MÜNCHEN. Im zweiten Lockdown haben sich die Schulen nur etwas besser geschlagen als im ersten. Im Schnitt verloren die Schulkinder nach einer Erhebung des Ifo-Instituts mehr als drei Stunden Lernzeit pro Tag. Doch manche haben auch profitiert.
Mehr gedaddelt als gelernt: Deutsche Kinder und Jugendliche haben einer Umfrage zufolge während der Schulschließungen zu Jahresbeginn mehr Zeit mit Computerspielen, sozialen Netzwerken oder ihrem Handy verbracht als mit Lernen. Jeden Tag gingen ihnen dabei im Vergleich zur Zeit vor Corona mehr als drei Stunden Lernzeit verloren, wie das Münchner Ifo-Institut am Dienstag mitteilte.
Statt 7,4 Stunden täglich – wie vor der Pandemie – lernten die Schüler der Umfrage zufolge im Schnitt nur noch 4,3 Stunden. Das ist zwar etwas mehr als im ersten Lockdown, doch die Bildungsforscher des Ifo-Instituts sind von der Politik enttäuscht: Auch mit «langer Vorlaufzeit und nach eindringlichen Appellen von Eltern und Wissenschaft» sei es nicht gelungen, eine angemessene Beschulung aller Kinder im Distanzunterricht sicherzustellen, schreiben sie.
Studienleiter Ludger Wößmann kritisierte, dass nur eines von vier Kindern täglichen Onlineunterricht bekommen habe. Dieser müsse so schnell wie möglich allen Schülern zugänglich gemacht werden. Und das sei nicht Aufgabe der Schulen sondern der Politik. Am besten wäre es, wenn die Bundesländer einheitliche Lösungen fänden, sagte er. Man brauche klare und verbindliche Konzepte für den Onlineunterricht. In vielen Bereichen fehle es dabei weniger am Geld als daran zu handeln.
Bei manchen Kindern ist der Lernausfall sogar noch deutlich höher als die durchschnittlichen 3,1 Stunden. «Besonders bedenklich ist, dass 23 Prozent der Kinder sich nicht mehr als zwei Stunden am Tag mit der Schule beschäftigt haben», sagte Wößmann. «Die Corona-Krise ist eine extreme Belastung für die Lernentwicklung und die soziale Situation vieler Kinder.» Die Schulschließungen wirken sich dabei auch auf die Gesundheit aus: So sagten 31 Prozent, dass ihr Kind in der Zeit zugenommen habe – unter anderem durch Bewegungsmangel.
Doch nicht für alle Kinder sind die Schulschließungen negativ. Gut ein Viertel der Eltern (28 Prozent) ist der Meinung, dass sie ihren Kindern mehr genutzt als geschadet haben. Hier geht es unter anderem darum, dass Kinder seltener schikaniert wurden. Zudem berichteten zwei Drittel, ihr Kind habe gelernt, besser mit digitalen Technologien umzugehen und 54 Prozent sagten, ihr Kind habe gelernt mit Krisen gut umzugehen.
Der VBE nannte die Ergebnisse nicht überraschend. Sie zeigten, wie schwierig es für die Pädagogen sei, die Kinder zu unterstützen. «Wenn ein Drittel der Eltern berichtet, dass es regelmäßig oder sogar täglich Probleme mit den digitalen Plattformen oder Kanälen gab, ist das ein Armutszeugnis für die Digitalisierung», sagte der Bundesvorsitzende Udo Beckmann. Die Kultusministerien müssten ihre Bemühungen verstärken, «stabile, rechts- und datenschutzsichere Plattformen bereitzustellen». Von Christof Rührmair, dpa
Studie zum Distanzunterricht: Verbessert, aber immer noch durchwachsen
Aber Wehe die Kinder hätten nochmal 3 Stunden mehr an die Bildschirme gemusst – da wäre das Geschrei aber groß gewesen.
Ich verstehe den Aufschrei nicht ganz. In Niedersachsen lauteten so die Vorgaben zum Distanzlernen vom KM..
Für Schüler im Primarbereich sollte die Lernzeit bis zu 2 Stunden betragen, Sekundarbereich I 3-4 Stunden, Sekundarbereich II 4-6 Stunden.
Hier nachzulesen: https://www.mk.niedersachsen.de/download/156804
Mit 7,4 Stunden sind bestimmt der Zeitraum von 8 Uhr bis 15:30 Uhr gemeint, die sich Schüler dann an der Schule befinden. Gerade die Schüler mit überschaubarer Arbeitseinstellung werden sich auf dem Schulgelände auch so nur 4,3 Zeitstunden mit Arbeiten beschäftigt haben. Der Rest geht für 2 Zeitstunden reguläre Pause und 2,3 Zeitstunden verteilt auf 8 Unterrichtsstunden für Träumerei, Quatschen usw. drauf. Der Aufschrei des IFO-Institutes ist also deutlich lauter als notwendig.
Genau das war mein erster Gedanke!!!
Selbst die lernwilligsten Schüler haben in der Präsenzbeschulung definitiv nicht die komplette Lernzeit mit effektiven Lernen zugebracht.
Und selbst wenn man die reinen Pausenzeiten abzieht, bleibt noch viel Leerlauf im Schulalltag.
Und mancher döst vor sich hin und hat definitiv nichts gelernt.
Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen.
4,3h volle Lernzeit finde ich schon ziemlich gut!
Meine Erfahrung ist: Viele Schüler brauchen für gute Ergebnisse zurzeit erheblich länger und verbringen effektiv mehr Zeit mit schulischen Aufgaben als vorher.
Bei uns wird allerdings auch sehr regelmäßiger Online-Unterricht gehalten und zusätzlich gibt’s Aufgaben.
7,4 Stunden, wie kommt die IFO auf diese Zahl?
Ein Schultag aus 6 Schulstunden dauert 4,5 Stunden (0,75*6). Davon lernen die Schüler natürlich nicht immer. Wenn wir davon ausgehen, dass man bei Stundenwechsel 100m gehen muss, dann haben wir 1m12s (1km durchschnittliche Gehgehschwindigkeit 12 – 15 Minuten) Vielleicht geht man noch auf die Toilette, unterhält sich mit anderen, …, sagen wir mal so durchschnittlich 1m50s bis man im nächsten Klassenraum ist. Dann die nächste große Aktion: Das Auspacken. Hefte müssen getauscht werden etc. Auch wieder so 40s. Der Lehrer muss natürlich auch erstmal kommen. Durchsch. gehen ~4,5% der Stunden verloren, was etwa 3m36s entspricht. Der Lehrer will vielleicht noch eine Ankündigung machen (“Test schreiben wir bald, lernt das. Leute! Hört mir eigentlich irgendjemand zu!”) Deshalb runden wir einfach mal auf 4m auf. 4m+40s+1m50s=6m30s. Also 38m30s Unterrichtszeit pro Stunde. 38,5*6/60=3h51m, ich nehme ab hier 3h50m für Optik 🙂
Die Schüler kommen dann nach Hause. Essen etwas. Es ist etwa 14 Uhr. Schüler bekommen natürlich altersunabhängig an Hausaufgaben. Ich gehe hier mal von höheren Klassen aus: Etwa 120m=2h. Auch hier denke ich lernt man nicht nur: Routine-Aufgaben, so halb-halb dabei. Ich behaupte mal: 1h30m ist Lernzeit. Vielleicht braucht man auch etwas länger, oder startet später etc. Sagen wir mal: Bis 5 Uhr fertig, 4h20m gelernt.
Halbe Stunde Abendessen später, Schulzeug für nächsten Tag einpacken nochmal 15 Minuten. Wenn Schüler um, sagen wir, 2 Uhr ins Bett gehen, dann haben Schüler pro Schultag etwa 4h20m gelernt und hätzen sich 4h15m ganz explizit anderen Dingen zugewendet, so meine Einschätzung.
Aber hier wurde ja eine Lernzeit von 7,4 Stunden, also etwa 7h25m erwähnt.
7h25m-4h20m=3h5m
Es gibt hier meiner Ansicht jetzt zwei Optionen: Die Studie rechnet Wochenenden (Samstag und Sonntag) mit ein, an denen folglich etwa 7h40m (3h5m*5/2) pro Tag gelernt wird.
Oder: Die Studie rechnet jede einzelne Sekunde im Präsenzunterricht (und mög. Hausaufgaben) als Lernen. 4.5 Stunden Präsenz + 2 Stunden Hausaufgaben = 6.5 Stunden pro Tag verpflichtend. 55m pro Tag also speziell lernen, wenn wir das jetzt noch auf alle 7 Tage aufteilen, kommen wir auf etwa 40 Minuten pro Tat lernen (55*5/7)
Das kommt meinen eigenen Einschätzungen auch näher.
Um meine Kritik jetzt tatsächlich auch verifizieren zu können, müsste ich die Studie wohl durchlesen….
Disclaimer: Nichts wissenschaftlich basiert oder so, sondern auf Grund von eigenen Kalkulationen, die mög. falsch sind….
Wenn Schüler um, sagen wir, 10 Uhr ins Bett gehen, dann haben Schüler pro Schultag etwa 4h20m gelernt und haben sich 4h15m ganz explizit anderen Dingen zugewendet, so meine Einschätzung.
Den Satz mal schnell korrigiert, sorry
Top Analyse! Danke 😉
Nun ja, welche “Lernzeit” ist denn mit 3 Stunden täglich (werktäglich, tagtäglich, vormitttäglich?) genau weggefallen?
Das intensive Studium unter höchster Konzentration und einem übermenschlichen Engagement, um zu ergründen, “was die Welt in ihrem Innersten zusammenhält”?
Oder: Busfahren, Rumstehen, Rumsitzen, Rumblödeln, Pausemachen, Klogehen, Vespern, wieder Klogehen, Zimmer wechseln, gleich nochmal Klogehen, Vertretung ohne Aufgaben, Vertretung mit Aufgaben, die man trotzdem nicht macht, Abhängen, Gähnen, kurz einnicken, sich wachhalten durch Ärgern von Mitschülern und/oder Lehrer*in, bissl von Tafeln abschreiben, dabei die Kernaussage übersehen und nicht mitabschreiben, Arbeitsblätter und Bio-Apfel unter Tisch mumifizieren, Chemikalien zusammenmixen, bis sie bunt werden, keine Ahnung wieso, schon lang nimmer auf Klo gewesen, im Informatikunterricht 80% der Zeit online zocken und dann noch die Stunden 7-10 einfach irgendwie vegetativ überstehen.
Wie war’s heut, was habt ihr gemacht? – Keine Ahnung.
Herrlich, lieber Dil….Danke mal wieder für´s Kopfkino 😉
@ Dil: Großartig….deckt sich zu 100% mit meinen Erfahrungen aus gut 26 Dienstjahren…ansonsten machen Dil und ich (haben wir uns gegenseitig bereits eingestanden 😉 ) natürlich absoluten Spitzenunterricht auf quasi universitärem Niveau bei vollster Zufriedenheit aller daran Beteiligten…da haben wir das gleiche Vorbild: “Unser Lehrer Dr. Specht” – wir sind so gut!! 😉
Habe mich auch schwer gewundert. Wir haben ebenfalls die Ansage, dass 4h pro Tag für zu Hause genügen sollen. Und manche Kinder schicken ihre Aufgaben schon viel früher als erfordert zur Kontrolle und scheinen bereits mit allem durch, während andere mit Mininal-Ergebnis nur gerade so die Fristen einhalten können. Hier ist es wie in der Schule, einige blühen auf, andere fallen hinten runter. Was wäre es für win Aufschrei, wenn wir tatsächlich Material für 7 h gäben. Es wird schon über online-untericht plus Hausaufgabe gemotzt
Hier findet man den Artikel zur Studie, die scheinbar ja aus dem letzten Jahr zu sein scheint.
https://www.ifo.de/publikationen/2020/aufsatz-zeitschrift/bildung-der-coronakrise-wie-haben-die-schulkinder-die-zeit
Meine Tochter hat regulär – ob mit oder ohne Corona – 6 Stunden Unterricht am Tag – mit Hausaufgaben käme sie trotzdem nie und nimmer auf 7,4 Stunden täglich… Obwohl, gestern saß sie nach 4 Stunden VK noch bis 17 Uhr an ihren Aufgaben. Hab eher das Gefühl, dass es jetzt mehr Lernzeit gibt… Ich muss mir nachher mal den Artikel zu Gemüte führen 🙂
Schon wegen der wegfallenden Fahrzeit gibt es (theoretisch) mehr Lernzeit.
In unserem Schulprogramm heißt es ausdrücklich, dass “SuS Fackeln sind, die wir anzünden sollen” —- ich hatte als Historiker schon immer Probleme mit diesem Bild… Deutsche und sog. “Feueropfer” (Holocaust) – ich finde, das kommt nicht so gut…
Aha:
“In der Zeit der Corona-bedingten Schulschließungen haben sich die Schüler*innen durchschnittlich 3,6 Stunden pro Tag mit schulischen Aktivitäten
beschäftigt (vgl. Abb. 1). Davon entfielen durchschnittlich 0,9 Stunden auf Schulbesuch, z.B. in der Notbetreuung. Mit Lernen für die Schule – also z.B. Aufgabenblätter bearbeiten, Videounterricht oder Hausaufgaben machen – haben die Schüler*innen täglich durchschnittlich 2,7 Stunden verbracht.
In der Zeit vor den Schulschließungen hatten sich die Schüler*innen durchschnittlich 7,4 Stunden pro Tag mit schulischen Aktivitäten beschäftigt:
5,9 Stunden Schulbesuch und 1,5 Stunden Lernen für die Schule.”
Es geht also vor allem hier um die Verweildauer in der Schule – das Lernern an sich spielt nur eine untergeordnete Rolle bzw. wurde nicht erfasst. Den Aufenthalt der Notbetreuungskinder in der Schule auf alle Schüler umzumünzen scheint zu den 0,9 Stunden zu führen…
Darauf folgt dann der Schluss:
“Damit haben die Schüler*innen während der mehrwöchigen Schulschließungen also weniger als die Hälfte der zuvor täglich üblichen Zeit mit schulischen Aktivitäten verbracht. Die Schulschließungen haben also zu einem deutlichen Rückgang der mit Lernen verbrachten Zeit geführt.”
Aufenthalt in der Schule und Lernen scheint hier gleichgesetzt zu werden…
Quelle: https://www.ifo.de/publikationen/2020/aufsatz-zeitschrift/bildung-der-coronakrise-wie-haben-die-schulkinder-die-zeit
Kommt mir ein bisschen komisch vor – und trotzdem geht die Studie durch alle Medien mit einem Aufschrei, wie schlimm das doch ist…
Also, ich finde die Aussagekraft so eines Durchschnittswertes bei der mit Aufgaben verbrachten Zeit ziemlich wenig aussagekräftig. Unser Grundschüler liegt zuhause deutlich unter der Zeit seiner sonst verbrachten Schulstunden, ist im Stoff aber schon deutlich weiter, weil er in der Schule zahllose Nebenschauplätze während seiner Wochenplan-Arbeitszeit mit Aufmerksamkeit bedenkt und auch sonst täglich noch sehr viel spielerisches Extraprogramm läuft. Unsere Gymnasiastin (6.Klasse) arbeitet in Distanz täglich genau nach Stundenplan ihre Aufgaben ab und bei einer Umfrage in ihrer Klasse diese Woche haben sich 60% der Schüler*innen für die Vorzüge des Distanzunterrichtes ausgeprochen – mit der Begründung, dass sie durch das eigenständige Durcharbeiten der Aufgaben mehr lernen als sonst beim teilweisen Zugucken in der Schule. All diese auf Umfrageergebnissen beruhenden Studien sind unzulängliche Versuche einer Einschätzung – erst die Lernstandsmessungen zum Zeitpunkt einer postpandemischen Rückkehr in die Schulen werden zeigen, was wirklich passiert ist in diesen Wochen. Und sehr wahrscheinlich zeigen die uns dann eine enorme Schere in den Entwicklungen, denn in durchschnittlich 4,3 Stunden kann eben sehr viel oder auch ziemlich wenig zustande kommen.