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Warum keine Luftfilter für Kitas und Schulen? Wenn die Argumente ausgehen…

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Ein Kommentar von News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek

NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach befand jetzt: Der Einsatz mobiler Luftreinigungsgeräte in Schulen angesichts der Corona-Pandemie sei «kein Ersatz für das Lüften» der Räume. Klingt zunächst mal ähnlich plausibel wie der monatelang von allen Kultusministern verbreitete Slogan «Schulen sind keine Treiber der Pandemie». Das Merkwürdige bei beiden Aussagen: Das Negierte behauptet ja gar keiner.

News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek. Foto: Tina Umlauf

Warum filtern im NRW-Landtag (41!) mobile Luftreinigungsgeräte die Atemluft – in den allermeisten Kitas und Schulen im Land aber nicht? Regierungspolitiker bundesweit kommen zunehmend unter Druck, in den Gesundheitsschutz von Schülerinnen und Schülern (und natürlich auch Lehrkräften) zu investieren und solche Geräte zu beschaffen.

Unter anderem hatte eine Elterninitiative vorige Woche mobile Raumluftfilter in jedem Klassenzimmer in Nordrhein-Westfalen gefordert, um in der Pandemie flächendeckend Präsenzunterricht zu sichern. Das NRW-Kommunalministerium solle den Schulträgern für die Anschaffung von mobilen Raumluftgeräten Finanzmittel in ausreichender Höhe unbürokratisch zur Verfügung stellen, forderte sie. Zwei bundesweite Petitionen laufen mit entsprechenden Begehren.

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«Die allermeisten haben keine Probleme zurückgemeldet. Schulen sind sichere Orte für unsere Kinder»

In der «Rheinischen Post» sagt Kommunalministerin Scharrenbach nun, dass viele Menschen verkennen würden, was in den Schulen in puncto Sicherheit schon alles passiert sei – «das Testen zum Beispiel ist ja jüngst erst ausgebaut worden». Eine bemerkenswerte Einschätzung: 60 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der News4teachers-Umfrage sind Lehrkräfte, die tagtäglich sehen, was in den Schulen in puncto Sicherheit eben nicht passiert. Auch die Lehrerverbände haben die Förderung nach Luftfiltern mittlerweile aufgegriffen.

Zu denjenigen, die das bisherige Engagement der Kultusminister in puncto Sicherheit verkennen, gehört seit dieser Woche ebenfalls Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), wie News4teachers berichtet. Er hat für den Freistaat angekündigt: „Im Herbst soll es in jedem Klassenzimmer und den Kitas mobile Luftfilter geben“. Wohlgemerkt: die Geräte, die CDU-Ministerin Scharrenbach in Nordrhein-Westfalen für unnötig hält.

Das Schulministerium habe alle Schulen abgefragt, so Scharrenbach, ob es Lüftungsprobleme gebe. «Die allermeisten haben keine Probleme zurückgemeldet. Schulen sind sichere Orte für unsere Kinder.» Eine kuriose Schlussfolgerung: Die Landesregierung hatte lediglich von den Schulträgern wissen wollen, wie viele Klassenräume sich mangels zu öffnender Fenster nicht belüften lassen – die Zahl der gemeldeten Fälle war naturgemäß gering. Wie sich daraus schließen lässt, dass Schulen «sichere Orte» sind (die ja monatelang für den Präsenzunterricht geschlossen waren – warum dann eigentlich?), erschließt sich mir nicht.

Offenbar auch FDP-Chef Christian Lindner nicht: Er forderte gestern, die Kultusminister sollten sich kurzfristig zusammensetzen – und (unter anderem) für Luftfilter sorgen. FDP-Schulministerin Yvonne Gebauer wird das mit Interesse wahrgenommen haben.

In Nordrhein-Westfalen, so Scharrenbach, gebe es in den Klassenräumen, in denen nicht ausreichend gelüftet werden könne, Virenfilter. Tatsächlich hatte die Landesregierung dafür ein kleines Förderprogramm aufgelegt (das von den Kommunen kaum genutzt wurde, weil die Förderbedingungen eben zu begrenzt waren). In der Argumentation der Ministerin offenbart sich damit allerdings ein logischer Bruch: Wie können Räume, die keine Frischluftzufuhr haben, mit mobilen Luftfiltern sicher sein – Räume, die über normale Fenster verfügen, aber nicht?

An dieser Stelle möchte ich die Ministerin mal über den Charakter von mobilen Luftfiltern aufklären: Natürlich ersetzen sie das Lüften nicht. Wie auch? Die Geräte verfügen über keine Verbindung nach außen. Schon der steigende CO2-Gehalt in der Atemluft macht Lüften notwendig. Aber: Mobile Luftfilter holen möglicherweise Corona-belastete Aerosole aus der Atemluft, wodurch sich der Lüftungsbedarf in Klassen- und Gruppenräumen auf ein normales Maß reduziert. Im bevorstehenden Winter bei Minusgraden ist das im Bildungsbetrieb keine Kleinigkeit.

«Das Beste ist das natürliche Lüften. Danach kommen die Raumluft-Technischen Anlagen»

«Es gilt unverändert: Das Beste ist das natürliche Lüften. Danach kommen die Raumluft-Technischen Anlagen», sagt hingegen Scharrenbach. Hintergrund ihrer Aussage: Der Bund hat vor zwei Wochen ein Förderprogramm für den Einbau solcher Anlagen in Kitas und Schulen gestartet. Das Problem ist allerdings, dass sich der nicht kurzfristig realisieren lässt. Der Städte- und Gemeindebund nannte es deshalb auch “illusorisch”, dass Kitas und Schulen auf diese Weise über die Sommerferien gesichert werden könnten. Mobile Luftfilter, die sich schnell besorgen und platzieren ließen, werden vom Bund aber ausdrücklich nicht gefördert. Offensichtlich ist, was Scharrenbach uns mit ihrem Statement sagen will: Das Land ist aus der Verantwortung.

Ist es aber gar nicht. Denn dass das (praktischerweise gratis machbare) “natürliche Lüften” am besten sei, diese Einschätzung halten Fachleute für gefährlich falsch. Die Deutsche Physikalische Gesellschaft warnt mittlerweile ausdrücklich davor, bei der Belüftung von Klassenzimmern nur auf offene Fenster zu setzen.

Der Einsatz technischer Geräte zur Belüftung ist nach Ansicht der Fachgesellschaft jeder Art passiver Lüftung durch bloßes Öffnen von Fenster und Türen weit überlegen, da bei der technischen Belüftung der Luftaustausch beziehungsweise die Luftreinigung in kontrollierter Art und Weise geschieht. Bei der von den Kultusministern empfohlenen passiven Lüftung von Klassenräumen mit Außenluft über die Fenster sei dies in einem typischen Klassenzimmer dagegen nicht zu erreichen, da diese stark von Faktoren wie Wind, Temperatur, Fensteröffnungen oder der Lage der Heizkörper abhänge.

Übrigens: Den Slogan «Schulen sind keine Treiber der Pandemie» – mit dem begründet wurde, warum Schulen keine Abstandsregel brauchen – hat man jetzt schon monatelang nicht mehr aus Reihen der Kultusminister gehört. Kein Wunder: Die Realität des letzten halben Jahres hat ihn eingeholt. News4teachers / mit Material der dpa

„Frische Luft ist gesund“, schreibt ein Kultusminister – Lehrer und Schüler sitzen im Winter wieder bei offenen Fenstern in ihren Klassen

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