Studie: Ein Drittel aller Schüler hatte im ersten Lockdown keinen Kontakt zur Schule – starkes Stadt-Land-Gefälle

4

TÜBINGEN. Nicht nur die Möglichkeiten von Schülerinnen und Schülern, am Unterricht in der Pandemie teilzuhaben, sind ungleich verteilt. Auch Schulen stehen vor höchst unterschiedlichen Bedingungen, wenn es darum geht, ihre Schülerinnen und Schüler zu erreichen. Eine aktuelle Studie deutet auf ein starkes Stadt-Land-Gefälle.

Nicht alle Schüler hatten während des ersten Lockdowns Kontakt zu ihrer Schule. Foto: Shutterstock

Die Corona-Krise traf Schulen in Deutschland unvorbereitet und stellte sie vor neue Herausforderungen. Kurzfristig mussten neue Formen des Lernens und Unterrichtens eingeführt werden, die sich von den traditionellen Formen des Unterrichts erheblich unterscheiden. Die wiederholten Schließungen und die Aufhebung des Präsenzunterrichts haben Schulen geradezu ins digitale Zeitalter katapultiert. Dennoch haben viele Schülerinnen und Schüler in der Pandemie den Kontakt zu Ihren Lehrkräften verloren.

Rund 30 Prozent aller Schülerinnen und Schüler in Deutschland hatten während der ersten Corona-bedingten Schulschließungen im Frühjahr 2020 keinen regelmäßigen Kontakt zu ihren Schulen. Dies ist das zentrale Ergebnis einer Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universitäten Tübingen, Lüneburg und der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz, die zwischen April und Juni 2020 insgesamt 306 zufällig ausgewählte Schulleitungen allgemeinbildender Schulen befragt haben. Insbesondere in ländlichen Regionen gelang es demnach nicht, den Kontakt zu halten. Nur etwa 25 Prozent der Schülerinnen und Schüler in den ländlichen Regionen Deutschlands erhielten während der Schulschließung Lernmaterialien im Rahmen von Onlineunterricht – in Städten waren es etwa 60 Prozent.

Nach dem Bericht der Schulleiterinnen und Schulleiter hatten bundesweit nur etwa drei von vier Schulkindern (71 Prozent) in Deutschland während der Schulschließungen im Frühjahr 2020 mindestens einmal pro Woche Kontakt mit ihrer Schule. In ländlichen Regionen, also an Schulstandorten mit weniger als 3.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, waren es nur drei von fünf Schülerinnen und Schülern (60 Prozent), die regelmäßig Kontakt hatten.

Die Kommunikation mit Schülerinnen und Schülern erfolgte meist im direkten Austausch mit ihren Lehrkräften (89 Prozent), beispielsweise über Telefon, einen Messenger-Dienst oder durch das Bereitstellen von Material auf Lernplattformen (75 Prozent). Gemeinsames Lernen in Kleingruppen (41 Prozent) oder gar im Klassenverband (33 Prozent) fand während der Schulschließungen im Frühjahr 2020 hingegen nur selten statt. Zwischen Schulen in ländlichen und städtischen Gebieten zeigten sich auch diesbezüglich deutliche Unterschiede: So fand in ländlichen Regionen ein gemeinsames Lernen in Kleingruppen nur an 19 Prozent aller Schulen, ein gemeinsames Lernen im Klassenverband nur an 16 Prozent aller Schulen statt.

Deutliche Unterschiede während der ersten bundesweiten Schulschließungen im Frühjahr 2020 fanden sich zudem mit Blick auf das Unterrichtsangebot: Während in Städten und Metropolen rund 60 Prozent aller Schulen Lernmaterialien im Rahmen von Onlineunterricht anboten, wählten nur 27 Prozent der Schulen im ländlichen Raum diesen Weg. Stattdessen versorgten sie Schülerinnen und Schüler vor allem durch die Bereitstellung von Lernmaterialien bereits vor der Schulschließung (88 Prozent) sowie durch die Bereitstellung von Material während der Schulschließung (74 Prozent).

Bundesweit berichteten Schulleitungen über alle Regionen hinweg von einer mangelnden digitalen Ausstattung in Schulen und Elternhäusern, die den Fernunterricht sehr stark beeinträchtigt habe. „Inwieweit es den Schulen zwischenzeitlich gelungen ist, aus der Situation im letzten Jahr für die jüngsten Schulschließungen 2021 zu lernen, muss sich in einer Folgestudie zeigen“, sagt Prof. Dr. Colin Cramer, der die Studie an der Universität Tübingen betreute. Eine entsprechende Studie, die voraussichtlich im Sommer oder Herbst 2021 stattfinden soll, befinde sich in Vorbereitung. (zab, pm)

Ifo-Institut ermittelt drei Stunden Lernzeit-Verlust im Lockdown pro Tag

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

4 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Peter
2 Jahre zuvor

Ich hätte ja gerne Mal eine Studie, wie viele Schüler trotz etlicher Angebote, keines von diesen wahrgenommen haben.

Meine Erfahrung ist, dass trotz Aufgaben, Videokonferenzen, Elternemails, etlichen Gesprächen mit den Schülern in der Zeit, in der sie in der Schule waren, viele Schüler und auch Eltern einfach nicht bereit sind, selbstständig zu arbeiten.

Ich habe zeitweise Videokonferenzen mit ZWEI Schülern gehalten, weil die anderen einfach nicht gekommen sind. Wenn es ärger gab, kamen zwar in der Regel 2-3 Mal so viele, diese haben dann aber Kamera und Ton ausgeschaltet und waren auch während der gesamten Konferenz nicht mehr ansprechbar (komisch).

Die absolute Frechheit ist aber, dass ich trotzdem regelmäßig Emails von Eltern erhalte, die sich wünschen, dass wir die Kinder von morgens bis nachmittags im Videounterricht betreuen, oder sich beschweren, sie seien nicht ausreichend informiert worden!

Katinka
2 Jahre zuvor
Antwortet  Peter

Danke, diese Erfahrung habe ich auch machen müssen. Teilweise wird man sogar von den Eltern angepflaumt, dass man sich erdreistet, eine Hausaufgabe von den Schülern zu fordern bzw. dass diese eingereicht wird über Teams oder per Mail. Es ist wirklich unglaublich, was manche sich erlauben, aber dann hinterher natürlich wieder auf die Schulen / Lehrer schimpfen.

MeinSenf
2 Jahre zuvor

Genau diese Erfahrungen habe ich auch gemacht. Hier im absolut ländlichen Raum war ca. 1/3 der SuS nicht erreichbar. Nicht, weil die Möglichkeiten nicht da gewesen wären, Hardware konnte man sogar an unserer Schule ausleihen, nein, teilweise tauchten Kinder und auch die Eltern einfach ab. Es erfolgten einfach keine Reaktionen, zum Teil wurde nicht einmal ans Telefon gegangen. Immer wieder waren es aber genau diese Familien, die am lautesten brüllten, ihr Kinder würden nicht adäquat bertreut.
Zu einem Großteil der Schülerinnen und Schüler hatte ich sogar schon in den Osterferien 2020 Kontakt, wir haben uns gemeinsam und mit viel Spaß in Videokonferenzen eingefuchst, haben spielerisch Möglichkeiten ausgelotet und den Kontakt gehalten. Die oben genannten, waren nicht dabei und auch nicht gewillt, auch nur die kleinste Anstrengung zu unternehmen, um gemeinsam am Ball zu bleiben. Natürlich waren die Angebote in den Osterferien freiwillig, aber auch danach waren eben diese SuS kaum greifbar, dabei haben wir an unserer Schule auf ein breites Angebot gesetzt (Messenger, Mail, Videokonferenen, Aufgabenmodule und zur Not konnte Material auch in der Schule abgeholt werden).
Wenn ich dann doch einmal das Glück hatte, die Eltern betreffender SuS zu erreichen, so zeigten sie meist wenig Einsicht und noch weniger Engagement, dafür hörte ich viele Ausflüchte und Klagen über ‚unsere‘ Seite. Bei diesen Klagen konnte ich aber immer schnell aufzeigen, dass hier kaum ein Versäumnis stattgefunden hat. Häufig mussten Eltern sogar per Einschreiben quasi zur Information gezwungen werden.
Distanzlernen kann nur funktionieren, wenn beide Seiten gewillt dazu sind und engagiert, verständnisvoll und geduldig mitarbeiten.
Insofern ist mir die obige Darstellung zu einseitig, denn der Kontakt zur Schule scheint hier als Einbahnstraße gesehen zu werden, das ist und war er aber nicht. Wenn der Kontakt von einer Seite mehr oder minder blockiert wird, kann hinterher trotzdem gesagt werden, dass keiner stattgefunden hat und genau das scheint mir in der letzten Zeit viel zu oft zu passieren.

Katinka
2 Jahre zuvor
Antwortet  MeinSenf

„Insofern ist mir die obige Darstellung zu einseitig, denn der Kontakt zur Schule scheint hier als Einbahnstraße gesehen zu werden, das ist und war er aber nicht.“

DANKE!! Genau das habe ich auch gedacht. Leider wird es aber von der Seite nicht beleuchtet. Und wehe, es wird mal eine Umfrage unter Lehrern veröffentlicht, dann heißt es sofort wieder, die Lehrer jammern ja nur!

Was mich angeht, die sich wirklich reingekniet hat in den Distanzunterricht: Ich bin sowas von frustriert und desillusioniert, dass ich keine Energie mehr habe, mich nochmal einer längeren Distanzunterrichtsphase mit dermaßen viel Engagement zu stellen. Schaff ich einfach nicht.