Leseförderung trotz Corona: Leselernpaten jetzt digital

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KÖLN. Zum gemeinsamen Vorlesen, Lachen und vertrauten Gesprächen treffen sich normalerweise bundesweit 16.600 Lesekinder einmal pro Woche in der Schule mit einem Lesementor. Doch durch die Corona-Pandemie ist dieser direkte Kontakt nun einschränkt oder gar nicht möglich. Daher haben der MENTOR – Die Leselernhelfer Bundesverband e.V. und seine 92 regionalen Vereine neue kreative und digitale Wege für die Leseförderung entwickelt.

Die Welt der Bücher kennenlernen: Schulen können über einen der bundesweit 330 Mentor-Vereine Leselernhelfer für Kinder mit Förderbedarf in Anspruch nehmen. Foto: Andreas Endermann.

Die bundesweit 13.000 Lesementoren motiviert die enorme Bedeutung ihrer Förderung für die Kinder und Jugendlichen: Lesen ist die Schlüsselkompetenz in unserer Gesellschaft und die Voraussetzung für das Lernen in allen Fächern.

Leseförderung ist dringend nötig, denn die aktuelle PISA-Studie zeigt: Jeder Vierte 15-Jährige kann nur auf Grundschulniveau lesen. Die Pandemie verschärft die Situation noch, erläutert Margret Schaaf, 1. Vorsitzende des Mentor – Die Leselernhelfer Bundesverbands e.V.: „Wir wollen den Kindern und Jugendlichen helfen, die während der Krise zuhause keine Unterstützung beim Lernen hatten und haben. Häufig standen sie schon vorher mit Lese- und Lernproblemen da, die sich nun verstärken, da viele Förderangebote seit Monaten nicht mehr stattfinden. Wer die ohnehin schon ungleich verteilten Bildungschancen erst in den Blick nimmt, wenn die Krise ausgestanden ist, hängt diese Kinder wissentlich noch mehr ab.“

Als die Schulen im März geschlossen wurden, blieben viele Mentoren telefonisch mit ihren Lesekindern in Kontakt. Andere schrieben Briefe mit Geschichten zum Vollenden oder stecken Kinderzeitungen in Briefkästen. Aber gerade auf Distanz spielt das Digitale eine bedeutende Rolle: Gut gemachte Lese-Apps und Videogespräche mit den Mentoren sind schöne, interaktive Leseerlebnisse, die die Kinder und Jugendlichen für das Lesen begeistern. Viele Lesetandems behielten den digitalen Austausch bei als die Schulen nach den Sommerferien wieder öffneten.

Lesen per Video-Call

So auch im Krefelder Mentor-Verein: Er hat in der Krise ein neues, digitales Leseangebot aufgebaut: Die Bürgerstiftung Krefeld spendierte dafür 20 Tablets, die die Lesekinder mit nach Hause genommen haben. „Die Tablets haben wir speziell für die Kinder eingerichtet. Sie können damit nicht im Internet surfen, aber auf ein geprüftes Lese- und Lernangebot zugreifen. Dafür haben wir Lizenzen gekauft,“ berichtet Schatzmeister Thomas Stock von MENTOR Krefeld, der für die Software und Technik zuständig ist.

Kern des Krefelder Projektes sind die digitalen Lesestunden, zu denen sich ein Kind mit seinem Mentor verabredet. Dabei schaltet der Lesementor den Bildschirm seines eigenen Gerätes auf das Tablet des Lesekinds. Über eine Software für Videokonferenzen sehen sich Mentor und Kind gegenseitig sowie gleichzeitig die Inhalte vom Monitor des Mentors. So können sie gemeinsam lesen, in Wörterspielen antreten oder interaktive Leselern-Apps nutzen.

„Damit erreichen wir Kinder und Jugendliche, die aufgrund von Corona sonst gar keine Lesestunden wahrnehmen könnten. Wann und wo immer es möglich ist, bieten wir selbstverständlich unsere bewährten Lesestunden nach dem 1:1-Prinzip im direkten Kontakt an,“ erläutert Thomas Stock. Das digitale Konzept kommt bei den Krefelder Kindern gut an und auch der benachbarte Mentor-Verein in Dortmund hat es bereits übernommen.

Keine Notlösung

Es ist keine Notlösung, um die Corona-Zeit zu überbrücken: Die digitale Leseförderung bietet grundlegende Vorteile, erläutert Andrea Pohlmann-Jochheim, Vorstandsmitglied im Mentor – Die Leselernhelfer Bundesverband e.V: „Gut gemachte, digitale Angebote bieten Videos oder Audiodateien zur Lese-Geschichte oder Auswahlmöglichkeiten, über die die Kinder und Jugendlichen den Verlauf der Geschichte selbst mitbestimmen können. Damit bieten sie zusätzliche Informationen, die Kindern helfen, Fantasie zu entwickeln, sich Dinge vorzustellen, Worte zu entziffern und sich an Geschichten heranzutasten. Solche, über mehrere Kanäle verknüpfte Informationen unterstützen Kinder beim Verstehen.“
Diese Vorteile nutzt auch das Projekt „Mentor – Die Leselernhelfer: Digitaler Treffpunkt der Generationen“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. Der Bundesverband hat dieses Projekt mit einem Seminarangebot zum digitalen Lesen für seine 92 regionalen Vereine konzipiert.

Wie funktioniert „Mentor“?

Oberstes Prinzip des Mentoren-Programms ist die 1:1-Betreuung: Ein Mentor fördert ein Kind, einmal in der Woche, mindestens ein Jahr lang. Die Förderung erfolgt ausschließlich in Kooperation mit den Schulen. Unter dem Dach des Bundesverbandes engagieren sich 13.000 ehrenamtliche Lesementoren für 16.600 Kinder und Jugendliche.

Der erste Mentor-Verein wurde 2003 in Hannover gegründet. Der Bundesverband mit Sitz in Köln sorgt vor allem für die Qualifizierung der Lesementoren, damit sie ihr Ehrenamt gut vorbereitet aufnehmen und bei ihrer verantwortungsvollen Aufgabe begleitet werden. Schirmherren sind Richard David Precht, Sandra Maischberger, Armin Maiwald, Simone Standl und Markus Wasmeier.

Weitere Infos unter: https://www.mentor-bundesverband.de/

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