HANNOVER. Das Vorhaben der niedersächsischen Landesregierung, alle Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen zukünftig mit einem Tablet auszustatten, kritisiert der Philologenverband als bildungspolitische Augenwischerei. Das Vorhaben von Ministerpräsident Stephan Weil und Kultusminister Grant Hendrik Tonne (beide SPD) verdeutliche, dass Sinn und Nutzen digitaler Bildung in der SPD offensichtlich nicht verstanden werden.
„Wir erwarten, dass abgehende Schülerinnen und Schüler aus den Grundschulen weiterhin mit den Kulturkompetenzen Lesen, Schreiben, Rechnen ausgestattet sind. Tablets ab der ersten Klasse haben weder etwas mit Fortschritt noch mit Bildung zu tun“, kritisiert der neu gewählte Vorsitzende des Philologenverbands Niedersachsen, Christoph Rabbow.
Die Grundlagen für alle weiteren Kompetenzen, Fertigkeiten und Fähigkeiten würden in der Grundschule gelegt. Sie fungiere damit als Grundlagenschule, auf die alle weiteren Schulen aufbauen. Es sei nicht zu verantworten, wenn entscheidende Bildungskompetenzen wie Lesen, Rechnen und Schreiben nicht mehr im Mittelpunkt der Arbeit in der Grundschule stehen sollen. „Natürlich gehören auch digitale Endgeräte in die Grundschulen. Aber ‚Tablets für alle‘, lösen das Problem fehlender basaler Kenntnisse nicht“, betont Rabbow.
„Der bloße Einsatz digitaler Medien ist nicht hinreichend, um Lehr- und Lernprozesse zu gestalten und Lernprogressionen zu erzielen”
Die jüngst veranstaltete (nebenbei: digital abgehaltene) Vertreterversammlung des niedersächsischen Philologenverbands hat eine Resolution zur Bildung für eine digitalisierte Welt verabschiedet und darin festgestellt, dass Digitalisierung überhaupt nur mit sinnvoller Didaktisierung erfolgreich sein kann, wie News4teachers berichtete.
„Der bloße Einsatz digitaler Medien als methodisches Equipment ist nicht hinreichend, um Lehr- und Lernprozesse zu gestalten und Lernprogressionen zu erzielen. Bereits die Studie von John Hattie hat gezeigt, dass die Lernwirksamkeit digitaler Medien ohne didaktischen Zugriff äußerst gering ist. Hier steht das Kultusministerium in der Pflicht, endlich digital didaktische Konzepte vorzulegen“, fordert Rabbow.
Um die Digitalisierung an den Schulen zu beschleunigen, seien Multiplikatoren für digitale Kompetenzen nötig. Dies seien ohne Frage alle Lehrkräfte aus dem Vorbereitungsdienst, die in einer zunehmend digitalisierten Welt aufgewachsen sind. „Die Kompetenzen dieser Lehrergeneration müssen jetzt in die Schulen, da dies einen wichtigen Digitalisierungsschub bedeuten würde. Die vorgesehene 100 Tablet-Millionen sind deutlich besser investiert, wenn alle Lehrkräfte nach einem erfolgreichen Vorbereitungsdienst in den niedersächsischen Schuldienst eingestellt werden“, erklärt der Verbandsvorsitzende. News4teachers
