Logopäden-Verband: Sprachprobleme bei Kindern werden oft zu spät behandelt

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WEIMAR. Sprachtherapien werden Experten zufolge oft zu spät verschrieben. «Wir sehen mit Bedauern, dass die meisten Sprachtherapien direkt vor der Einschulung verordnet werden», sagte die Sprecherin des Bundesverbandes für Logopädie, Margarete Feit. «Wenn Probleme früher erkannt und behandelt werden, lässt sich bis zur Einschulung noch vieles aufholen.» Kurz vor Schulbeginn bleibe oft zu wenig Zeit zum Handeln – etwa, wenn Wartezeiten bis zum Therapiebeginn anfallen.

So manches Sprachproblem ließe sich lösen – bei frühzeitiger Förderung. Foto: Shutterstock

Beispiel Thüringen: Dem Landesverwaltungsamt zufolge wurden 2018 bei Untersuchungen von Schulanfängern bei etwa einem Viertel der Kinder Sprech-, Sprach- oder Stimmstörungen festgestellt. Bei einem Teil davon liegen Sprachstörungen vor, die von einem Logopäden behandelt werden müssen. In den vergangenen Jahren war die Zahl der Verschreibungen insgesamt leicht rückläufig, im ersten Halbjahr 2019 gab es allerdings wieder einen leichten Anstieg. Laut dem Spitzenverband der Krankenkassen GKV stellten Thüringer Ärzte im ersten Halbjahr 2019 rund 13.800 Rezepte für Sprachtherapien bei Kindern bis zum 15. Lebensjahr aus. Demnach war etwa jedes zehnte Kind bis 15 Jahre in logopädischer Behandlung, so GKV-Sprecherin Christiane Haun-Anderle.

Probleme bei der Sprachentwicklung erkennen

«Wir gehen davon aus, dass die Zahl der angeborenen Sprachstörungen in etwa konstant ist – die Herausforderung besteht darin, sie rechtzeitig zu entdecken und zu behandeln», sagte Feit. Dabei seien Eltern ebenso gefordert wie Jugendärzte oder Erzieher im Kindergarten – mehr Aufmerksamkeit für die Sprachentwicklung bei Vorsorgeuntersuchungen sei ebenso wichtig wie ein offenes Ohr bei der Kommunikation mit Kindern. Mit dem Nachwuchs viel zu sprechen sei unverzichtbar für die Sprachentwicklung und um Probleme frühzeitig zu entdecken.

Für Probleme sorgten jedoch schlechte Arbeitsbedingungen: «Logopäden verdienen weniger als Erzieher, haben aber eine sehr anspruchsvolle Ausbildung», erklärte Feit. Geringes Einkommen, schlechte berufliche Perspektiven und eine geringe Wertschätzung des Berufs sorgten dafür, dass sich viele Menschen gegen diese Laufbahn entschieden. Die Agentur für Arbeit führe Logopäden bereits als «Mangelberufe», für die es kaum Arbeitskräfte gebe. Dem Bundesverband für Logopädie zufolge war 2018 eine Arbeitsstelle in der Logopädie im Schnitt 146 Tage vakant. Der aktuelle Arbeitsmarktmonitor für Thüringen zeigt 8 gemeldete Arbeitslose und 32 offene Stellen in diesem Bereich.

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Logopäden werden knapp

Die Folge seien längere Wartezeiten und eine schlechtere Versorgung gerade auf dem Land. Auch für ältere Patienten, die nach einem Schlaganfall oder aufgrund einer Parkinson-Erkrankung Therapiebedarf hätten, sei das zunehmend ein Problem. Erst seit Mitte des vergangenen Jahres gelten deutschlandweit die gleichen Vergütungssätze für eine logopädische Behandlung. Vorher habe ein Logopäde in Thüringen oder Sachsen weniger verdient als in Bayern oder im Saarland. Feit: «Das war ein erster Schritt. Wir hoffen jetzt, dass die Bezahlung insgesamt auf ein ausreichendes Niveau angehoben wird.» Zudem fordert der Verband, dass Logopädie an Hochschulen gelehrt wird, um den Beruf attraktiver zu machen.

Aktuell gibt es in Deutschland dem Verband zufolge rund 29.000 Logopäden, von denen über die Hälfte in Teilzeit arbeitet. 90 Prozent der Logopäden sind Frauen. Der europäische Tag der Logopädie am 6. März soll auf Sprachstörungen aufmerksam machen und das Verständnis der Bevölkerung für Betroffene erhöhen. dpa

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