Kind vor der Einschulung: Was ein Schulpsychologe Eltern rät („Umdenken!“)

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BERLIN. Sollte man Defizite seines Kindes bei der Schulanmeldung erwähnen oder verheimlichen? Schadet es, wenn ich dem Kind den Ranzen trage? Ein Schulpsychologe gibt Tipps für Eltern von Kindern, die vor der Einschulung stehen.

Immer mehr Mütter in Deutschland sind berufstätig - die Schulen bekommen das zu spüren. Foto: Shutterstock
Die Einschulung ist für Kinder ein großer Einschnitt, der vorbereitet sein will. Foto: Shutterstock

Mit der Einschulung beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Das ist ein Satz, den Kinder, die zur Schule kommen, ständig zu hören bekommen. Während einige Knirpse denken «Endlich, jetzt gehöre ich zu den Großen», wird anderen ein bisschen mulmig. Wenn Erwachsene vom «Ernst des Lebens» sprechen, klingt das nach Schluss mit lustig. Das Wichtigste ist: Dem Kind Mut machen und Neugier an der Schule wecken.

Wie Eltern die Einschulung gut vorbereiten und beim Meistern der ersten Schulwochen unterstützen können, erklärt der ehemalige Schulpsychologe Klaus Seifried vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP).

Was ändert sich mit dem Schritt von der Kita ins Klassenzimmer?

Klaus Seifried: Die gewohnte Umgebung zu verlassen, ist erst einmal ein Beziehungsabbruch. Es gelten von einem Tag auf den anderen andere Regeln. Das Kind muss nun häufig still sitzen, sich konzentrieren, lernen, sich an Klassenregeln zu halten, mit vielen fremden Kindern zurechtzukommen und lernen, nicht mehr im Mittelpunkt zu stehen, sondern sich zu melden, wenn es was sagen möchte.

Auch Eltern müssen umdenken. Hatten sie bislang eine enge Beziehung zu Kind und Kita, wird das mit der Schule anders: Sie müssen einen Teil der Verantwortung abgeben und ein Stück loslassen – auch wenn es schwer fällt. Sie sollten Vertrauen haben, dass das Kind wächst und selbstständiger wird. Ein sechsjähriges Kind kann mehr Verantwortung übernehmen als ein dreijähriges.

Eltern sollten sich im Gespräch mit der Erzieherin der Kita vor der Einschulung über den Entwicklungsstand ihres Kind informieren: Konzentrationsfähigkeit, Sozialverhalten mit anderen Kindern, besondere Fähigkeiten und Interessen.

Wenn das Kind besondere Schwierigkeiten hat, sollte man das keinesfalls bei der Anmeldung verheimlichen, sondern mit der Schulleitung besprechen. Wichtig ist, dass die Eltern die Stärken ihres Kindes kennen und die Schwächen akzeptieren.

Eltern, die selbst Angst vor Neuem haben, sollten ihre Ängste nicht auf das Kind übertragen. Stattdessen sollten sie beim Kind Neugier erzeugen und Mut machen, etwa indem man aufzählt, was es alles schon kann.

Wie erzeuge ich Neugier?

Seifried: Bei einem Tag der offenen Tür können Eltern und Kind die neue Schule kennenlernen. Wenn das Kind in der Grundschule angemeldet wird, sollten Eltern es mitnehmen. Schon der Weg dorthin, lässt eine gewisse Neugier entstehen. Wenn der Schulweg später geübt wird, sollten sich Eltern vom Kind führen lassen. Das schafft Orientierung und Sicherheit.

Wenn mitgeteilt wird, was das Kind am ersten Schultag alles braucht, sollten Eltern das nicht einfach besorgen, sondern die Liste gemeinsam mit dem Kind abarbeiten – so übernimmt es von Anfang an Verantwortung. Das gilt auch für das Packen der Schultasche. Und bitte, lassen Sie das Kind den Ranzen selbst tragen. Ist er zu schwer, muss was raus.

Sollten sich Eltern die ersten Tage nach der Schuleinführung mehr Zeit nehmen?

Seifried: Unbedingt! Da ist es mit der Feier am ersten Schultag nicht getan. Man sollte sich Zeit nehmen, damit die Erstklässler von ihren Erfahrungen erzählen können. Kleine Kinder haben das Bedürfnis darüber zu sprechen. Man kann auch vorsichtig Fragen stellen: Was kannst du gut? Wen magst du? Was habt ihr gemacht? Was war leicht, was schwer?

Es werden an der Schule am Anfang auch Hierarchien ausgetestet, Konflikte zwischen den Mitschülern ausgetragen. Auch darüber sollte man reden. Schließlich gibt es nette Kinder und andere. Auch damit müssen Kinder lernen umzugehen. Da renne ich als Elternteil nicht auf den Schulhof und stelle einen Störenfried zur Rede. Wenn Kinder Konflikte mit anderen haben, sollten sie lernen, sich an die Lehrkräfte zu wenden.

Viele neue Kontakte, zu lernende Namen und Lehrkräfte als Autoritätsperson – das ist anfangs stressig. Daher brauchen Kinder mehr Erholungsphasen. Wichtig ist es, früh schlafen zu gehen. Allerdings nicht, bevor der kommende Schultag vorbereitet ist: Schon am Abend vorher heißt es Tasche packen. Eventuell muss die alte Stulle raus und das zerknitterte Arbeitsblatt noch eingeheftet werden. Das übernehmen aber nicht die Eltern – sie sind nur dabei.

Auch morgens sollte viel Zeit eingeplant werden. Ganz häufig kommen Schüler auf den letzten Drücker gestresst in der Klasse an – schlimmstenfalls ohne gefrühstückt zu haben oder ohne Pausenbrot. Das Frühstück ist wichtig für die Konzentrationsfähigkeit und die Aufmerksamkeitsspanne.

Die Tagesplanung nach der Schule sollte mit dem Kind besprochen werden. Manche Kinder legen lieber erst eine Pause ein, andere machen sofort Hausaufgaben. Das hat den Vorteil, dass man sich besser erinnern kann. Interview: Claudia Wittke-Gaida, dpa

Zur Person: Klaus Seifried ist Diplom-Psychologe und Lehrer. Er gehört dem Vorstand der Sektion Schulpsychologie des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) an.

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3 Kommentare
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Palim
2 Jahre zuvor

Danke, das ist ein guter Beitrag.

Sinnvoll ist auch, dem Kind zu vermitteln, wann die Schule wirklich beginnt (der Tag der Einschulung ist je nach Bundesland sehr unterschiedlich). Hilfreich ist auch, dass das Kind weiß, dass es nun täglich zur festen Schulzeit zur Schule gehen muss, dass dies eine Aufgabe ist, von der man nicht einfach zurücktreten kann.

Wie viel Auswahl im Unterricht bei den Tätigkeiten bleibt, hängt ein Stück weit von der Öffnung des Unterrichts ab. Lehrkräfte wissen, dass nicht alle Kinder in allen Aufgaben gleich gut sind. Damit kann man als Lehrkraft unterschiedlich umgehen und es gibt vielfältige Möglichkeiten, dass nicht jedes Kind zu jeder Zeit genau die Aufgabe erledigt, die das Nachbarkind auch bearbeitet.

Für Eltern kann es helfen, wenn sie bemerken, dass die eigenen bewussten Erfahrungen mit ihrer Schulzeit meist nicht auf die ersten Schulwochen bezogen sind, sondern auf spätere Schuljahre. Außerdem darf sich nach vielleicht 20 Jahren etwas verändert haben, auch in anderen beruflichen Bereichen bleibt die Zeit nicht stehen.

Soso
2 Jahre zuvor

Eigentlich wäre es so einfach, interessiert jedoch viele Eltern leider überhaupt nicht, was ihnen dieser Psychologe oder auch ich als GS- Lehrkraft den Eltern mitgebe. Etliche sind da nicht wenig beratungsresistent und beschweren sich dann, wenn die Noten nicht den Erwartungen entsprechen, Konflikte entstehen oder die Empfehlung für die weiterführende Schule nicht passt.
Durch wen wird ein Kind geprägt, durch die Erziehung oder durch die Vererbung? Immer durch die Eltern (bzw. die Hauptbezugspersonen im Kindesalter). Sollten sich Berufsanfänger groß über den Schreibtisch hängen!!

Pit2020
2 Jahre zuvor

Und auch das hier ist schon zur Einschulung wichtig – nicht erst auf den weiterführenden Schulen, dann ist es schon zu spät und i.d.R. wird es „laufen gelassen“:

„… „Ich habe es selber nicht mehr unter Kon­trolle. Vor allem TikTok macht mich süchtig.“ Es klingt ziemlich erwachsen und selbstkritisch, wenn die 14-jährige Paula aus München über ihr Medienverhalten spricht. Allein auf TikTok ist sie jeden Tag drei bis vier Stunden unterwegs. Dazu kommen noch Chats, Filme, ein bisschen Instagram. …
Auch Paula sagt, dass sie sich ständig mit anderen vergleicht. „Die Beautytrends verunsichern eigentlich alle in meinem Alter.“ Sie fragt sich, was das dann erst mit all den Acht- oder Neunjährigen macht, die auch schon auf TikTok und Instagram sind.

„… Welche Folgen das ständige Onlinesein für junge Menschen hat – darüber sind sich Wissenschaftler uneins. Klar ist: Beim Posten, Liken und Geliktwerden wird im Gehirn das Belohnungszentrum aktiviert wie sonst beim Essen, Trinken, Sex und Geld – oder beim Drogenkonsum. Daher warnen manche vor den Gefahren übermäßiger Mediennutzung. So wie die Autoren der BLIKK-Studie, die die Bundesregierung in Auftrag gegeben hat. …“

„… Das stimmt so aber nicht, sagt die Gegenseite – und verweist auf die Methodik. Tatsächlich arbeitet die BLIKK-Studie mit Korrelationen, nicht mit Kausalitäten. Anders formuliert: Die Studie stellt statistische Zusammenhänge fest. Dass das ständige Onlinesein wirklich die Ursache dafür ist, dass Jugendliche dick oder mediensüchtig werden, ist nicht erwiesen. Möglich ist, dass eine Vielzahl von Faktoren dafür verantwortlich ist. Etwa ob sich Eltern um ihre Kinder kümmern. Auch gibt es Kritik an Studien, die beispielsweise die Zunahme von Depressionen oder Suizidgedanken bei Jugendlichen auf die Nutzung von Social Media zurückführen. …“

https://www.fluter.de/machen-soziale-medien-suechtig?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE

🙁 Wenn sich schon ein Teenager wie die 14-jährige Paula fragt,was das dann erst mit all den Acht- oder Neunjährigen macht, die auch schon auf TikTok und Instagram sind.“ …