chance, den Stoff nachzuholen, zumal es nur wenige Möglichkeiten des digitalen Unterrichts gebe. «Die Bundesschülerkonferenz erwartet schnell umgesetzte Konzepte der Länder, um Schülerinnen und Schüler digitale Lehrangebote zur Überbrückung anbieten zu können», forderte die Bundesschülerkonferenz in einer Mitteilung. Länder mit bereits gut ausgebauten digitalen Lernangeboten könnten die Schüler in der unterrichtsfreien Zeit besser vorbereiten, besonders mit Blick auf die anstehenden zentralen Prüfungen. Von Christine Cornelius und Carsten Hoffmann, dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Schulen in der Corona-Krise: Großmut ist jetzt gefordert – keine Korinthenkackerei

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AvL
4 Jahre zuvor

80 % der Corona-Infektionen verlaufen bei einer Infektion ohne dass die Betroffenen etwas davon merken. 20 % weisen Krankheitssymptome in Form einer Atemwegserkrankung auf.
Ein kleiner Teil dieser Betroffenen entwickelt in Folge seiner Vorerkrankungen, wie chronische Atemwegserkrankungen, einer erworbenen Immunschwäche oder z.B. auf Grund des hohen Alters eine schwere Atemwegsinfektion der Lunge in Form einer atypischen Pneumonie/Lungenentzündung mit ggf. einer beatmungspflichtigen Situation.

Es kommt in der jetzigen Situation, in der noch keine Impfstoffe zur Verfügung stehen und die Zahl der immunisierten Personen nach durchlaufener Infektion niedrige ist , um eine hohe Ausbreitungsrate zu stoppen darauf an, die Ausbreitungsgeschwindigkeit und damit den Anstiegsgipfel abzuschwächen, indem man seine Personenkontakte absenkt.
Das bedeutet auch, dass man erforderliche Kontakte zueinander durch einen räumlichen Abstand voneinander einhält.

Schulen sind Orte, an denen Menschen zusammentreffen.
Das gilt in der gleichen Weise auch für den Arbeitsplatz eines jeden Mitbürgers.
Der Unterschied zischen Erwachsenen und Kindern besteht aber darin, dass die räumliche Mobilität der Erwachsenen und damit auch die Mobilität infizierter Erwachsener deutlich größer ist als die von Jugendlichen.
Im Moment hat das Virus in der Fläche Deutschlands noch nicht Ausbreitung erfahren, wie in den betroffenen Teilen Chinas und Italiens.
Dennoch erhöhen gerade jetzt Erwachsene unter anderem auch mit ihren Kindern ihre Mobilität, indem sie zum Beispiel nach Spanien in den Urlaub fliegen !
Handelt es sich dabei um ein verantwortungsbewusstes Verhalten ?

Anscheinend ist nicht bei allen die Essenz angekommen, dass man seine sozialen Kontakte und seine räumliche Mobilität einschränken sollte, damit sich die Ausbreitung des Virus verzögert, der Anstiegswinkel der Neuerkrankungen sich abflacht, damit unser Gesundheitssystem nicht wie in Italien überlastet wird.

GriasDi
4 Jahre zuvor

Zitat:
„Sie hätten kaum eine Chance, den Stoff nachzuholen, zumal es nur wenige Möglichkeiten des digitalen Unterrichts gebe.“

Was ist mit Büchern und den Aufzeichnungen der letzten zwei Jahren. Außerdem rühmen sich die sogenannten Digital Natives, dass sie sich alles „ergoogeln“ können. Dann los.