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Gericht verwirft RKI-Empfehlungen für die Schulen: Berlin kehrt jetzt doch noch vor den Sommerferien zu vollem Präsenzunterricht zurück

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BERLIN. Zwei Grundschulkinder erstreiten sich vor Gericht ein Recht auf vollen Präsenzunterricht. Berlins Bildungssenatorin muss ihre Pläne ändern. Jetzt soll doch noch vor den Sommerferien der Regelbetrieb in den Schulen wieder starten. Pikant: Das Verwaltungsgericht verwirft mit seiner Entscheidung die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts. Hat das Folgen auch für andere Bundesländer?

War auf einen vorsichtigen Kurs umgeschwenkt – und musste dafür nun vor Gericht eine Niederlage hinnehmen: Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD). Foto: SenBJF/Reto Klar

Nach einer Schlappe vor dem Verwaltungsgericht will Berlin nun doch noch vor den Ferien zum Regelbetrieb in den Schulen zurückkehren. Das gab Bildungssenatorin Sandra Scheeres am Montagabend bekannt.

«Die Richter sehen das Festhalten am Wechselunterrichten als nicht mehr verhältnismäßig an», sagte die SPD-Politikerin in einer Mitteilung. «Von daher werden wir bereits vor den Sommerferien an den Schulen wieder zum Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen zurückkehren müssen.» Wichtig sei ihr, dass die Schulen genug Vorbereitungszeit erhielten, um sich darauf einzustellen. Details wolle sie in der Senatssitzung an diesem Dienstag abstimmen.

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Am Mittag bestätigte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) dann, dass die Klassen ab 9. Juni wieder in voller Stärke unterrichtet werden. Das gelte dann für die beiden letzten Wochen des Schuljahres vor den Sommerferien. Der derzeitige Unterricht für wenige Stunden pro Tag in kleinen Gruppen werde wieder erweitert, sagte Müller. Geplant sei «pandemiebedingter Regelbetrieb (…) in vollen Lerngruppenstärken». Der Senat akzeptiere die Gerichtsentscheidungen. Die Sommerferien beginnen in Berlin am 24. Juni.

Die Kinder können Vollbeschulung bei weiter geltenden Corona-Schutzmaßnahmen beanspruchen

Am Tag zuvor hatte das Verwaltungsgericht Berlin nach Eilanträgen entschieden, dass Berlin für eine Schülerin und einen Schüler der Primarstufe einer Grundschule Präsenzunterricht sichern muss. Die beiden werden aktuell im Wechsel bei halbierter Klassenstärke unterrichtet. Die Kinder können Vollbeschulung bei weiter geltenden Corona-Schutzmaßnahmen beanspruchen, wie aus einer Mitteilung des Gerichts hervorging.

Die Begründung ist pikant – und könnte in der Folge auch weitere Bundesländer betreffen (vor allem dann, wenn die Inzidenzen wieder steigen sollten). Der Spielraum bei der Wahl der notwendigen Schutzmaßnahmen sei im Verlauf der Pandemie wegen fortschreitender Impfungen und Testmöglichkeiten geringer geworden, so erklärte das Gericht. Wechselunterricht dürfe nur angeboten werden, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz an drei aufeinanderfolgenden Tagen den Schwellenwert von 100 überschreite. Das widerspricht allerdings den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts, das die Abstandsregel in den Klassenräumen – die kleinere Lerngruppen notwendig macht – ab einem Inzidenzwert von 50 vorsieht. Einige Bundesländer halten sich bislang an die RKI-Empfehlung.

Der Bund habe mit seiner Notbremse – die den Ländern Schulschließungen ab einem Inzidenzwert von 165 und Wechselunterricht ab 100 vorschreibt – allerdings Maßstab und Schwellenwerte bestimmt, meinte das Verwaltungsgericht nun. Die Stadt habe damit den Spielraum bei der berlinweiten pauschalierenden Beschränkung des Präsenzunterrichts an Grundschulen überschritten. Die höheren Inzidenz-Werte in der Gruppe der Schülerinnen und Schüler rechtfertigten dem Gericht zufolge die pauschale Anwendung des Wechselmodells nicht. Die Gesamtinzidenz für Berlin liegt aktuell bei 32,6 – die Inzidenz bei den Zehn- bis 14-Jährigen allerdings bei 79,2. Sie ist die höchste aller Altersgruppen.

Giffey: “Wichtig ist, dass Hygieneregeln, Maske tragen und das Testen in den Schulen weiter gut und flächendeckend umgesetzt werden”

Die Berliner SPD-Vorsitzende Franziska Giffey sprach sich laut Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts für eine schnellere Rückkehr zum vollen Präsenzbetrieb aus: “Ich finde, es wäre eine gute Nachricht für alle Schülerinnen und Schüler, dass auch in Berlin die letzten beiden Schulwochen vor den Ferien im Regelbetrieb stattfinden können. Wichtig ist, dass Hygieneregeln, Maske tragen und das Testen in den Schulen weiter gut und flächendeckend umgesetzt werden und dass es keine Präsenzpflicht gibt. Eltern müssen also entscheiden können, ob sie das Schulangebot für ihre Kinder annehmen oder nicht.”

Die GEW – die zuvor den vorsichtigen Kurs von Scheeres unterstützt hatte – erklärte: Der Gesundheitsschutz aller Beteiligten in der Schule dürfe auch bei sinkenden Infektionszahlen nicht aus dem Blick verloren werden. Wenn der Senat die Schulen wieder in voller Klassenstärke öffne, dürfe er dies nicht ohne eine verbindliche tägliche Testung aller Schülerinnen und Schüler durch zusätzliches Personal machen. „Zwei Tests die Woche reichen nicht. Auch in allen anderen Gesellschaftsbereichen sind Öffnungen nur mit tagesaktuellen Tests möglich. Dies muss auch für die Schulen gelten“, erklärte der Berliner Landesvorsitzende Tom Erdmann.

«An den Schulen müssen sich Kinder und Lehrkräfte dicht gedrängt in geschlossenen Räumen selbst testen»

Auch die Bedingungen, unter den die Testungen an Schulen durchgeführt werden sollen, müssen in den Blick genommen werden. „An jeder Ecke öffnet derzeit ein Testzentrum. Dort wird eine Person einzeln mit Abstand und Sicherheitskleidung von geschultem Personal getestet. Nur an den Schulen müssen sich Kinder und Lehrkräfte dicht gedrängt in geschlossenen Räumen selbst testen, und das bald mit bis zu 30 Personen. Wenn die Schulen wieder komplett voll sind, geht dies nur mit Teststraßen außerhalb des Schulgebäudes“.

Erdmann betonte: „Der Regelbetrieb nach Stundentafel mit vollen Klassen ist nicht, was Kinder und Jugendliche jetzt brauchen. Es muss jetzt das klare Signal geben, dass die Rückkehr der Kinder und Jugendlichen in den pädagogischen Alltag im Vordergrund steht – gemeinsam, aber sicher.“ Die Möglichkeit für die Schulen, mit ganzen Lerngruppen Ausflüge im Freien zu unternehmen, sei der richtige Weg, um die Schulwochen vor den Ferien sinnvoll zu gestalten. „Wenn Unterricht in vollen Klassen stattfindet, dann bitte im Freien, möglichst infektionssicher“, forderte Erdmann. Ein kostenfreier Zugang für Schülerinnen und Schüler zu Schwimmbädern oder dem Tierpark wäre hier Grundvoraussetzung.  News4teachers / mit Material der dpa

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