Rund 3000 Schulen in Deutschland unterrichten nach Medienberichten wegen Corona nicht mehr im Regelbetrieb. Das berichten die Zeitungen der Funke Mediengruppe unter Berufung auf Zahlen aus 14 Bundesländern. Es geht um Schulen, die nicht mehr vollständig Präsenzunterricht anbieten. Zum Vergleich: In Deutschland gibt es rund 40.000 Schulen mit insgesamt 11 Millionen Schülern und rund 800.000 Lehrern.
Allein in Nordrhein-Westfalen befänden sich nach Angaben des dortigen Kultusministeriums Schülerinnen und Schüler an 552 Schulen auf Anordnung der Gesundheitsbehörden in Quarantäne und würden digital unterrichtet. In Bayern gebe es an 255 Schulen keinen regulären Präsenzunterricht mehr, in Baden-Württemberg an 273 Schulen.
Jeder 20. Schüler sitzt in Hessen offenbar in Quarantäne fest – Lorz: “Eine große Leistung”
Der hessische Kultusminister Alexander Lorz (CDU) sagte am Mittwochabend im ZDF-«heute journal», in seinem Bundesland gingen 95 Prozent der Schüler weiter regulär zur Schule. «Das ist unter den Bedingungen, die wir im Moment in dieser Pandemie vorfinden, eine große Leistung.» Fernunterricht könne Präsenzunterricht nicht vollständig ausgleichen. Es müsse abgewogen werden zwischen dem Infektionsschutz einerseits und dem Bildungsauftrag andererseits.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft, Marlis Tepe, gehen die Corona-Schutzmaßnahmen in den Schulen aber nicht weit genug. Sie sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: «So wie im Moment unterrichtet wird, sind die Gesundheitsrisiken für Schüler und Lehrer zu hoch.» Die Klassen müssten geteilt werden. «Je eine Gruppe wäre dann in der Schule, eine zu Hause.» Für die Schüler sei es besser, rechtzeitig Klassen zu teilen und so im Unterricht Abstände einzuhalten, als zu riskieren, dass immer mehr Klassen komplett in Quarantäne müssten.
Der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung, Udo Beckmann, sagte dem RND, die Bestimmungen der Gesundheitsbehörden seien sehr unterschiedlich. «Wird in dem einen Landkreis die ganze Klasse in Quarantäne gesetzt, sind es in dem anderen nur die direkten Banknachbarn – wenn überhaupt, weil ja gelüftet wurde.» Das sei nicht nachvollziehbar und führe zu Unmut und Verunsicherung. Es brauche klare und transparente Regeln, wann wer in Quarantäne müsse.
Am Mittwoch hatte eine Angabe des Deutschen Lehrerverbandes für Wirbel gesorgt, wonach sich derzeit mehr als 300.000 Schüler und bis zu 30.000 Lehrer in Quarantäne befinden (News4teachers berichtete ausführlich über die wachsende Zahl von Quarantäne-Fällen unter Schülern und Lehrern). Tepe meinte, es gebe dazu keine verlässlichen Angaben. «Die Zahl von 300.000 ist aus der Luft gegriffen.» Auch Beckmann sagte: «Wir wissen nicht, wie viele Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler in Quarantäne sind.»
Ohne Grundlage sind die von Meidinger genannten Zahlen aber nicht: Allein in Nordrhein-Westfalen befanden sich zum Stichtag 4. November 50.152 Schüler (knapp 2,5 Prozent) in Quarantäne, wie das Schulministerium am Dienstag mitteilte. Bei mehr als 3660 Schülerinnen und Schülern sei eine Corona-Infektion bestätigt worden – das waren mehr als doppelt so viel wie in der Woche zuvor. Bei fast 560 Lehrkräften wurde das Coronavirus bestätigt, fast 3500 Lehrer waren in Quarantäne. Meidinger selbst kritisierte, dass bundesweit keine genaueren Zahlen vorliegen – viele Kultusministerien erheben die Daten schlicht nicht. Auch die KMK hat keinen Überblick.
Wirtschafts-Sachverständigenrat warnt davor, dass Eltern nicht mehr als Arbeitskräfte zur Verfügung stehen
Veronika Grimm, Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung zur Wirtschaftsentwicklung, warnte davor, Schulen zu schließen. «Das hätte signifikante Auswirkungen auf die Zukunftschancen junger Menschen», sagte die Volkswirtin dem RND. Und sie ergänzte: «Wenn Schulen und Kindertagesstätten geschlossen sind, stehen viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den Unternehmen nur eingeschränkt zur Verfügung. Das sei ein durchaus signifikanter Effekt im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung.
Der sächsische Kultusminister Christian Piwarz (CDU) zeigte sich Forderungen nach einem Wechselmodell gegenüber skeptisch: Dieses Modell bedeute deutlich weniger Lernstoff und damit weniger Bildung. Auch die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) verteidigte im SWR das Festhalten am Präsenzunterricht: «Wir setzen auf Präsenz und wollen dort, wo ein Infektionsgeschehen auftritt, regional, standortbezogen reagieren, aber nicht im ganzen Bundesland alle 4500 Schulen schließen.»
Karliczek setzt auf sinkende Infektionszahlen – und auf eine positive Sichtweise
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU), die am Vortag noch selbst einen sogenannten “hybriden Unterricht” beworben hatte (News4teachers berichtete ausführlich über Karliczeks Vorstoß), sprach sich mit Blick auf die für kommenden Montag geplanten Beratungen von Bund und Ländern für eine positive Sichtweise aus. Man habe es geschafft, bis hierhin die Schulen offen zu halten. Für den Fall, dass die Infektionszahlen nicht sinken würden, setzten sich alle Länder damit auseinander, was sie tun könnten. «Aber ich denke, wir gehen jetzt erst einmal positiv davon aus, dass die Zahlen sinken werden», betonte sie. News4teachers / mit Material der dpa
Schulen sind sicher? Wie wäre es mal mit der Wahrheit, Kultusminister?
